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Behinderter Junge in Rio zu Tode geschleift

Brasilianische Öffentlichkeit reflektiert über Normalität sadistischer Verbrechen
Bestsellerautor Paulo Coelho: Wir sind alle schuldig
--von Klaus Hart, Sao Paulo--
Rund eine Woche vor dem weltberühmten Karneval hat die barbarische Tat mehrerer Slum-Banditen Rios in dem Tropenland eine sehr emotionale Diskussion über zur Alltagsnormalität zählende sadistische Verbrechen ausgelöst.
Die Banditen hatten gemäß den Polizei-und Medienberichten in der Zuckerhutstadt zwecks Autoraub den Wagen einer Frau gestoppt, die mit ihrer 13-jährigen Tochter und dem behinderten sechsjährigen Sohn unterwegs war. Die Insassen wurden zum Aussteigen gezwungen, wobei es nicht gelang, den Sitzgurt des auf der Hinterbank befindlichen Jungen zu lösen. Die Banditen fuhren mit dem Wagen los, obwohl der Junge noch außerhalb der hinteren Wagentür im Gurt festhing. Er wurde auf rund zehn Kilometern durch vier Stadtviertel Rios mitgeschleift, was eine enorme Blutspur hinterließ. Die Banditen wollten durch verschiedene Manöver, wie Zickzackkurs und nahes Vorbeifahren an Verkehrshindernissen, sich des Körpers entledigen, was indessen mißlang. Zahlreiche Passanten, andere Verkehrsteilnehmer versuchten, die Banditen im Interesse des Lebens des Jungen zum Anhalten zu bewegen, wurden indessen mit der Waffe bedroht. Einem Zeugen wurde gesagt, bei dem Mitgeschleiften handele es sich um eine Judas-Puppe. Die Gangster stoppten den Wagen schließlich an ihrem Slum, gingen kurz zum Umziehen nach Hause, amüsierten sich dann auf einem Straßenfest. Von dem behinderten Jungen waren nur noch zerfetzte Reste übrig.

