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Massive Menschenrechtsverletzungen während des WEF in der Schweiz

Video von der grundlosen Verhaftung eines Journalisten der schweizerischen Gewerkschafts-Zeitung "Work"



Bericht aus dem Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof

Es sind Bilder, die Menschen vermutlich nur aus Minsk (Weißrussland) kennen und zuletzt aus Kenia über die Bildschirme verfolgten.

Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Verbindung zwischen Kapitalismus und staatlicher Gewalt so sichtbar wie in der Schweiz. Nirgendwo sonst auf der Welt haben Sondereinheiten der Polizei und einfache Streifenpolizisten ihren Auftrag den Hinterhof der globalen Finanzwirtschaft zu schützen, so gründlich internalisiert wie hier. Insbesondere während des World Economic Forums (WEF) wird die schweizer Steueroase mit allen Mitteln, selbst wenn diese offensichtlich verfassungswidrig sind geschützt. Auf Anfrage wie dies möglich sei, antwortet die Basler Polizei "während des WEF muss man eben damit rechnen verhaftet zu werden".

Am Samstag übte die Polizei in der Basler Innenstadt den Ausnahmezustand. Massenhafte Verhaftungen von ahnungslosen Passanten und Touristen, die so auf den wahren Geschmack der Schweizer Demokratie gekommen sind. So wurde am Nachmittag eine Straßebahn von Räumpanzern umstellt. Darin befand sich eine zwölfköpfige tschechische Touristen-Gruppe. Architektur-StudentInnen aus Prag, die zu einem Kurzbesuch nach Basel kamen. Dieser wurden ihnen jedoch zum Verhängnis bei dem sie nicht nur und die Missachtung elementarster Grundrechte durch die schweizer Ordnungskräfte kennen lernen sollten. Alle wurden aus der Straßenbahn gezerrt und brutal auf die Wache gebracht. Im Untersuchungsgefängnis Waaghof angekommen brachen die jungen Frauen in Tränen aus. So haben sie sich die Schweiz nicht vorgestellt, den das erinnerte sie vielmehr an die Bilder aus Belarus von Diktator Lukaschenka, mit denen sie die gleichgeschalteten demokratsichen Medien seit 1989 füttern. Die Tschechische Vertretung intervenierte sofort, doch die Polizei machte sich aus dem konsularischen Eklat nichts und sperrte die Studentinnen in den Knast.

Nach Aussagen von Herrn Moser vom Waaghof, sind alle polizeilichen Maßnahmen von höchster Stelle der Kantons-Regierung gedeckt. Es war Hanspeter Gass, der Leiter des Sicherheitsdepartaments, der den Ausnahmezustand eingeübt hatte. In dem Gefühl in den rechtswidrigen Maßnahmen gedeckt zu sein, liefen die Polizisten Amok und verhafteten wahllos Passanten, JournalistInnen, eine Straßentheatergruppe oder Minderjährige. Hervorgetan hat sich dabei die Sondereinheit "Basilisk", die einen Journalisten festnahm, und sich sonst damit beschäftigt mit gezogener Waffe in die Privaträume von Flüchtlingen einzubrechen und deren Mieter im Guantanamo-Stil zu erniedrigen.

Das interessante an der menschenrechtlichen Entwicklung in der Schweiz ist. Dass die Polizei dazu übergegangen ist sich selbst die Rechtfertigung für massenhafte Festnahmen fern jeglicher realen Sachverhalte zu geben. Was tun, wenn eine angeblich festgestellte Sicherheitsbedrohung, wie sie angeblich vor einer Woche in Bern wg. einer unbewilligten Demo vorlag nicht gegeben ist? Man macht dann eben das nicht exitieren zur Sicherheitsbedrohung. Am 25. Januar „informierte die Kantonspolizei Basel-Stadt die Bevölkerung, dass es im Zusammenhang mit dem WEF in Davos morgen Samstag in Basel wie in anderen Städten auch zu Aktionen und Kundgebungen kommen kann.“ Doch sie gibt selbst zu, dass gar „kein Bewilligungsgesuch für eine Kundgebung oder Demonstration eingereicht worden.“ Bereits am nächsten Tag nimmt sie gerade das Fehlen einer Demonstration zum Anlass um präventiv links aussehende Menschen, AusländerInnen oder JournalistInnen, die pauschal zu potentiellen Demonstranten kategorisiert werden als „Anti-WEF-Gegner daran gehindert, in der belebten Innenstadt eine unbewilligte Kundgebung durchzuführen“.

