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Nokia – Der Kapitalismus ist „unanständig“

Aus der Reihe
„Zusammendenken was zusammengehört“

Die deutschen Medien ziehen über die “Unanständigkeit“ des finnischen Konzerns her, weil dieser in der letzten Woche die Schließung eines Werkes und die Entlassung von über 3.300 Beschäftigten verkündet und eine Woche später den Gewinn in 2007 mit 7,2 Milliarden Euro beziffert hat. Die deutschen Politiker Beck (SPD), Struck (SPD), Seehofer (CSU), Rüttgers (CDU), Kuhn (Grüne) u.a. rufen zum Warenboykott auf, natürlich in der verschrobenen Art der Politiker:
„Wir alle können gemeinsam deutlich machen, dass wir uns nicht vorführen lassen. ... Es ist nicht meine Art, zum Warenboykott aufzurufen. Aber für mich – und vielen Deutschen geht es sicher ähnlich – hat der Name Nokia seit dieser Woche keinen guten Klang mehr. Mir persönlich kommt kein Nokia-Handy mehr ins Haus.“ (Interview in "Bild")
In dem Beck laut ausspricht, daß er etwas nicht macht, macht er gerade das. Das ist wie mit dem laut gesprochenen Satz: „Ich will nicht an Marmelade denken!“
Und er benutzt dazu die „Bild“-Zeitung, ein Blatt das gerne Stimmungen in Deutschland voran bringt.

Kuhn im Bremer «Kurier am Sonntag»: «Jeder muss überlegen, ob er Produkte solcher Firmen noch kauft.» (fmm-magazin)
Bundesagrarminister Horst Seehofer soll sogar prüfen lassen, ob ein Boykott für sein gesamtes Ministerium möglich ist.
Auch Westerwelle (FDP) appellierte an den deutschen Patriotismus und bedauerte gestern bei „Maybrit Illner ZDF“, daß die Beschäftigten von der Werkschließung erst aus der Zeitung erfahren haben.
Die Betriebsratschefin Gisela Achenbach in der Sendung: "Das ist kein Bochumer Kampf, das ist ein deutscher Kampf!"

Die Politiker geben sich empört, eingeschnappt und bockig, am liebsten würden sie ihre Nokia-Handys öffentlichkeitswirksam gegen die Wand schmeißen, als hätten sie als Politiker nur die kindlichen Reaktionsmöglichkeiten einer Aggressionsabfuhr zur Verfügung. Motto, gerichtet an die in die doppelte Freiheit Entlassenen: „Wir sind so hilflos wie ihr.“

Lustig ist auch der Satz: „Wer da die Lohnhöhe als entscheidenden Grund für eine Standortverlagerung nennt ... verschweigt, dass es ihm nur um höhere Rendite geht.“ ("Bild")
Herr Beck, worum geht es sonst im Kapitalismus, wenn nicht um Rendite? Das jedenfalls ist selbst für einfachste Menschen schon lange kein Geheimnis mehr, muß deshalb also nicht verschwiegen noch extra betont werden.

Wie war das doch gleich mit dem deutschen Staatskonzern "Deutsche Bahn AG" in der letzten Woche?
Nach der „Einigung“ mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) verkündete der vergnatzte Bahnchef Mehdorn, daß der Tarifkompromiß Belastungen in Milliardenhöhe bedeute und deshalb wären Personalabbau und Preiserhöhung der Bahntickets unerläßlich. Dann sagte er noch: „Im Ergebnis werden wir alle Möglichkeiten zur Rationalisierung einschließlich der Verlagerung in Billiglohngebiete nutzen müssen“ ("FAZ")

Das war letzte Woche und die Politiker von Schwarz über Grün bis Rot taten auch entrüstet, einige forderten einen Tag ein bißchen seinen Rücktritt. Dabei macht Mehdorn natürlich nur das, was von ihm verlangt wird, schließlich wurde er als Vorstandschef des Staatsunternehmens von SPD/Grüne eingesetzt und sein Vertrag erst Mitte 2007 von SPD/CDU verlängert, offensichtlich ist man mit seiner Unternehmenspolitik sehr zufrieden.

Diese Woche meldeten die Medien, daß die Deutsche Bahn AG die private britische Eisenbahn-Gesellschaft Laing Rail aufgekauft hat, die kostete 170 Millionen Euro.
Ja, so geht das, wenn die Kasse für Lohnerhöhungen angeblich leer ist.
Mit dem durch Personalabbau, geringe Löhne, regelmäßige Preiserhöhungen und Schließung „unrentabler“ Strecken erwirtschafteten Geld hatte die Deutsche Bahn, natürlich auch wieder mit leerer Kasse, im letzten Sommer für 460 Millionen Euro die britische Güterbahn EWS vollständig aufgekauft.
Für deutsche Firmen und Konzerne ist das ja ganz normales Tagesgeschäft, wie für Konzerne anderer Länder auch.
Mit der Deutschen Bahn ist hier nur ein Staatsunternehmen auf deutschem Expansionskurs.
Das da auch kein Geld für den „Zug der Erinnerung“ vorhanden ist, ist nur konsequent. Der „Zug der Erinnerung“ ist eine mobile Ausstellung, die die Deportation tausender jüdischer Kinder in die Vernichtungslager der Nazis mit Hilfe der Deutschen Reichsbahn thematisiert.
Im Gegenteil, die Deutsche Bahn AG verlangt von den Organisatoren der Zugausstellung Trassengebühren und Standgelder, nachdem die Versuche der Bahn, die Ausstellung zu verhindern, scheiterten.

david | 25.01.08 14:35 | Permalink

Kommentare

Schönen guten Tag,
so leid es mir für die Mitarbeiter tut, denn was die Chefetage des finnischen Konzerns abgeliefert hat ist wirklich sch***e, nur warum sollte ich dann auf ein super Handy wie das N95 verzichten !?!
Spätestens in einem Jahr hat man es wieder vergessen genuaso wie es damals bei dem Opel-Werk war !!

Verfasst von: Uwe | 26.02.08 08:56

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