« Der anarchistische Gefangene Werner Braeuner ist im Hungerstreik | Hauptseite | Die Queen auf der Smaragdgrünen Insel: »Töten Sie Menschen?« »

»Was sind schon 800 Jahre Unterdrückung unter Freunden?«

– Elizabeth Windsor in Irland

von Jürgen Schneider

Einen Tag vor dem Irland-Besuch der britischen Königin Elizabeth Windsor herrschte in London hektisches Treiben. Erstmals seit zehn Jahren soll eine »codierte« Mitteilung irisch-republikanischer Dissidenten bei den Sicherheitsbehörden eingegangen sein, in Londons Innenstadt sei eine Bombe gelegt worden. Die Warnung sei »unspezifisch« gewesen, ohne Angabe des Ortes und des Zeitpunktes der vermeintlichen Bombenexplosion. Unspezifisch blieb auch, welche der mittlerweile fünf Absplitterungen der einstigen Provisorischen Irisch-Republikansichen Armee, die als »dissident republicans« bezeichnet werden, für die Bombenwarnung verantwortlich gewesen sein soll. Später wurde ein Koffer gefunden, der jedoch war lediglich herren-, also harmlos. Am Abend wurde in Irland in einem Linienbus von Ballina nach Dublin im Universitätsstädtchen Maynooth ein Gepäckstück gefunden, in dem ein »funktionsfähiger, improvisierter Sprengsatz« enthalten gewesen sein soll. Das Gepäckstück wurde von einem Sprengstoffexperten der irischen Armee in einer kontrollierten Sprengung unschädlich gemacht.

dublin_castle_cover.gif

In Nordirland wurden im Vorfeld des royalen Irland-Besuches einige »dissident republicans« festgenommen, darunter Marian Price, die 1973 an dem IRA-Bombenanschlag auf das Old Bailey in London beteiligt war und in der Friedensstrategie von Sinn Féin Verrat am traditionellen Republikanismus sieht. Price wird vorgeworfen, die Unterstützung einer illegalen Organisation befördert zu haben. Sie hatte am Ostersonntag im nordirischen Derry bei einer Kundgebung der Real IRA die Erklärung gehalten, die ein maskierter Sprecher der Organisation verlas. Prices Anwälte trugen vor, es sei ein windiger Tag gewesen, und Price sei gebeten worden, das Papier zu halten. Von dessen Inhalt habe sie keine Kenntnis gehabt. In der Erklärung der Real IRA hieß es, die Queen sei ein »legitimes Ziel für militärische Operationen«: »Die Königin von England wird wegen Kriegsverbrechen gesucht und ist auf irischem Boden nicht willkommen.« Marian Price wurde gestern in Derry gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, bei Verlassen des Gerichts aber sofort wieder arrestiert, da sie »eine zunehmende Gefahr« darstelle. Für das Republican Network for Unity ist die erneute Festnahme von Marian Price »de facto Internierung«.

Während in englischen und britischen Medien gemahnt wird, man möge die 800-jährige Geschichte kolonialer Unterdrückung anlässlich des Queen-Besuches doch bitte schleunigst vergessen, kritisieren die Opfer von Terroranschlägen nordirischer loyalistischer Organisationen, dass Irlands Präsidentin Mary McAleese zu der geplanten Kranzniederlegung von Elizabeth Windsor an einem Denkmal für die Iren, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallen sind, mehrere Führer loyalistischer Organisationen eingeladen wurden, darunter Jackie McDonald von der Ulster Defence Association (UDA). Jude Whyte, dessen Mutter Peggy 1984 bei einem loyalistischen Bombenanschlag ums Leben kam, erklärte: »Für Frieden und Versöhnung wäre es weitaus wichtiger, wenn sie die Gräber unserer Angehörigen besuchen und sich des Schadens bewusst würden, den ihre Organisation angerichtet hat. Ihr habt viel Leid verursacht, unschuldige Menschen verstümmelt und umgebracht. Es wäre an der Zeit, dass ihr euch entschuldigt.« Louise Minihan, Stadträtin der irisch-republikanischen Organisation éirígí, sagte: »Die Entscheidung, Führer unionistischer Todesschwadrone einzuladen, reibt Salz in die Wunden der Familien ihrer Opfer.«