Es scheint als geriet die Polizei jedoch diesmal in Erklärungsnot. Denn wie soll ein massiver grundrechtswidriger Polizeieinsatz gerechtfertigt werden, wenn dieser diesmal nicht -wie sonst üblich- über den Diskurs von den „militanten gewaltbereiten Demonstranten“ mit Bildern von steinewerfenden Jugendlichen legitimiert werden kann. Die Polizei geht deshalb über von Präventivverhaftungen zu sprechen. Wenn die Außen-Politiker ihre imperiale Feldzüge für Öl als präemtive Verteidigungsmaßnahmen bezeichnen, so geben sie die Stichworte für die Entwicklung eines Gesinnungstatbestandes der politsicher und sozialer Natur ist. Eine Sicherheitsbedrohung stellt nicht derjenige dar der in strafrechtlichen Kategorien zu fassen ist, sondern in Kategorien der politischen Gesinnung, der Kleidung, des Habitus, der persönlichen Überzeugungen u.ä.

Und so werden auch im Bereich der „Inneren Sicherheit“ Menschen handlungsunabhängig nach ihrer vermeintlichen, jedenfalls jedoch von den „Ordnungskräften“ zugeschriebenen Gesinnung beurteilt. Im Polizei-Duktus heißt dies dann „Vereitelung von Straftaten“, doch diese sind noch nicht einmal geplant gewesen, und somit auch aus dem Bereich des strafrechtlichen heraus in das Gesinnungsstrafrecht verlagert. Nur so gelang es der Polizei eine nicht existente Demo als Rechtfertigung für Präventivhaft zu benutzten. Diese erinnert zwar an die Dunkelsten Kapitel des Nazi-Unrechts, wird jedoch in der Schweiz ganz offensichtlich während des WEF massiv praktiziert.

In der Presseerklärung heißt es dann „Die Polizei hat am Samstagnachmittag militante Anti-WEF-Gegner daran gehindert, in der belebten Innenstadt eine unbewilligte Kundgebung durchzuführen. Die Versuche der Aktivisten, sich zu formieren, wurden von der Polizei konsequent vereitelt.“

Und so stürmte die Polizei einen Jugendklub im Basler Schifflände und zeigte auf an Billardtischen spielende Jugendliche. So wurde ein 15 Jähriger Junge in das Untersuchungsgefängnis Basel-Stadt “Waaghof” eingeliefert zu werden.

Am Ende des Tages waren nahezu 70 Personen festgenommen worden. Eine abschließende Analyse das was sich heuet in Basel abgespielt hatte muss noch ausbleiben, denn die menschenverachtenden Aktionen der Basler Polizei dauern noch zur Stunde an. So ließ die Polizei verlautbaren, dass auf den Bahnhof SBB noch eine groß angelegte Verhaftungsaktion stattfinden wird, bei der Ankunft von Zügen aus Bern, wo eine bewilligte Demo stattfand.

Unter den Festgenommenen im Untersuchungsgefängnis Waaghof befinden sich mindestens drei Journalisten. Einer davon ist Redakteur bei der Gewerkschafts-Zeitschrift „Work“, der andere ist Redakteur der ost-deutschen Zeitschrift „Telegraph“. Weiter befindet sich auch eien Journalistin der „Basellandschaftlichen Zeitung“. Erst vor einer Woche wurde der WOZ-Reporter Dinu Gautier und seinen aus der Romandie stammende Kollege der Zeitschrift „Le Courrier“ ohne Angabe von Gründen vor den Redaktionsräumen der Wochenzeitung in Bern festgenommen.

Die beiden Journalisten der Zeitung „Work“ und „telegraph“ wurden gg. 15:00 Uhr an zwei verschiedenen Orten in der Basler Innenstadt ohne Angaben von Gründen festgenommen und bis kurz nach 20:20 Uhr dort mit ca. 60 anderen Personen, denen die Gründe für ihre Festnahme ebenfalls nicht genannt wurden festgehalten. Ein die Festnahme mit seinem Handy filmender Passant wurde ebenfalls festgenommen.

