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Zum Tod von Dolours Price

von Jürgen Schneider

Am Mittwoch, 23. Januar 2013, wurde in dem Dubliner Vorort Malahide die 61-jährige ehemalige IRA-Kämpferin Dolours Price von einem ihrer beiden Söhne tot aufgefunden. Sie war eine entschiedene Kritikerin des nordirischen Friedensprozesses und vor allem des Sinn-Fein-Präsidenten Gerry Adams, der gebetsmühlenartig leugnet, überhaupt jemals IRA-Mitglied gewesen zu sein.

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Dolours Price, Foto-Credit: The Broken Elbow

Dolours Price stammte aus einer irisch-republikanischen Familie. Ihr Vater Albert war ein IRA-Mann, ihre Mutter, deren Schwestern sowie die Großmutter gehörten Cumann na mBan an, der Frauenarmee der IRA. Über ihre Tante Bridie Dolan hieß es 1975 im »Spiegel«: »Bridie Dolan hatte 1938, damals 27 Jahre alt, beim Verstauen von IRA-Sprengstoff beide Hände und das Augenlicht verloren. Dennoch kämpfte sie weiter, streckte den Kindern in den Straßen ihre verstümmelten Arme entgegen und wiederholte unablässig: ›Verjagt die Briten, und wenn es eure Hände, eure Augen, euer Leben kostet!‹«

Dolours Price hatte nach eingehender Beratung mit Adams, ihren Angaben zufolge damals ihr »Officer Commanding« in Belfast, den 10-köpfigen Trupp der Provisional IRA angeführt, der am 8. März 1973 in London u. a. Bombenanschläge auf das Old Bailey sowie auf New Scotland Yard verübte. Die britischen Sicherheitskräfte hatten offenbar Hinweise aus den Reihen der Provisional IRA in Belfast erhalten, und alle Mitglieder des Kommandos, darunter auch Dolours’ jüngere Schwester Marian, wurden verhaftet, als sie in London-Heathrow das Flugzeug nach Belfast besteigen wollten. Marian Price erklärte 2004: »Die Behörden ließen die Bombenanschläge geschehen. Sie verfügten vorab über Details der Operation, die nur von einer ranghohen Person in Belfast stammen konnten. Wir erfuhren, dass neun Stunden, bevor die Bomben explodierten, Fotos von Dolours und mir an Flughäfen und Häfen zirkulierten.«

Dolours und Marian Price, die seit Mai 2011 auf Anordnung des britischen Nordirlandministers Owen Paterson aufgrund »vertraulicher Informationen« interniert ist und sich derzeit streng bewacht im Belfast City Hospital befindet, traten, nachdem sie am 14.November 1973 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden waren, in den Hungerstreik, um ihre Verlegung nach Nordirland durchzusetzen. An 167 der 200 Tage ihres Hungerstreiks wurden sie zwangsernährt. Die barbarische Zwangsernährung wurde erst beendet, als der IRA-Gefangene Michael Gaughan im Juni 1974 während des Hungerstreikes starb.

1975 handelte die IRA während eines Waffenstillstandes die Verlegung der Price-Schwestern nach Nordirland aus. Im Jahre 1980 wurden sie begnadigt ­und 1981 auf freien Fuß gesetzt. Beide litten an Anorexia nervosa (»Magersucht«), Marian Price war zudem an Tuberkulose erkrankt. An den körperlichen und psychischen Folgen der Tortur der Zwangsernährung litt Dolours Price seit ihrer Haftentlassung, ebenso ihre Schwester, deren Gesundheitszustand sich während ihrer Internierung zunehmend verschlechtert hat.

Aus der Haft entlassen, heiratete Dolours Price den irischen Schauspieler Stephen Rea, der Gerry Adams seine Stimme lieh, als laut Sektion 31 des irischen Broadcasting Act die Stimmen von gewählten Repräsentanten der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein nicht im Radio und Fernsehen zu hören sein durften. Price und Rea trennten sich 2003.

Im Februar 2010 berichtet die in Belfast erscheinende Tageszeitung »The Irish News«, Dolours Price habe der »Unabhängigen Kommission zur Auffindung von Opfern« ihre Hilfe angeboten bei der Suche nach den Orten, an denen die Leichen von Joe Lynskey, Seamus Wright und Kevin McKee zu finden seien. Die seit langer Zeit Vermissten sollen von der IRA getötet worden sein. Dolours Price gestand, 1972 die in Belfast gekidnappte Jean McConville, die von der IRA beschuldigt wurde, den Briten mit Spitzeldiensten zur Hand gegangen zu sein, in die Republik Irland gefahren zu haben. Dort wurde McConville erschossen und verscharrt.

