« Stiftungen, Einflussphären oder Linke in Polen | Hauptseite | »Es gibt keine terroristische Organisation« »

Offener Brief an die Generalbundesanwaltschaft

Internationaler Wissenschaftler-Kreis sieht in Deutschland die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr und fordert die "sofortige Einstellung des 129a-Verfahrens", und die "umgehende Freilassung der Inhaftierten".

Deutschland in der Kritik

Nach zahlreichen Protesten in Deutschland fordern jetzt namhafte Wissenschaftler aus dem Ausland die sofortige Einstellung des 129a-Verfahrens, das derzeit die Bundesanwaltschaft (BAW) führt. Unter Anführung der intellektuellen Fähigkeiten und des Zugangs zu wissenschaftlichen Bibliotheken werden in diesem Verfahren mehrere deutsche Wissenschaftler verdächtigt, einer "terroristischen Vereinigung" anzugehören, der "militanten gruppe". Insgesamt sind sieben Personen betroffen, von denen sich vier in Haft befinden, darunter auch der Soziologe Dr. Andrej Holm.

Internationale Empörung

Das Vorgehen der BAW hat mittlerweile zu einer Welle der Entrüstung geführt. Auf der Jahrestagung der American Sociology Association (Vereinigung der US-amerikanischen Soziologen, vgl. http://www.asanet.org/), wo seit Samstag rund 4.000 Sozialwissenschaftler in New York tagen, wird der Fall in mehreren Veranstaltungen diskutiert, kursieren Petitionen, insbesondere Stadtsoziologen zeigen sich sehr besorgt über die deutsche Entwicklung.
In einer an die Bundesanwaltschaft gerichteten Resolution heißt es unter
anderem:

»We demand that the Federal Prosecutor (Bundesanwaltschaft)
immediately suspend the § 129a-proceedings against all parties
concerned and release Andrej Holm and the other imprisoned from jail
at once. We strongly reject the outrageous accusation that the
academic research activities and the political engagement of Andrej
Holm are to be viewed as complicity in an alleged “terrorist
association”. No arrest warrant can be deduced from the academic
research and political work of Andrej Holm. The Federal Prosecutor,
through applying Article § 129a, is threatening the freedom of
research and teaching as well as social- political engagement.«

In deutscher Übersetzung:

»Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, umgehend das §
129a-Verfahren gegen alle Beteiligten einzustellen und Andrej Holm
sowie die anderen Inhaftierten sofort aus der Haft zu entlassen. Wir
verwahren uns aufs Schärfste gegen den unerhörten Vorwurf, die
wissenschaftliche Tätigkeit und das politische Engagement von Andrej
Holm sei als intellektuelle Mittäterschaft in einer angeblichen
"terroristischen Vereinigung" zu bewerten. Aus der
wissenschaftlichen und politischen Arbeit von Andrej Holm lässt sich
kein Haftbefehl herleiten – vielmehr wird hier von der
Bundesanwaltschaft mit dem § 129a die Freiheit von Forschung und
Lehre ebenso bedroht wie gesellschaftspolitisches Engagement.«

Zu den Begründungen, die für die Konstruktion der Bundesanwaltschaft (BAW) herangezogen werden, gehört die, dass sich unter den sieben drei Sozialwissenschaftler befänden, die intellektuell in der Lage seien, "die anspruchsvollen Texte der 'militanten gruppe' zu verfassen." Dem promovierten Politologen Dr. Matthias B. stünden "als Mitarbeiter eines Forschungsinstituts Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der Texte der 'militanten gruppe' erforderlichen Recherchen durchzuführen". Dem mit drei anderen Gefangenen inhaftierten Soziologen Dr. Andrej Holm wird vorgeworfen, er sei "in dem von der linksextremistischen Szene inszenierten Widerstand gegen den Weltwirtschaftsgipfel 2007 in Heiligendamm aktiv" gewesen und habe sich mit einem der Inhaftierten "konspirativ" getroffen. Einer der Beschuldigten gilt der BAW deshalb als "Terrorist", weil bei ihm eine Adressenliste gefunden wurde, auf der unter anderem der Name von Dr. Andrej Holm auftaucht.

Sie finden im Anhang die Erklärung (in deutscher und englischer Sprache), die von namhaften Sozialwissenschaftlern an die Generalbundesanwaltschaft als offener Brief versandt wurde.

