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Genfood vertraulich, nicht geheim: Eine Reportage die nicht gesendet werden darf

- von Emmanuelle Piriot aus Paris -

Die Kritik an Gentech-Food bekommt im Schatten der Präsidentschaftswahlen in Frankreich eine neue Antriebskraft. Dies hängt nicht zuletzt mit einer verbotenen Reportage deir Canal+ nicht senden darf.

Am 22. April dieses Jahres finden in Frankreich Präsidentschaftswahlen statt. José Bové, politischer Aktivist und für viele Linke in Frankreich Symbol des Widerstandes gegen die Gentechnologie hatte bereits Anfang Februar seine Kandidatur bekannt gegeben. Das war keine leichte Entscheidung, verkündete Bové, habe er doch versichert er wollte alle Linksradikalen gemeinsam vertreten und sie nicht gegeneinander ausspielen. Als sich jedoch die Kommunisten (PCF) und die Trotzkisten (LCR) entschlossen haben eigene Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, und nicht mehr an einer Einheitskandidatur der gesamten antikapitalistischen Linken festzuhalten, zog er seine Kandidatur zurück.

Mehr als 35000 Unterschriften wurden daraufhin in der Bevölkerung für Bovés Kandidatur gesammelt. Bové erhielt hierfür auch die Unterstützung mehrerer lokaler antiliberaler, linker Kollektive. Deshalb kehrte er auf die politische Bühne zurück. In seinem Wahlprogramm verlangt José Bové ein Moratorium auf alle Gentech-Plantagen.

Genau eine Woche nach der Entscheidung über seine Rückkehr hat der „Cours de cassation“, ein französisches Berufungsgericht, gegen ihn wegen des Zerstörens von Genmais-Plantagen eine viermonatige Freiheitsstrafe bestätigt. Ob er diese Strafe noch vor oder erst nach dem Wahlkampf absitzen muss, hängt nun von der Entscheidung des Justizministers ab.

José Bové meinte dazu, er werde keinen Antrag auf Haftverschonung stellen: „Ich werde meine Verantwortung bis zu Ende übernehmen. Die Regierung soll auch ihre übernehmen (…) ich werde vielleicht der erste politische Gefangenen-Kandidat bei der Präsidentschaftswahl sein“.

„2004 hat die zuständige Ministeriums-Kanzlei einen Text an alle französischen Staatsanwälte (Procureurs généraux) verschickt, worin sie ein strenges Strafmass für die Zerstörer von GMO (Genetisch-Manipulierten-Organismen) fordert“, berichtet Bové’s Anwalt. „Heute kehrt diese Akte noch einmal an den Staatsanwalt zurück, der in der Hierarchie dem Justizminister unterstellt ist“.


GranatenMais.jpg

Es mag ein Zufall sein, aber seit einer Woche kursiert durch französische E-Mail-Boxen eine Mail. Sie enthält einem Link zu einer Reportage über GMO:

« Ci-dessous, le lien vers un reportage de 23 minutes, produit par Canal+, que la chaîne ne diffuse pas. Il porte sur des études montrant la toxicité des OGM. Ce reportage a été censuré, suite aux pressions de Monsanto et du gouvernement français. Il circule sur le internet.

Une précision à l'attention de ceux qui le connaissent : Gilles-Eric Séralini, professeur en biologie moléculaire, l'un des spécialistes français incontestés des OGM, apporte sa contribution à ce reportage, qui, pour le coup, mérite son nom d'enquête journalistique. http://video.google.fr/videoplay?docid=-8996055986353195886 »

Diese sehr gute journalistische Rechreche verweist auf die Gesundheits-Gefahren im Zusammenhang mit genmanipulierten Anbaufeldern. Der Bericht kritisiert die fehlende Transparenz bei der Betreibung und Entwicklung solcher Felder. Die Dokumentation wurde von Canal+ bereits im Jahr 2005 produziert. Doch sie wurde nie ausgestrahlt. Jetzt ist sie im Internet abrufbar und kann vielleicht zu einer Aufklärung über die bestehenden Gefahren beitragen.

Worüber handelt diese Reportage?

Zwei Jahre lang forschte in Italien ein unabhängiges Forschungsteam über die Veränderungen bei Ratten die mit GMO-Nahrung versorgt wurden. Manuela Malatesta, Leiterin des Projektes bleibt in der Reportage sehr sachlich: „durch die Ernährung funktionieren die Leber und die Bauchspeicheldrüse anders als sonst. Ihre Zellen produzieren weniger Verdauungsenzyme.“

Als die ersten Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt wurden, durfte das Labor nicht weiter zu diesem Thema forschen. Die italienische Regierung wollte dafür nicht mehr die Kosten übernehmen. „Es hieß, es gäbe keine Beweise, dass GMO-Soja oder –Mais die Gesundheit gefährden würden.“ erklärt Malatesta.