Dolours Price brachte Gerry Adams in Verbindung mit dem Kidnapping und Verschwindenlassen von McConville. In einem Interview mit CBS im vergangenen Jahr wiederholte sie die Beschuldigungen gegen Adams: »Ich habe Jean McConville weggefahren. Ich weiß nicht, wer die Instruktionen gab, sie zu exekutieren. Dies wurde offenbar zwischen den Leuten vom General Headquarter und den Leuten in Belfast entschieden. Gerry Adams würde an den Verhandlungen, was mit ihr geschehen soll, teilgenommen haben. (...) Eines Abends wurde ich in ein Haus in der Falls Road gerufen, in dem sich Gerry Adams aufhielt. McConville war von der Frauenarmee der IRA festgenommen und ein paar Tage festgehalten worden. Sie stieg zu mir ins Auto in dem Glauben, die Legion of Mary fahre sie an einen sicheren Ort. (...) Gott sei Dank war es nicht meine Entscheidung, sie verschwinden zu lassen. Ich musste sie lediglich von Belfast nach Dundalk fahren. Ich habe ihr sogar Fish and Chips und Zigaretten besorgt, bevor ich sie absetzte.«

Dolours Price gehörte zu denjenigen ehemaligen Militanten aus Nordirland, die im Rahmen des von dem Journalisten Ed Moloney und dem einstigen IRA-Mann Anthony McIntyre durchgeführten »Oral History Projekt Belfast« vor etwa zehn Jahren interviewt wurden. Die Interviews wurden unter der Maßgabe geführt, dass sie zu Lebzeiten der Interviewten nicht veröffentlicht werden. Die Interviews sind am Boston College in den USA unter Verschluss. Im Mai 2011 verlangte der Police Service of Northern Ireland (PSNI) im Rahmen der Untersuchung des Verschwindens von Jean McConville vom Boston College die Herausgabe der Bänder mit den mit Dolours Price geführten Gesprächen. Ein Sprecher des Boston College erklärte, die frühzeitige Herausgabe der Bänder könne die Sicherheit der Beteiligten, das Unternehmen Oral History und den andauernden Friedens- und Versöhnungsprozess in Nordirland gefährden. US-Staatsanwälte forderten jedoch einen Richter auf, dafür zu sorgen, dass die Bänder aus Gründen vertraglicher Verpflichtungen mit dem Vereinigten Königreich ausgehändigt werden. Im Oktober 2012 hat jedoch der Oberste Gerichtshof der USA die Herausgabe der Bände einstweilig blockiert.

Ed Moloney schrieb im September 2012, Dolours Price habe sich im schon lange zurückliegenden Interview für das Oral History Projekt nicht wie in den Medien suggeriert zur Entführung von Jean McConville geäußert. Seit den mit ihr geführten Interviews habe sich ihre Gesundheit jedoch alarmierend verschlechtert, zugleich sei sie in ihrem Begreifen der Vergangenheit empfänglicher für äußere Einflüsse geworden. Und nach dem Tod von Dolours Price erklärten Moloney und Anthony McIntyre: »Während der letzten zwei Jahre unseres Versuches zu verhindern, dass ihre Interviews der Polizei in Belfast übergeben werden, galt unsere größte Sorge stets der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Dolours. Nun, da sie nicht mehr unter uns weilt, können sich vielleicht diejenigen, die diesen Rechtsstreit angezettelt haben, etwas Zeit nehmen, über die Konsequenzen ihres Vorgehens nachzudenken. Die mit Dolours Price geführten Interviews werden nicht, wie es in einigen Berichten fälschlicherweise hieß, unmittelbar übergeben werden. Noch unterliegen sie dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes und der hat Bestand, bis dieses Gericht, das höchste im Lande, anders entscheidet.«

Gerry Adams sagte nach dem Tod von Dolours Price, er sei traurig und schockiert. Wegen der von ihr gegen ihn erhobenen Beschuldigungen mache er sich jedoch keine Sorgen, »denn sie sind nicht wahr«.

Ein Belfaster Gericht hat beschlossen, Marian Price die Teilnahme an der Beerdigung ihrer Schwester zu erlauben. Die Bewährungskommissare (Parole Commissioners) haben dies abgelehnt. Ihr Anwalt hat beantragt, dass seine Mandantin ein paar Stunden auf freien Fuß kommt, um die Totenwache zu besuchen und Abschied von ihrer Schwester nehmen zu können. Gegenüber dem »Belfast Telegraph« erklärte ein Freund: »Marian ist physisch und mental zu schwach, um an der Beerdigung von Dolours teilzunehmen. Selbst wenn es ihr gut ginge, würde sie es vorziehen, privat Abschied zu nehmen, statt inmitten eines Medienzirkus.«

A.S.H. | 26.01.13 18:48 | Permalink