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Brasilianische Bischofskonferenz verurteilt Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in Amazonien

--von Klaus Hart, Sao Paulo--
Die brasilianische Bischofskonferenz(CNBB) hat der Regierung von Staatschef Luis Inacio Lula da Silva vorgeworfen, gegen Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in Amazonien nicht konsequent vorzugehen. Bei der Vorstellung der diesjährigen Brüderlichkeitskampagne, die Amazonien gewidmet ist, sagte der deutschstämmige CNBB-Generalsekretär Odilo Scherer auf der Insel Combu nahe der nordbrasilianischen Großstadt Belèm, die Regierung sei in dieser riesigen und bedeutenden Region entweder gar nicht präsent oder agiere nahezu wirkungslos. Von Idealismus und christlichen Werten erfüllte Menschen, darunter zahlreiche Katholiken würden dort wegen ihres Kampfes für eine solidarische, brüderliche Gesellschaft verfolgt und ermordet.

Scherer erinnerte unter anderem an die nordamerikanische Urwaldmissionarin Dorothy Stang, die vor rund zwei Jahren im Auftrage von Großgrundbesitzern und Holzunternehmern erschossen worden war, sowie an die zahlreichen getöteten Gewerkschafts-und Menschenrechtsaktivisten. Der aus Österreich stammende Amazonas-Bischof Erwin Kräutler überlebte bereits Anschläge und steht derzeit wegen einer Serie von Mordrohungen unter ständigem Polizeischutz.
Laut dem CNBB-Generalsekretär werden die Menschenrechte der angestammten Bewohner Amazoniens, darunter der Indianer, durch eine Minderheit verletzt, die lediglich auf brutale Ausbeutung und rasche persönliche Bereicherung aus sei. "Egoismus und Geldgier zerstören und morden, Brüderlichkeit fördert die gerechte Verteilung und umweltverträgliches Handeln." Die CNBB-Kampagne richte sich daher auch gegen Sklavenarbeit, rücksichtslose Großgrundbesitzer sowie große Holz-und Bergbauunternehmen, die sich teilweise sogar mittels Steuererleichterungen und billigen Staatskrediten in Amazonien installiert hätten. So wirkten sich auch der forcierte Sojaanbau und die Rinderzucht, nur zu oft für den Export in die Industrieländer, sehr zerstörerisch aus. "Die globalisierte Wirtschaft mit ihren Interessen, ihrem Profithunger geht über Amazonien und seine Bevölkerung wie eine Dampfwalze unerbittlich hinweg, respektiert Leben, Kultur und Rechte dieser Menschen nicht."
Bischof Scherer erinnerte daran, daß auf das rund 4,9 Millionen Quadratkilometer große Amazonasgebiet immerhin 34 Prozent der Wälder sowie etwa dreißig Prozent aller Tier-und Pflanzenarten des Erdballs entfallen. Von den Indios lebten 208000 in den Wäldern und 61000 in den Städten Amazoniens. Die Brüderlichkeitskampagne wolle die negativen Folgen der jetzigen wirtschaftlichen und soziokulturellen Strukturen anprangern und gleichzeitig gesellschaftliche Alternativen aufzeigen. Zu deren Grundbausteinen gehörten die christliche Solidarität und menschliche Werte, das bewußte Handeln zum Schutz der Natur.
Die Bischofskonferenz hatte wohl in weiser Absicht Brasiliens Umweltministerin Marina Silva, die zur großen, auf spektakuläre Wunderheilungen und Exorzismus spezialisierten Sekte "Assemblea de Deus"(Gottesversammlung) gehört, zum Kampagnestart geladen. Marina Silva sagte dort, die Regierung habe in Amazonien beim Kampf gegen illegale Praktiken bereits bedeutende Fortschritte erreicht. Gegen die Vernichtung der Urwälder, räumte sie ein, werde indessen noch nicht genügend getan. Die Ministerin stellte klar, daß sie die Vorwürfe der katholischen Kirche weder als Kritik an der Regierung noch an ihrer eigenen Amtsführung betrachtet.
Brasilianische Umweltorganisationen betonen, daß in den ersten vier Jahren der letzten Oktober wiedergewählten Lula-Regierung selbst gemäß offiziellen Daten rund 84000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt worden seien. Marina Silva habe der Legalisierung des zuvor verbotenen Gen-Soja-Anbaus zugestimmt und sehe zahlreichen Umweltverbrechen tatenlos zu. Der Ministerin wird auch vorgeworfen, ein als umweltschädlich bewertetes Regierungsprojekt zur teilweisen Umleitung des großen Nordost-Stromes "Rio Sao Francisco" nicht zu stoppen. Der Diözesanbischof Luiz Flavio Cappio hatte vor zwei Jahren durch einen Hungerstreik , der international große Beachtung fand, einen Aufschub des Projektes erreicht.
Kürzlich kündigte Staatschef Lula indessen einen baldigen Baubeginn an. Bischof Cappio überreichte deshalb am Donnerstag im Präsidentenpalast von Brasilia einen Protestbrief. Ein weiterer Hungerstreik, so Cappio, sei nicht mehr nötig, da die Öffentlichkeit in Brasilien und im Ausland bereits genügend aufmerksam geworden sei. Jetzt wolle er die Sozialbewegungen Brasiliens mobilisieren, um das Projekt doch noch zu verhindern.

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Klaus | 23.02.07 12:35 | Permalink