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BAW: Hinrichtung schlecht, Konzentrationslager gut

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Quelle: Peter Wacker (CC)

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hob am 6. Dezember 2007 die Bundes- anwaltschaft -von Amtswegen- das Urteil gegen den im „Reichstagsbrandprozess“ verurteilten Marinus van der Lubbe auf. Eine Überraschende Nachricht, denn an den zahlreichen Wehrmachts-Deserteuren die als Verräter behandelt werden schien sich bislang keiner zu stören. Auch Mörder von Guernica, Angehörigen der Legion Condor erhalten für ihrer "Heldentaten" Zusatzleistungen für "Kampfeinsätze". Dieses Unrecht soll nun für Marinus van der Lubbe nicht mehr Recht sein. Ein faktischer Widerspruch, der jedweder juristischen Logik entbehrt und ist wohl allein den tagespolitischen Bedürfnissen der Behörde geschuldet ist.

Interessanterweise machte die Pressestelle ihre Entscheidung erst am 10. Januar dieses Jahres bekannt. Die Behörde steht seit Monaten, insbesondere wegen ihrer rechtsstaatlich fragwürdigen Anordnungen gegen politische AktivistInnen und der Legitimierung massiver Überwachungsmaßnahmen von JournalistInnen, unter Beschuss. Alles deutet darauf hin, dass die Bundesanwaltschaft, die längst als Stasi 2.0 bezeichnet wird mit dieser verspäteten Maßnahme punkten wollte, um sich ein „demokratisches Profil“ zu verschaffen. Dazu gehört es wohl auch die deutsche Justiz von den Geistern ihrer faschistischen Vergangenheit befreien zu wollen. Das BKA machte dies bereits im Herbst letzten Jahres vor, indem es verlautbaren ließ, es werde seine eigene NS-Vergangenheit „aufarbeiten“.

Der niederländische Anarchist und Rätekommunist Van der Lubbe wurde zusammen mit dem damaligen Vorsitzenden der Reichstagsfraktion der KPD Ernst Torgler sowie drei bulgarischen Kommunisten, darunter Georgi Dimitrow, Blagoj Popoff und Wasil Tanew angeklagt den Brand gelegt zu haben. Am 22. Dezember 1933 wurde Van der Lubbe wegen „Hochverrat in Tateinheit mit vorsätzlicher Brandstiftung“ im so genannten Reichstagsbrandprozess durch das Reichsgericht in Leipzig zum Tode verurteilt. Am 10. Januar 1934 wurde er in Leipzig mit dem Fallbeil hingerichtet. Die anderen Angeklagten wurden mangels Beweisen zwar freigesprochen, jedoch zur „Schutzhaft“ in ein Konzentrationslager eingeliefert. Außer Dimitrow der am 27. Februar 1934 in die Sowjetunion ausgewiesen wurde. Torgler arbeitete nach der Freilassung für die Gestapo.

Nach Angaben der Nazis wurde Van der Lubbe am Tatort festgenommen. Nach seinem vermeintlichen Geständnis, welches in der gleichen Nacht bei einem Verhör aufgenommen wurde hieß es er habe bereits zwei Tage zuvor sich mit vier Paketen Kohleanzünder der Marke Odin eingedeckt. Damit soll er Brände im Neuköllner Wohlfahrtsamt, im Berliner Rathaus und im Stadtschloss gelegt haben. Aufmerksame deutsche Vollblüter sollen dies rechtzeitig bemerkt und gemeldet haben. Ziel der Aktionen soll es gewesen sein seine proletarischen Genossen gegen das erstarkende Regime der Nationalsozialisten aufzurütteln. Am Morgen des 27. Februar 1933 soll Lubbe nochmals vier Pakete des bereits erprobten Kohleanzünders gekauft haben und am Abend, kurz vor 21 Uhr durch ein Fenster auf der Westseite ins Reichstagsgebäude durch Lubbe gelegt worden sein.

An dieser Darstellung zweifelten seit Jahren unterschiedliche Historiker.

Im letzten Spiegel stand allerdings auf S.40 zuversichtlich in dem Artikel „Wie Adolf Hitler vor 75 Jahren...an die Macht kam“ mit Bezug auf den Reichstagsbrand: „Ein holländischer Anarchokommunist, (...) der Marinus von der Lubbe hieß, hatte gezündelt. Nach allem was man heute weiß, handelte er allein.“

Die Bundesanwaltschaft begründete die Aufhebung des Urteils damit, dass „die Verhängung der Todesstrafe auf zwei spezifisch nationalsozialistischen Unrechtsvorschriften beruht, die zur Durchsetzung des nationalsozialistischen Regimes geschaffen worden waren und die Verstöße gegen Grundvorstellungen von Gerechtigkeit ermöglichten. Dies gilt zum einen für die Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933. Diese Vorschrift führte bei Straftaten wie den dem Angeklagten zur Last gelegten die Todesstrafe ein. Das Gesetz über die Verhängung und den Vollzug der Todesstrafe vom 29. März 1933 bestimmte zudem, dass diese Verschärfung der Strafe auch rückwirkend auf Taten anzuwenden sei, die vor dem 28. Februar 1933 begangen worden waren. Erst durch Anwendung dieser Vorschriften gelangte das Reichsgericht dazu, gegen den Angeklagten die Todesstrafe zu verhängen.“

Die Nationalsozialisten hatten den Reichstagsbrand für ihre antikommunistische Propaganda genutzt. Die BAW benutzt es um sich von dem Anschein der politischen Befangenheit rein zu waschen.

Am Ende ihrer Begründung für die Aufhebung fügt die Bundesanwaltschaft hinzu: „Unberührt bleibt das Urteil hingegen hinsichtlich der vier freigesprochenen Mitangeklagten, darunter des späteren bulgarischen KP-Chefs Dimitrow.“ Faktisch bedeutet dies, dass die BAW nachträglich die Entscheidung des vorsitzende Richter Wilhelm Bünger (Mitglied der DVP und Landesminister in Sachsen) gegen die anderen Angeklagten „Freispruch“, sprich „Schutzhaft“ und Konzentrationslager aufrecht erhält.

Der damlige Prozess ist nur Schlusspunkt einer Entwicklung, die bereits am Tag nach dem Brand ihren Anfang nimmt und Ende 1933 bereits abgeschlossen ist. Am 28. Februar 1933 legt Hitler Reichspräsident Paul von Hindenburg eine Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat vor, die noch am selben Tag Gültigkeit erhält. Die sogenannte Reichstagsbrandverordnung fußt auf Artikel 48 der Weimarer Verfassung und gibt neben der Außerkraftsetzung der Grundrechte (u.a. Freiheit von Person und Eigentum, freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht, Post- und Fernmeldegeheimnis) der Reichsregierung die Macht, anstelle einzelner Landesbehörden entsprechende Maßnahmen zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu ergreifen.

Nach 74 Jahren will die Bundesanwaltschaft mit ihrer Enstcheidung anscheinend doch nicht gleich alles aufarbeiten … den was damals schon Recht war, kann heute…

Michal Stachura | 21.01.08 23:52 | Permalink