Aufgrund von telefonischen Anzeigen konnte Rios Polizei mehrere Täter rasch fassen, die die Tat den Berichten zufolge sofort gestanden haben. Wie in Brasilien üblich, wurden zwei im Fernsehen interviewt - ein 18-jähriger Bandit beschrieb dabei die Tat und sagte, man habe den Jungen nicht gesehen. Der Bandit war, wie es hieß, als Minderjähriger bereits wegen Raubmordes vor Gericht. Ein 16-jähriger Mittäter dürfte gemäß brasilianischen Gesetzen höchstens drei Jahre in Gewahrsam bleiben.
An der Beerdigung des Jungen beteiligten sich sogar Rios Sicherheitschef sowie der Chef der Militärpolizei. In Rio de Janeiro weinten spontan viele Menschen auf den Straßen, darunter auch Polizeibeamte. Die Medien erhielten eine Rekordzahl von Leser-und Hörerreaktionen, in denen unter anderem die Einführung der von der Bevölkerungsmehrheit befürworteten Todesstrafe gefordert sowie die allgemeine Straffreiheit angeprangert wurde. In Rio de Janeiro werden jährlich deutlich weniger als fünf Prozent der Morde aufgeklärt.
Angesichts dieser barbarischen Tat, hieß es außerdem, sollte man den Rio-Karneval boykottieren. Erinnert wurde zudem an andere Verbrechen der jüngsten Zeit, bei denen u.a. Banditen Stadtbusse mit Benzin angezündet hatten, wodurch zahlreiche Menschen verbrannt waren.
Indessen handelt es sich bei diesen bekanntgewordenen Untaten nur um die Spitze des Eisberges, weil Brasiliens Medien im Interesse des Landesimage nur über einen Bruchteil der sadistischsten Taten überhaupt berichten. Gewöhnlich wird nur über Verbrechen informiert, die Angehörige der Mittel-und Oberschicht betreffen, nicht jedoch über schier unbeschreiblichen Sadismus, dem die Slumbevölkerung seit Jahrzehnten ausgesetzt ist. Daß von den die Slums neofeudal beherrschenden Banditenmilizen Mißliebige lebendig verbrannt oder zerstückelt werden, mit abgeschlagenen Köpfen Fußball gespielt wird, man Menschen durch Schweine auffressen läßt, haben zahlreiche Zeugen bestätigt. Ein Großteil der Slumbewohner, darunter bereits kleine Kinder, hat solchen Verbrechen zugesehen - mit den entsprechenden Wirkungen auf die Psyche. Es gibt zudem Berichte, demzufolge auf Rap-und HipHop-Massendiscos, die an der Slumperipherie Rios häufig vom organisierten Verbrechen veranstaltet werden, Jugendliche lebendig verbrannt worden sind. Die auf diesen "Bailes Funk" gespielten Titel sind extrem machistisch bzw. frauenfeindlich und verherrlichen detailliert sadistische Taten. Nicht zufällig wird in Deutschland von interessierter Seite versucht, derartige brasilianische Musik aus dieser Gewaltkultur gesellschaftsfähig zu machen, zu popularisieren.
Marina Maggessi, seit kurzem Kongreßabgeordnete und zuvor Rio de Janeiros Chefinspektorin der Zivilpolizei, hatte immer wieder die vom organisierten Verbrechen begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Die Banditenbosse, mit denen sich sogar weltbekannte Topathleten und Prominente einlassen, nannte sie Tyrannen:"Sie verbrennen Menschen lebendig, zerstückeln Personen, begehen Greueltaten jeder Art, herrschen über die Slums mit aller Brutalität."
Auffällig, daß zahlreiche NGOs, die auch mit europäischen Spendengeldern finanziert werden, in den Slums der größten bürgerlichen Demokratie Lateinamerikas zwar tätig sind, jedoch zu den Vorgängen weitestgehend schweigen. Gleiches gilt für teils vom Steuerzahler finanzierte Alibi-Menschenrechtsorganisationen.
In Brasilien werden jährlich über 55000 Menschen ermordet. In Rio de Janeiro wurde jetzt eine Website eingerichtet, die die aktuelle Zahl der Ermordeten angibt: http://www.riobodycount.com.br/
Im Teilstaate Rio de Janeiro wurde 2006 gemäß neuesten Angaben eine Rekordzahl von Homosexuellen umgebracht. Wie es hieß, waren es mindestens 45. "Dies zeigt den machistischen und gewalttätigen Charakter der Gesellschaft Rio de Janeiros", wurde betont. Rio de Janeiro hat etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Kuba, das indessen auch gemäß dem UNO-Index für menschliche Entwicklung völlig andere soziokulturelle Bedingungen aufweist.
Auch in Deutschland nimmt machistische Gewalt ständig zu, wird sogar von den Autoritäten ganz bewußt, u.a. durch Tolerierung, stark gefördert. Die deutsch-türkische Anwältin Seyran Ates, die jetzt den Margherita-von-Brentano-Preis der FU Berlin erhielt, hat über Machismus und Gewaltbereitschaft sowie über Sexualität und Gewalt zahlreiche Analysen angestellt.
Viele Deutsche, auch aus der Drittweltszene, reden gerne von der sogenannten "Einen Welt", lehnen es indessen ab, darüber zu reflektieren, wie die Öffentlichkeit reagierte, wenn sich Verbrechen wie die oben beschriebenen in deutschen Städten wie Berlin oder München ereignen würden. Verdrängungsmechanismen funktionieren gut.

http://www.ostblog.de/2004/09/hiphop_und_rap_zum_draufschlag.php

Schriftsteller Paulo Coelho von der Copacabana zum sadistischen Verbrechen:
"Wir sind alle schuldig"
Então estamos nos aproximando cada vez mais do Mal Absoluto. Quando rapazes, em pleno controle de suas faculdades mentais, são capazes de arrastar um menino pelas ruas de uma cidade, isso não é apenas um ato isolado: todos nós, em maior ou menor escala, somos culpados.