Kritik wurde zudem laut, weil zu dem morgigen Staatsdinner in Dublin Castle, einst Sitz der britischen Kolonialverwaltung, Bürger der Republik Irland, die sich um den nordirischen Friedensprozess verdient gemacht haben, nicht eingeladen wurden. Aus irischen Regierungskreisen wurden zudem die Erwartungen gedämpft, Elizabeth Windsor könnte sich bei ihrer Rede während des Staatsdinners für die Verbrechen der britischen Krone in Irland entschuldigen. Ein BBC-Kommentar erklärte: »Nein, nein, eine Entschuldigung wird es nicht geben, vielleicht aber eine Art Bedauern.« Der Kommentar des irisches Comedians Eric Lalor lautete: »Was sind schon 800 Jahre Unterdrückung unter Freunden?«

Der stellvertretende Regierungschef Eamon Gilmore erklärte im »Irish Independent«: »Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was ein Staatsoberhaupt und dem, was ein Regierungschef sagt. Ich glaube, wir sollten von einem Staatsoberhaupt, das auf vielerlei Weise eine zeremoniale Rolle spielt, das tut, was angemessener für Leute in Regierungsverantwortung ist.« Im vergangenen Jahr hatte sich der britische Premier David Cameron für den Blutsonntag von Derry entschuldigt, bei dem 1972 14 Bürgerrechtsdemonstranten von britischen Fallschirmjägern erschossen worden waren.

Kritik an dem Besuch von Elizabeth Windsor übte der Sänger Morrissey. Der einstige Frontmann der Rockband The Smiths, dessen Eltern ein Jahr vor seiner Geburt von Dublin nach Manchester emigriert waren, schrieb in einem Brief an das in Dublin erscheinende Musikmagazin »Hot Press«, die britische Monarchie sei »völlig gegen jede Vorstellung von Demokratie und freier Meinungsäußerung«, der Queen-Besuch in Irland »Teil einer neuen PR-Kampagne des Palastes zur Neuerfindung der Windsors«. Und die Botschaft der Queen »werde dieselbe sein wie eh und je: wessen Kind wir sind, ist wichtiger als das, was wir im Leben erreichen«. Die Queen verfüge über die Macht die sechs nördlichen Grafschaften Irlands dem irischen Volk zurückzugeben, so dass Irland wieder eine Nation werde. Dies nicht zu tun sei faschistisch.

Nachfahren der Anführer des irischen Osteraufstandes von 1916 bezeichneten den Besuch der Queen als bizarr und unangebracht. James Connolly-Heron, Urenkel des Sozialisten und Gründers der Irish Citizen Army, James Connolly, der nach der Niederschlagung des Osteraufstandes schwer verletzt auf einem Stuhl sitzend von den Briten hingerichtet wurde, sagte, es sei unangebracht und unsensibel, dass die Queen den Garden of Remembrance und Croke Park besuche. »Der Garden of Remembrance ehrt all jene, die im Kampf für Irlands Freiheit starben. Dort wird die Queen einen Kranz niederlegen. Der Traum von der Freiheit hat sich nicht erfüllt. Das ist doch ein Widerspruch. Die Queen von England hält immer noch Teile dieser Insel besetzt, ist es also nicht seltsam, dass sie diejenigen ehrt, die gekämpft haben und starben? Ich bin nicht der Ansicht, dass wir ein Stadium für eine derartige Würdigung erreicht haben.«

Im Dubliner Stadion Croke Park der Gaelic Athletic Association eröffneten britische Einheiten im November 1920 während eines Gaelic-Football-Spiels zwischen Dublin und Tipperary vom Spielfeld aus das Feuer auf die Spieler und in die Zuschauerränge. 14 Menschen starben, 65 Menschen wurden verletzt. Das Stadion wird die Queen morgen besuchen, nach einer Besichtigung der Guinness-Brauerei und nach der Kranzniederlegung in Islandbridge in Anwesenheit ihrer Loyalistenführer aus Nordirland.

(17.05.11)

Teil 1: Bier der Marke Secret Service – Elizabeth Windsor und Barack Obama zu Besuch in Irland
Teil 2: »Was sind schon 800 Jahre Unterdrückung unter Freunden?« – Elizabeth Windsor in Irland
Teil 3: Die Queen auf der Smaragdgrünen Insel: »Töten Sie Menschen?«
Teil 4: Die Queen ist weg, Obama kommt

A.S.H. | 17.05.11 14:52 | Permalink