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Für eine Kulturhauptstadt Erfurt

Offener Brief an den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein

Kunst und Kultur sind nicht die schönste Nebensache, sondern sind Seismographen, die Dinge ansprechen, ans Licht holen, bevor sie explodieren. Sie fördern und ermöglichen oft erst das Gespräch unter Menschen und haben somit eine enorme gesellschaftliche Funktion. Kunst und Kultur sind zentrale Grundlagen demokratischen Zusammenlebens. Die Förderung von Initiativen und Vereinen, die sich der Kunst und Kultur verschrieben haben, können deshalb nicht mit wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden, denn sie sind ein unersetzlicher, nicht aufwiegbarer Beitrag zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft.

Das Kunsthaus Erfurt ist durch die Einstellung der finanziellen Förderung seitens der Stadtverwaltung Erfurt in seiner Existenz bedroht.

Gegründet wurde es vor 19 Jahren von der Erfurter Künstlerinnengruppe Exterra XX. Diese Gruppe arbeitete seit Anfang der 1980er Jahre zusammen und sorgte mit ihren Super 8-Filmen, Fotografien, Texten, Malerei und Performances auch international für Aufmerksamkeit. Durch ihre unabhängige, künstlerische Arbeit, als auch politische Ausrichtung waren die Künstlerinnen den Herrschenden in der DDR ein Dorn im Auge. Im Herbst 1989 fanden sie ein marodes Haus in der Erfurter Altstadt, welches sie mit viel Hingabe umfangreich sanierten. Dort entstanden Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, Ateliers und eine Künstlerwohnung. Neben monatlich wechselnden Ausstellungsprogrammen widmet es sich über Veranstaltungen und Diskussionsrunden aktuellen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Themen in Kooperation mit regionalen und überregionalen Partnern. In der Galerie und dem Projektraum fanden bislang über 150 Ausstellungen mit nationalen und internationalen zeitgenössischen Künstlern statt.
Seit vielen Jahren unterstützt die Stadt Erfurt das Kunsthaus. Ab März 2008 wurde diese Förderung ohne Ankündigung eingestellt. Durch diese ausbleibende finanzielle Unterstützung ist das Kunsthaus im Ganzen bedroht.

Wir sehen aber auch generell in Erfurt eine mangelnde Unterstützung für zeitgenössische Kunst und Kultur. Die Rolle der Kunst und ihre Bedeutung wird zu wenig reflektiert. Was bedeutet Kunst für die junge Generation und welchen Beitrag kann sie für ihre Bildung leisten? Die Kulturverantwortlichen der Stadt müssen sich entscheiden, investieren sie in die Zukunft und unterstützen Initiativen und Vereine, die sich für aktuelle Tendenzen der Kunst stark machen, oder begnügen sie sich ausschließlich mit rückwärtsgewandten, mittelalterlichen Jahresthemen wie Rosenwunder und Lutherwanderung.
Es ist an der Zeit in Erfurt einen Kunst- und Kulturkongress einzuberufen, bei dem der Rat und die Kreativität der Kulturschaffenden eingeholt werden sollte.
Nur eine Stadt in der Kunst ganz offiziell zur Hauptsache erklärt wird, ist im wahren und ureigentlichen Sinn eine Kulturhauptstadt.

Wir, die unterzeichnenden Künstler, Kulturschaffenden, Kulturinteressierten und Kulturvermittler wenden uns gegen die momentane Entwicklung der Erfurter Kulturpolitik und fordern die Wiederaufnahme der finanziellen Unterstützung des Kunsthauses.

Liebe Freunde der zeitgenössischen Kunst,
wir möchten Euch/Sie bitten den Offenen Brief zu unterschreiben und um größtmögliche Weiterverbreitung zu sorgen. Die Namen bitte bis zum 23. August 2008 unter Angabe von Tätigkeit und Stadt an folgende Adresse schicken: KulturErfurt@byte-revolution.com oder auf der Internetseite http://kulturerfurt.byte-revolution.de/ eintragen.
Unterschriftenlisten liegen für Erfurt auch bei Radio F.R.E.I. und im Projektraum | Kunsthaus Erfurt aus.

natter | 10.08.08 00:34 | Permalink