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Polnische Antiglobalisten rufen Polizei gegen Streikende

Es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Seit Jahren fristet die polnische radikale Linke ein Schattendasein. Nun ruft ein Mitglied des attac-Vorstandes in Polen die Polizei gar öffentlich zur Niederschlagung eines Streiks in der Kohlezeche Budryk im Oberschlesischen Ornontowice auf.

In einem jüngst veröffentlichten Artikel auf dem Internetportal wiadomosci24.pl ruft Marek Szolc, Mitglied des polnischen attac-Vorstandes, nach Recht und Ordnung und der Trennung der Organisatoren des Streiks von der streikenden Belegschaft: „die Interventionseinheiten sollten unerlässliche rechtliche Handlungen vornehmen, damit in der Kohlezeche Menschen wieder normal arbeiten können“.

Der Protest in der staatlichen Steinohlezeche Budryk dauert seit dem 13. Dezember vergangenen Jahres an. Dieser begann mit dem Hungerstreik von vier Bergleuten und zwei Steigern. Damit versuchte die Belegschaft die Betriebsführung während eines Arbeitskampfes zu Verhandlungen zu zwingen.

Am 14. Dezember äußerte der Sprecher der Leitung der Kohlegrube in einem Fernsehinterview, dass es bis zum Zeitpunkt des Beginns des Streiks keine Verhandlungen über Lohnforderungen geben werdeDamit gab die Leitung zu verstehen, dass nicht ein Hungerstreik, sondern ein formeller Streik der einzige Weg wäre, um mit Gesprächen zu beginnen. Am 17. Dezember um 6.00 Uhr beschloss die technische Belegschaft der ersten Schicht einstimmig einen unbefristeten Streik in der Kohlegrube „Budryk“ aufzunehmen.
Der Grund sind sozialökonomische Fragen, u.a. die Sicherung des gleichen Lohnniveaus bei der Übernahme und der Integration der Zeche in den Strukturen der Jastrzębska Spółka Węglowa S.A (Jastrzebie Kohlegesellschaft AG).

Mit einer solchen Solidarität haben die Streikenden seitens attac vermutlich nicht gerechnet. Diese Haltung erstaunt umso mehr als Szolc selbst Mitglied in einer Gewerkschaft ist. Allerdings der NSZZ Solidarność, die den Streik von Anfang an nicht unterstützt.

Insbesondere in den letzten Monaten waren vermeintliche Globalisierungsgegner in Polen mit Verleumdungen und Schlammkämpfen gegen ihre mutmaßlichen GegnerInnen in den eigenen Reihen beschäftigt. Dabei spielte auch die Auseinandersetzung um deutsche Fördermittel eine Rolle, die großzügig von einer deutschen Stiftung an auserwählte „linke“ Organisationen fließen sollen. Nach Medienberichten soll sich darunter auch attac Polen befinden. Die Organisation kommt in Polen leider nicht aus negativen Schlagzeilen. Kurz nach ihrer Gründung im Oktober 2001 wurde bekannt, dass nahezu der gesamte Vorstand durch neurechte Kader aus dem Kreis der rechten Zeitschrift „Obywatel“ unterwandert wurde. Die bekannten Rechtsextremisten Jarosław Tomasiewicz und Remigiusz Okraska versuchten damit die internationalistische, alterglobale Ausrichtung der Organisation in einen nationalistisch zersetzten Antiglobalismus zu verklären. Dies konnte durch Intervention von engagierten Antifaschisten vom Verein „Niemals Wieder“ und linken Aktivisten verhindert werden. Doch erholt hat sich die Organisation nach diesem Skandal nie so richtig. Sie schrumpfte zusehends auf eine kleine Mitgliederzahl und erlebte erst einen Aufschwung als sie sich an die landesweiten Aktivitäten des "Komitee zur Unterstützung und Verteidigung der unterdrückten Arbeiter" (KPiORP) beteiligte. Doch einer deutschen Stiftung soll die dominierende Stellung einer radikalen Linken Gewerkschaft des Sierpień 80 im KPiORP nicht gefallen haben. In der Szene ist seit langem bekannt, dass attac das KPiORP auf Druck des Geldgebers aus Berlin verlassen hat.
Der jüngste Skandal um die Forderungen nach einem Polizeieinsatz aus der Feder eines ranghohen Vorstandsmitgliedes von attac beweist einmal mehr in welch prekärer Verfassung sich die polnische Globalisierungsbewegung derzeit befindet.

Von konstruktiver, inhaltlicher Politik hört Mensch aus Polen jedoch schon lange nicht. Erst kürzlich zeigte sich Marek Szolc, ein bekennender Kaczyński-Anhänger während des Sozialforums in Cottbus unversöhnlich mit anderen Gewerkschaften. Dabei stellte er sich an die Seite seiner Gewerkschafts-Kollegin, die auf einem internationalen Forum den monatelangen Streik der Krankenschwestern in Warschau kritisierte und offen Stellung für die Verhandlungskünste ihres Über-Vaters Jarosław Kaczyński bezog. Dieser war zum damaligen Zeitpunkt noch Premierminister. Im Verlauf des Streiks hatte Kaczyński drei Krankenschwestern, die sein Büro besetzt hielten von der Außenwelt abgeriegelt (u.a. die Handys abgestellt und ihre UnterstützerInnen überwachen lassen). Zugang zu Toiletten und ihren Familien bekamen die Frauen erst als diese in den Hungerstreik traten.

In einem Aufruf der Streikenden heißt es: „Wir bitten um Hilfe, damit wir einen Vertrag unterzeichnen können, der alle Kumpels in Polen einschließt. Lasst es nicht zu, dass der seit dem 17.12. dauernde Streik der Belegschaft der Zeche „Budryk“ durch partikuläre Interessen im Fiasko endet.
Wir kapitulieren nicht, ergeben könnten sich höchstens unsere Kinder – unsere Familien, denen die finanziellen Mittel zu fehlen drohen. Wenn sie UNS heute besiegen dann können sie EUCH morgen besiegen.“

Die Menschen, die die Familien der Streikenden unterstützen wollen bitten wir um Einzahlungen auf das Konto der Bank:
„Orzesko-Knurowski Bank Spółdzielczy oddział Ornontowice“

auf das Konto:
POLU PL PR 23 8454 1053 2001 0041 5426 0001 (Internationaler Bank Code - gebührenfrei)

mit dem Vermerk:
„Fundusz pomocy dla rodzin strajkujących górników Budryka”.
(Fond für die Familien der Streikenden von „Budryk”)

Michal Stachura | 07.01.08 20:49 | Permalink