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»Es gibt keine terroristische Organisation«

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"Never stop writing!" - Rostock während des G8-Gipfels, Foto: BON PIED BON OEIL


Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in der sogenannten »Militanten Gruppe«. Verteidigung fordert sofortige Entlassung der Verdächtigen. Ein Gespräch mit Wolfgang Kaleck

Wolfgang Kaleck ist Anwalt und Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen und Anwältevereins (RAV). Er vertritt einen der Angeklagten im aktuellen 129a-Verfahren wegen Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe«

Seit zwei Wochen sitzen Flo­rian L., Axel H., Oliver R. und Andrej H. in Berlin Moabit in Untersuchungshaft. Drei von ihnen waren nach Polizeiangaben beim Versuch festgenommen worden, Bundeswehr-Fahrzeuge auf einem MAN-Firmengelände in Brandenburg an der Havel anzuzünden. In Berlin wurde anschließend der an der Humboldt-Universität lehrende Soziologe Andrej H. verhaftet. Den vier Männern wird vorgeworfen, Mitglieder der sogenannten Militanten Gruppe zu sein. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand?

Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfes nach Paragraph 129a Strafgesetzbuch dauern alleine aufgrund ihres immensen Umfanges ihre Zeit. Wegen der Inhaftierungen von vier Beschuldigten gilt allerdings das sogenannte Beschleunigungsgebot. Es sollte in diesem Fall also alles schneller gehen als üblich. Andernfalls riskieren die Strafverfolger, daß ein Gericht die Beschuldigten freiläßt, weil sich die Ermittlungen unangemessen verzögern. Wir hoffen natürlich, daß alle vier Beschuldigten bald entlassen werden und dann in aller Ruhe das Ende der Ermittlungen, eine mögliche Anklageerhebung und eine mögliche Hauptverhandlung abwarten und sich darauf vorbereiten können.

Ist es in 129a-Ermittlungen üblich, daß publizierte Texte der Beschuldigten, so geschehen im Fall Andrej H., für eine Haftbegründung ausreichen? Zeitschriften sind doch frei erhältlich, und veröffentlichte Texte oder Auszüge können von jedermann für eigene Statements herangezogen werden.

Einer der Hauptkritikpunkte linker und liberaler JuristInnen am Paragraphen 129a StGB war immer, daß der Organisationszusammenhang nicht entlang objektiver Kategorien, sondern mittels subjektiver Kriterien hergestellt wird. Also nicht so sehr die Tat und der daraus gegen einen Beschuldigten zu erhebende Vorwurf zählt, sondern der Täter und seine Gesinnung. Also wurden immer auch öffentliche und nichtöffentliche Meinungsäußerungen der Beschuldigten herangezogen, um einen Verdacht oder gar eine Verurteilung zu begründen. Dies war Grundlage vieler Verfahren gegen Unterstützer der RAF in den 80er Jahren und auch der Radikal-Verfahren.

Warum wird die Untersuchungshaft in Moabit gegen Andrej H. weiter aufrechterhalten?

Aus den von der Verteidigung bereits hart kritisierten Gründen des Haftbefehls: dringender Tatverdacht sowie Fluchtgefahr. Seine Verteidigerin hat sofort nach Erlaß des Haftbefehls Haftprüfung und Akteneinsicht beantragt. Am 24.8. wird ein mündlicher Haftprüfungstermin beim Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof stattfinden. Wir hoffen, daß dann die rechtlich unhaltbare Untersuchungshaft gegen Andrej H. beendet wird.

Was kann die Verteidigung tun, um eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen?

Die Verteidiger werden die Akten durcharbeiten und sich dann zunächst mit der Haftfrage beschäftigen. Denn die Inhaftierung ist in allen vier Fällen zu kritisieren. Danach wird man in aller Ruhe die Vorwürfe untersuchen und entsprechende Anträge stellen, wobei vor allem der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu entkräften sein wird. Es gibt keine Organisation und erst recht keine terroristische. Aber das wird seine Zeit dauern.


Das Gespräch führte Dirk Teschner

Gleichzeitig erschienen in der Jungen Welt vom 15.08.2007

Michal Stachura | 15.08.07 17:22 | Permalink