Weitere Personen (ca. 40) befinden sich in einem Käfig im Untergrundparkplatz der Basler Polizei. Den Inhaftierten Frauen, Männern und Minderjährigen wird das Recht ihre Angehörigen bzw. einen Anwalt zu kontaktieren verweigert. Ausländer dürfen das Konsulat nicht verständigen.

Michal Stachura | 26.01.08 21:46 | Permalink

Kommentare

Die Aktion mag ja wohl ziemlich unverhältnismässig gewesen sein, aber noch wesentlich unverhältnismässiger ist der Vergleich mit der Situation in Kenia!

Irgendwie scheint mir dieses Statement fast ein bisschen verachtend gegenüber den rund 1000 kenianischen Todesopfern.

Verfasst von: Ivo | 30.01.08 12:36

Nachdem bis Montag die regionale und überregionale Presse die rechtswidrigen Festnahmen vom Samstag todgeschwiegen hatte... gibt es nun immer mehr kritische Berichte zu der Fehlleistung der Basler Polizei:

1.)
Polizei-Aktion stösst auf Kritik Anti-WEF-Einsatz / Betroffene stellen die Verhältnismässigkeit der Polizei-Aktion in Frage.

In der "Basellandschaftlichen Zeitung" vom Dienstag 29. Januar, Basel-Stadt
http://www.bz-online.ch/

2.)
Basler Polizei hält Unschuldige während Stunden fest in der "Basler Zeitung" vom 29. Januar
http://www.baz.ch/news/index.cfm?ObjectID=C4AC8575-1422-0CEF-705F7F051C04228C

Basel. baz. 66 Personen nahm die Polizei am Samstag vorübergehend in Gewahrsam um eine Anti-WEF-Demo zu verhindern. Darunter hatte es auch Unschuldige: Unter anderem nahm die Polizei eine Gruppe tschechischer Architekturstudenten mit auf den Waaghof. Auch Journalisten und Jugendliche waren unter den Kontrollierten. Die Polizeileitung beurteilt den Einsatz als «verhältnismässig».

3.)
Anat (16) und Beda (16) - verhaftet, weil sie Teenager sind im "Baslerstab" vom 29. Januar http://epaper.baslerstab.ch/sixcms/detail.php?id=41626

4.)Medienschaffende stundenlang eingesperrt in Tagesanzeiger vom 29. Januar
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/836807.html

Nach Polizeiaktionen vom Samstag zur Verhinderung einer Anti-WEF-Demo in Basel reisst die Kritik wegen Übergriffen auf Unbescholtene nicht ab. Auch Journalisten wurden trotz Ausweis eingesperrt.

5.) Festnahmen «ohne jeden Anlass» Kritik an Polizeieinsatz bei Basler Anti-WEF-Demo in Schweizer Fernsehen, Tagesschau vom 29. Januar
http://tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2008/01/29/schweiz/festnahmen_ohne_jeden_anlass

Nach Polizeiaktionen vom Samstag zur Verhinderung einer Anti-WEF-Demo in Basel reisst die Kritik wegen Übergriffen auf Unbescholtene nicht ab. Auch Journalisten wurden trotz Presseausweis eingesperrt, wie die Gewerkschaft Comedia mitteilte.

6.) Skandalöse Festnahmen von Medienschaffenden in Basel

Pressemitteilung von der Gewerkschaft Comedia vom 29 Januar
http://www.comedia.ch/40.html?&tx_ttnews[tt_news]=424&tx_ttnews[backPid]=5&cHash=98c577e08f


7.) «Ein paar Unschuldige» In Basel wurden letzten Samstag 66 Personen festgenommen. Die Polizei hielt sie alle für Anti-Wef-AktivistInnen in Wochenzeitung vom 31. Januar http://www.woz.ch/

8.) Interpellation von Michael Wüthrich (Grossrat der Grünenen in Basel-Stadt) betreffend das willkürliche „in Polizeigewahrsam nehmen“ von teilweise minderjährigen Personen und Tramfahrgästen in der Basler Innenstadt am 26. Januar 2008.

Verfasst von: Journi | 30.01.08 13:22

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