Zu den Erstunterzeichnern gehören:

Prof. Dr. Manuel Aalbers (Universiteit van Amsterdam), Prof. Dr. Elmar Altvater (Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Rowland Atkinson (University of Tasmania, Australien), Prof. Dr. Lawrence D. Berg (Canada Research Chair in Human Rights, Diversity & Identity, University of British Columbia), Prof. Dr. Neil Brenner (New York University, Sociology), Prof. Dr. Craig Calhoun (President, Social Science Research Council, and University Professor, Sociology, NYU), Prof. Dr. Mike Davis (Prof. of Urban History, Irvine/USA), Prof. Dr. Michael Dear (Professor of Geography at the University of Southern California/Los Angeles), Prof. Dr. Frank Deppe (Universität Bremen), Prof. Dr. Michael Edwards (The Bartlett Centre for Architecture and Planning, UCL, London), Prof. Dr. Geoff Ely (University of Michigan, Karl Pohrt Distinguished University Professor), Prof. Dr. John Friedmann (University of California, Los Angeles), Prof. Dr. Herbert Gans (Columbia University, New York), Prof. Dr. Alan Harding (University of Salford, UK), Prof. Dr. Michael Harloe (University of Salford, Vice-President), Prof. Dr. David Harvey (Distinguished Professor of Anthropology, Graduate Center of the City University of New York, New York), Prof. Dr. Joachim Hirsch (Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/M.), Prof. Dr. Andreas Huyssen (Villard Professor of German and Comparative Literature at Columbia University), Prof. Dr. Martin Jay (Sidney Hellman Ehrman Professor of History, University of California Berkeley), Prof. Dr. Bob Jessop (Lancaster Universtiy), Prof. Dr. Roger Keil (York University, Toronto, Canada), Prof. Dr. Rianne Mahon (Carleton University, Ottawa, Canada), Prof. Dr. Peter Marcuse (Columbia University, New York), Prof. Dr. Margit Mayer (Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Philipp Oswalt (Universität Kassel), Prof. Dr. Frances Fox Piven (President of the American Sociological Association, Distinguished Professor of Political Science and Sociology, City University New York), Prof. Dr. Andrew Ross (New York University, New York), Prof. Dr. Roland Roth (Hochschule Magdeburg/Stendal), Prof. Dr. Dieter Rucht (Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin) Prof. Dr. Saskia Sassen (Columbia University, New York, and London School of Economics) Prof. Dr. Andrew Sayer (Lancaster University, Sociology), Prof. Dr. Richard Sennett (Professor of Sociology at the London School of Economics, Bemis Professor of Social Sciences at MIT, Professor of the Humanities at New York University), Prof. Dr. William Sewell (The Frank P. Hixon Distinguished Service Professor of Political Science and History Emeritus, University of Chicago), Prof. Dr. Neil Smith (Distinguished Professor of Anthropology and Geography, Director of the Center for Place Culture and Politics, Graduate Center of the City University of New York), Prof. Dr. Michael Storper (Centennial Professor of Economic Geography, London School of Economics, and Professor of Economic Sociology, Science Po, Paris), Prof. Dr. Erik Swyngedouw (University of Manchester, UK), , Prof. Dr. Peter J. Taylor (Loughborough University, UK), Prof. Dr. John Urry (Lancaster University, Sociology), Prof. Dr. Jennifer Wolch (Professor of Geography at the University of Southern California/Los Angeles).

A.S.H. | 15.08.07 14:05 | Permalink

Kommentare

Da sieht man doch einmal mehr, wie weit es schon gekommen ist in diesem Staat. Wir leben in einer Sicherheits-Diktatur, tuen aber so als, ob alles in Ordnung wäre, weil wir Angsta haben durch Sozialkritik als Terrorist dazustehen. Da waren selbst die Debatten in den 70er Jahren mit Mitterand spannender geführt, wenn man sich das mal auf Youtube anschaut...

Verfasst von: Angst | 15.08.07 14:39

Kommentar schreiben

-->

(Wenn Du auf dieser Site noch nie kommentiert hast, wird Dein Kommentar eventuell erst zeitverzögert freigeschaltet werden. Danke für Deine Geduld.)



Please enter the security code you see here