Um in Frankreich eine Verkaufsgenehmigung für Erzeugnisse aus Genplantagen zu bekommen, müssen die Firmen darlegen, dass der Anbau die Gesundheit nicht gefährdet. Dafür müssen sie überzeugende Studienergebnisse über eventuelle Veränderungen bei Tieren präsentieren. „Ein Agrarindustrieller wählt die GMO-Sorten anhand verschiedener Kriterien: das Wachstum, die Produktion und die Toxizität. Wir werden ein giftiges GMO-Produkt in Frankreich nie sehen“, versichert Marc Fellous, Präsident einer speziellen Expertenkommission. Diese Kommission hat die Aufgabe eine Gefahrenabwägung solcher Produkte durchzuführen. Dies geschieht aber nur auf Grundlage von Studien die der betreffende Konzern selbst zur Verfügung stellt. Eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Überprüfung findet nicht statt.

Landwirtschaftsministerium spielt mit

Im Jahr 2005 wollte die Firma Monsanto eine neue GMO-Mais-Sorte in Frankreich einführen. Die rechte Ex-Umweltministerin Corinne Lepage, die derzeit eine unabhängige Expertengruppe leitet, forderte die dazu gehörigen Studien an. Sie bekam zunächst eine nicht einschlägige Studie geliefert. Als sie die richtige Studie noch einmal anforderte, wurde ihr geantwortet, dass diese Studie unter wirtschaftlicher Vertraulichkeit steht. „Aus administrativen und juristischen Gründen dürfen wir diese Studie nicht verbreiten, antwortete ein Beamter des Landwirtschaftsministeriums. Monsanto fordert für diese Vertraulichkeit“.

„Um die Agrarindustrie zu schützen will die Regierung, dass die industrielle Vertraulichkeit stärker als die Bürgerrechte bewertet wird“, meint die Ex-Umweltministerin. „Die Regierung will keine wissenschaftliche Debatte um zu erfahren, ob GMO gefährlich für die Gesundheit ist“.

In Deutschland hatte die Umweltorganisation Greenpeace ähnliche Erfahrung gemacht und bekam ebenfalls eine Absage. Ein Gericht entschied aber, dass diese Vertraulichkeit nicht aufrechtzuerhalten ist. So kam die Studie an die Öffentlichkeit. Aus der Studie ergibt sich, dass Ratten, welche mit GMO-Mais versorgt wurden, viel häufiger infolge Nieren-, Leber sowie Blutveränderung leiden als Tiere die nicht mit genveränderter Nahrung versorgt werden. Für Monsanto waren die Ergebnisse zu den Veränderungen nichts besonderes, da sie bei älteren Ratten auch vorkommen würden.

„Monsanto’s eigene Tests wurden nur oberflächlich durchgeführt, und waren nicht dazu geeignet, das Vorkommen von Krankheiten zu untersuchen“, meint der Biologe Gilles-Eric Seralin. Er gilt als ernster Experte und arbeitet auch für die Expertenkommission des Landwirtschaftsministeriums. In der Reportage erzählt er weiter, wie Monsanto die Ergebnisse verfälscht hat. Die Gruppe der Ratten, die nicht mit GMO ernährt wurden, waren sechs Mal größer als die, denen GMO-Nahrung zugeführt wurde. Es gab also eine sechs Mal größere Wahrscheinlichkeit, dass die „normalen“ Ratten unter einer Krankheit leiden.

Im Jahr 2005 wollten die europäischen Umweltminister über eine Marktzulassung zum Verkauf des von Monsanto produzierten Mais entscheiden. Mit einer Mehrheit der Stimmen wurde der Antrag jedoch abgelehnt. Da die europäische Regelung bei Zulassungen eine absolute Mehrheit verlangt, wurde das Genehmigungsverfahren an die europäische Kommission weiter geleitet. Diese hat zugesagt.

Schließlich interviewen die Journalisten den Experten Landswirtschaftsministeriums noch einmal. „Die Ratten wurden nur 90 Tage mit dem GMO-Mais ernährt. Ich kann nicht ausschließen, dass nach 10 oder 20 Jahren Gesundheitsprobleme entstehen“, antwortete Marc Fellous.

Am interessantesten erscheint die Schlussszene der Dokumentation. Die beiden Autoren der Reportage zeigen ein Regierungsschreiben in dem die Ausstrahlung der Reportage verboten wird. Der Mut der Regierung sich für die Gentech-Industrie einzusetzen war nicht besonders groß, auf dem Papier fehlt die Unterschrift der zuständigen Beamten.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des JournalistInnen-Kollektivs "Krise und Kritik".

Info:
http://video.google.fr/videoplay?docid=-8996055986353195886

Michal Stachura | 13.02.07 11:43 | Permalink