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Continuity IRA erschießt Polizisten

Von Jürgen Schneider

Zwei Tage nach dem Anschlag auf die Militärbasis Massereene in der nordirischen Grafschaft Antrim, bei dem zwei Soldaten ums Leben kamen, wurde am Montagabend ein Polizist des Police Service of Northern Ireland (PSNI) in Craigavon, Grafschaft Armagh, erschossen. Er war mit seinen Kollegen einem telefonischen Hinweis einer Frau nachgegangen, die mitgeteilt hatte, eine Straßengang werfe Fensterscheiben ein. Laut der Nachrichtenagentur PA übernahm die Continuity IRA in einem codierten Bekennerschreiben die Verantwortung für das Attentat: »So lange es britische Einmischung in Irland gibt, werden diese Angriffe weiter gehen.«

Die Continuity IRA gilt als der bewaffnete Arm der 1986 als Abspaltung von Sinn Féin entstandenen Republican Sinn Féin (RSF). Die Partei bestreitet dies allerdings.

Zu dem Anschlag auf die Massereen-Kaserne hatte sich am Sonntag die Real IRA bekannt, die 1997 als Abspaltung von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) entstanden war und den nordirischen Friedensprozess ablehnt. Die Journalistin Suzanne Breen von der Zeitung Sunday Tribune erklärte gegenüber Sky News, ein Mann habe im Tribune-Büro angerufen: »Er sagte, er und die Real IRA würden sich nicht für den Anschlag auf britische Soldaten entschuldigen, weil sie seiner Aussage zufolge weiterhin Nordirland besetzt hielten.« Die bei dem Anschlag vom Samstag schwer verletzten Pizzaboten, darunter ein polnischer Arbeitsemigrant, so hieß es im menschenverachtenden Duktus der Real IRA weiter, hätten »mit der britischen Kriegsmaschinerie kooperiert«.
Die bei dem Anschlag auf die Massereene-Kaserne erschossenen britischen Soldaten hatten Wüstencamouflage getragen, weil sie wenige Stunden später nach Afghanistan fliegen sollten. Ihr Regiment wurde ohne sie auf die »humanitäre Mission« geschickt, wie der britische Nordirlandminister Shaun Woodward den Kriegseinsatz gegen die Taliban beschönigend nannte.

Die Real IRA hatte am 15. August 1998 den schwersten Anschlag in der Geschichte der euphemistisch »Troubles« genannten kriegerischen Auseinandersetzungen in Nordirland verübt. Bei der Zündung einer Autobombe in der Stadt Omagh waren 29 Menschen getötet und 220 zum Teil schwer verletzt worden. Wie es zu dem Anschlag kommen konnte, ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Mobiltelefone der an dem Massaker Beteiligten waren von Geheimdienstlern des britischen General Communications Headquarters (GCHQ) abgehört worden. Doch mehr noch: Wie der Belfast Telegraph in seiner heutigen Ausgabe berichtet, soll der mit Sprengstoff beladene Wagen mit Wanzen versehen gewesen sein. Was hörten die Lauscher Ihrer Majestät? Die Angehörigen der Opfer von Omagh stellen schon lange die Frage, warum der Anschlag nicht verhindert wurde.

Nach den Schüssen vom Samstag hatten nordirische und englische Politiker sowie Medien Sinn Féin kritisiert, weil die republikanische Partei unter Führung von Gerry Adams vierzehn Stunden brauchte, um sich schließlich in Bürokratensprache zu distanzieren. Doch bei der Distanzierung sollte es nicht bleiben. Mehrere Sinn Féin-Politiker forderten die Bevölkerung dazu auf, der Polizei zu helfen, die Attentäter dingfest zu machen. Früher war ihnen die Parole »Informers will be shot« locker über die Lippen gegangen. Zu dem Deal, der dem Friedensprozess zugrunde liegt und der Sinn Féin die Regierungsbeteiligung gebracht hat, die Adams & Co. als Weg zu einem vereinigten Irland sehen, gehört allerdings die Akzeptanz der Polizei- und Sicherheitsarrangements, des Police Service of Northern Ireland sowie des gesetzlichen Rahmens, auf dem diese Arrangements basieren. Die Irish Times schrieb: »Es war wichtig, dass [der ›First Minister‹ des nordirischen Regionalparlaments von der Democratic Unionist Party] Robinson und sein Stellvertreter Martin McGuinness [Sinn Féin] zum Auftakt ihres heute beginnenden Besuches und vor dem Treffen mit Präsident Obama amerikanischen Politikern, Investoren und Reportern vor Augen führen können, dass sie ein Team sind.«

A.S.H. | 10.03.09 16:16 | Permalink