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Offenes Bekennerschreiben: Sind wir nicht alle n’bisschen §129a?


An Aktualität kaum zu übertreffen...

Eine weitere Solidaritätsbekundung von JournalistInnen und WissenschaftlerInnen im Zusammenhang mit den jüngsten 129a StGB Verfahren:

"Vorsicht: Das Bundeskriminalamt warnt: Das lesen von Beiträgen des JournalistInnen-Kollektiv „Krise und Kritik“ könnte Strafverfolgungsmaßnahmen nach sich ziehen.

Als aufrichtig aufgeschlossene Menschen denen die Achtung von Bürger- und Menschenrechten am Herzen liegt; getragen von dem Bewusstsein, dass Demokratie mit Kapitalismus nicht zu machen und deshalb eine Globalisierungskritik unumgänglich ist, wollen wir unser Gefahrenpotential für die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung offen legen. Wir sind auch ein bisschen §129a.

Da sind wir „zum einen intellektuell in der Lage“* zahlreiche „anspruchsvolle Texte“ zu verfassen. Noch schwerer wiegt aber bei uns, dass „zur Erstellung erforderlicher Recherchen“ wir nicht einmal davor zurück schrecken Bibliotheken aufzusuchen.

Damit verfügen wir „über die intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen der vergleichsweise anspruchsvollen Texte“ erforderlich sind um sie bei „Krise und Kritik“ zu veröffentlichen. Dies allein wäre ausreichend um genügend Verdachtsmomente für eine terroristische Veranlagung zu begründen.

Darüber hinaus haben wir uns an ein, in diesen Tagen sehr heikles Thema herangewagt, und berichteten kürzlich über die Stadtentwicklung und die Zerstörung sozialen Wohnraums. Aus soziologischer Perspektive wohlgemerkt. Damit haben wir alle Voraussetzungen erfüllt um in Deutschland als Mitglied einer terroristischen Vereinigung endlich als das behandelt zu werden, was anscheinend alle Demokraten heute sind: Terroristen.

Wir bedauern sehr im Gegensatz zu unseren journalistischen und wissenschaftlichen KollegInnen, dass wir -obwohl bereits über 30- immer noch kein § 129a Verfahren am Halse hatten. Dabei haben alle interessanten Leute, Globalisierungskritiker, und überhaupt alle die irgendetwas zu sagen haben bereits eines gehabt. Die meisten wurden zwar eingestellt ohne, dass es zu einer Anklage gekommen wäre bzw. endeten mit Freispruch. Doch in unseren dunklen Zeiten, in einer Gesellschaft wo das Ducken, Arschkriechen und Renegattentum zum Alltag gehören, zählt allein schon das Prestige ein solches Verfahren gehabt zu haben.

Um die Arbeit der Ermittlungsbehörden zu erleichtern muss uns diesmal nicht die Akkreditierung wahlweise erteilt, entzogen und wieder erteilt werden. Diesmal wollen wir nicht einfach nur Opfer der Aushöhlung der Pressefreiheit aus Art. 5 GG sein, sondern aufs Ganze gehen. Deshalb benutzten wir jetzt das verbotene blasphemische Wort, dass einem Journalisten-Kollegen zum Verhängnis wurde „Gentrification“: Gentrification!, Gentrification!, Gentrification!, Gentrification!, Gentrification! Und wenn das nicht ausreicht auch noch was super Schlimmes: „Emanzipation!“, Emanzipation!, Emanzipation!, Emanzipation!. Wir behalten uns dabei vor noch krassere Wörter, wie z.B: „Rechtstaatlichkeit“ oder gar „Jehova“ in den Mund zu nehmen.

Bei Interesse an eventuellen Hausdurchsuchungen bitten wir nicht in den frühen Morgenstunden zu erscheinen. Wir arbeiten oft die Nacht durch und schlafen dann morgens aus. Bei Festnahmen bitten wir höflich um die Unterbringung in Zellen vorzugsweise im Raum Berlin-Brandenburg mit anderen kritischen JournalistInnen und Wissenschaftlern."

Freiheit für Andrej und alle anderen politischen Gefangenen! - Sofortige Einstellung der Verfahren gegen alle weiteren Beschuldigten

Mit solidarischen Grüßen an alle Knäste
JournalistInnen-Kollektiv „Krise und Kritik“

*Alle Zitate aus den jüngsten Haftanträgen des BKA im Verfahren gegen angebliche Mitglieder der mg

Michal Stachura | 10.08.07 12:12 | Permalink