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"Hau ab, Mann, mach Theater für deine Deutschen!"

Schlechte Kritiken für Volksbühne-Regisseur Frank Castorf in Lateinamerikas Kulturhauptstadt Sao Paulo
--von Klaus Hart, Sao Paulo--
"Frank Castorf kam als Genius und ging als Anmaßender, Überheblicher, Eingebildeter", schreibt Marcelo Rubens Paiva, einer der großen progressiven Feuilletonkritiker und Schriftsteller Brasiliens, Anfang Januar in der auflagenstarken Qualitätszeitung "O Estado de Sao Paulo". Castorf hatte in der Megacity Brechts "Im Dickicht der Städte" inszeniert, laut Paiva hatte sich jeweils die Hälfte des Publikums, darunter viele gutinformierte, politisierte Brecht-Fans, mitten im Stück erhoben und war rausgegangen. Offenbar fehlte Brecht. "Ich, mit meiner Biographie, werde ertragen, von so einem Stück angegriffen zu werden? Im Sesc? Hau ab, Mann, mach Theater für deine Deutschen!"
Beim Sesc handelt es sich um die Kulturhauskette Sao Paulos, in der gewöhnlich nur qualitativ Hochwertiges zu sehen ist, was das überdurchschnittlich gebildete, besonders kulturinteressierte Publikum auch von Castorfs Stück erwartet hatte. Laut Paiva macht Castorf Event-Theater. "Das brasilianische Theater braucht keine Lektionen." Die häufigste Publikumskritik am Castorfs Brecht-Inszenierung lautete: Zuwenig Inhalt, zuviel theaterfremder Klamauk. Castorf hatte in Sao Paulo auch "Schwarzer Engel" (O Anjo Negro) des Brasilianers Nelson Rodrigues inszeniert. "Mitten im Stück von Castorf gehen die Lichter im Zuchauerraum an, hält ein Schauspieler inne und fragt, ob Journalisten, Kritiker, Intellektuelle schon weggegangen sind. Das hier war nicht die Abschlußprüfung einer gehässig-nachtragenden Gruppe. Das war das Stück eines der renommiertesten Theaterregisseure Europas."

Mehr: Manchmal muss der Samba raus! Frank Castorf im Interview

Klaus | 11.01.07 18:43 | Permalink