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Von Müllstation zu Größenwahn

Punkausstellung in Halle wurde eröffnet

Im August 2005 sahen über 6.000 Besucher in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Berlin die Ausstellung too much future – Ostpunk. Von vier Kuratoren realisiert, wurde auf drei Etagen die erste umfassende Ausstellung über Punk in der DDR von 1979-89 präsentiert.
Zwei Kuratoren der 2005er Ausstellung, Michael Boehlke, Henryk Gericke und Mark Westhusen, Mitarbeiter des Freien Radios „Corax“ Halle, haben die Ausstellung überarbeitet mit einem Schwerpunkt - Punk in Halle. Am Freitag wurde die Ausstellung im Stadtmuseum Halle eröffnet.
Der Renaissancebau des Stadtmuseums Halle als Ort einer Punkausstellung erscheint zunächst abwegig, ist daher aber von einigem Reiz. An solch einem Ort prallen Hochkultur und Subkultur aufeinander. Dieser Eindruck wird aber wieder gebrochen. Hat man das Bürgerhaus mit seiner barocken Innenausstattung einmal durchquert, gelangt man in einen Industrieanbau aus dem Jahr 1914, welcher den Ausstellungsraum von too much future beherbergt.


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Foto: Moritz Götze, Punkfestival, Halle, 1984

Halle war, neben Erfurt, sicher der virulenteste Schauplatz von Punk in der DDR-Provinz. Als sich in Berlin die Szene längst konstituiert hatte, herrschte in Halle noch ein erfrischend unaufgeräumtes Sortiment aller möglichen gegenkulturellen Ambitionen und Fraktionen. Dennoch war die Stadt bereits 1983 Austragungsort des ersten Punkfestivals in der DDR. Es wurde vom Hallenser Maler Moritz Götze in der Christusgemeinde organisiert und fand anschließend jahrelang am selben Ort statt. Alle Größen des DDR-Punk, von Schleim-Keim über Wutanfall, Planlos bis Namenlos traten dort vor mehreren Hundert Leuten aus dem ganzen Land auf.
Die besonderen Umstände, unter denen Punks in den Bezirks- und Kleinstädten Kopf und Kragen riskierten, machen eine Verschiebung, weg von den Hotspots auf andere Ereignisfelder der Bewegung, zu einem subkulturellen Sujet, das bisher kaum Beachtung fand. Neben Texten und Fotos von Punks sind Fotos von Christiane Eisler, Harald Hauswald und Helga Paris zu sehen. Künstler wie Moritz Götze, Ronald Lippok, Mita Schamal, Cornelia Schleime, C.D.Spinne, Igor Tatschke, Flanzendörfer, Johannes Jansen, Claus Löser, Thomas Frydetzki, Via Lewandowski, Robert Lippok sind mit Malerei, Grafik, Collagen, Super8-Filmen und Installationen vertreten. Dazu dröhnt Punkmusik von Bands wie Müllstation und Die letzten Recken.
Teil der Ausstellung ist das Begleitprogramm mit Konzerten, Podien, Kinoveranstaltungen, Lesung und Führungen und es erscheint ein 100 Seiten starkes Buch über Punk in der Halleschen Provinz von Mark Westhusen und Bernd Lindner, herausgegeben von Moritz Götze und Peter Gerlach im rührigen Verlag „Hasen-Editionen Halle/Saale“ mit zahlreichen Fotos und Abbildungen.

Punk in der DDR 1979-89 – too much future, Stadtmuseum Halle, Große Möhrenstraße 10,
19.01. – 30.03. 2008. Ausstellungseröffnung: 18.01., 18:00 Uhr.
http://halle.toomuchfuture.de

natter | 21.01.08 16:42 | Permalink