Somos culpados pelo silêncio que permitiu que a situação em nossa cidade chegasse a este ponto.

Somos culpados porque vivemos em uma época de “tolerância”, e perdemos a capacidade de dizer NÃO.

Somos culpados porque nos horrorizamos hoje, mas nos esquecemos amanhã, quando há outras coisas mais importantes para fazer e para pensar.

Somos os olhos que viram o carro passar, o medo que nos impediu de telefonar para a polícia. Somos a polícia, que recebeu alguns telefonemas através do número 190, e demorou para reagir, porque o Mal Absoluto parece já não pedir urgência para nada. Somos o asfalto por onde se espalharam os pedaços de corpo e os restos de sonhos do menino preso ao cinto de segurança.

A cada dia uma nova barbárie, em maior ou menor escala. A cada dia algum protesto, mas o resto é silêncio. Estamos acostumados, não é verdade?

Muitos séculos atrás, John Donner escreveu: “nenhum homem é uma ilha, que se basta a si mesma. Somos parte de um continente; se um simples pedaço de terra é levado pelo mar, a Europa inteira fica menor. A morte de cada ser humano me diminui, porque sou parte da humanidade. Portanto, não me perguntem por quem os sinos dobram: eles dobram por ti.”

Na verdade, podemos pensar que os sinos estão tocando porque o menino morreu, mas eles dobram mesmo é por nós. Tentam nos acordar deste cansaço e torpor, desta capacidade de aceitar conviver com o Mal Absoluto, sem reclamar muito – desde que ele não nos toque.

Mas não somos uma ilha, e a cada momento perdemos um pouco mais de nossa capacidade de reagir. Ficamos chocados, assistimos às entrevistas, olhamos para nossos filhos, pedimos a Deus que nada aconteça conosco. Saímos para o trabalho ou para a escola olhando para os lados, com medo de crianças, jovens, adultos. Entra ano, sai ano, mudam-se governos, e tudo apenas piora. O que dizer? Que palavra de esperança posso colocar aqui nesta coluna?

Nenhuma.

Talvez apenas pedir que os sinos continuem tocando por nós. Dia e noite, noite e dia, até que já não consigamos mais fingir que não estamos escutando, que não é conosco, que estas coisas se passam apenas com os outros. Que estes sinos continuem dobrando, sem nos deixar dormir, nos obrigando a ir até a rua, parar o trânsito, fechar as lojas, desligar as televisões, e dizer: “basta. Não agüento mais estes sinos. Preciso fazer alguma coisa, porque quero de volta a minha paz”. Neste momento, entenderemos que embora culpemos a polícia, os assaltantes, o silêncio, os políticos, o hábito, apenas nós podemos parar estes sinos.

Nosso poder é muito maior do que pensamos – trata-se de entender que não somos uma ilha, e precisamos usá-lo. Enquanto isso não acontecer, o Mal Absoluto continuará ampliando seu reinado, e um belo dia corremos o risco de acreditar que ele é a nossa única alternativa, não existe outra maneira de viver, melhor ficar escutando os sinos e não correr riscos.

Não podemos deixar que chegue este dia. Não tenho fórmulas para resolver a situação, mas sou consciente de que não sou uma ilha, e que a morte de cada ser humano me diminui. Preciso parar minha cidade. Não apenas por uma hora, um dia, mas pelo tempo que for necessário. E recomeçar tudo de novo. E, se não der certo, tentar não apenas mais uma vez, mas setenta vezes. Chega de culpar a polícia, os assaltantes, as diferenças sociais, as condições econômicas, as milícias, os traficantes, os políticos.

Eu sou a minha cidade, e só eu posso mudá-la. Mesmo com o coração sem esperança, mesmo sem saber exatamente como dar o primeiro passo, mesmo achando que um esforço individual não serve para nada, preciso colocar mãos à obra. O caminho irá se mostrar por si mesmo, se eu vencer meus medos e aceitar um fato muito simples: cada um de nós faz uma grande diferença no mundo.

http://www.riobodycount.com.br/

Klaus | 09.02.07 12:55 | Permalink