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Brasiliens Indianermissionsrat CIMI zu Infantizid, Sex mit Kindern und Indio-Machismus(2)

Politiker von Wunderheilersekten wollen Kindermord bei Indios kriminalisieren
viele interessante ethisch-moralische Fragestellungen - wie reagieren Ethik-Experten und Behindertenorganisationen?

von Klaus Hart, Sao Paulo

CIMI-Vizepräsident Saulo Feitosa sagte im ostblog-Exklusivinterview, daß die im Nationalkongreß Brasiliens vertretenen Politiker evangelikaler Freikirchen eine Kriminalisierung des Infantizids bei Indiostämmen wie den Yanomami vorgeschlagen haben. Der CIMI verfolge diese Diskussion mit Besorgnis. Auslöser sei der Fall zweier Kinder eines Amazonasstammes gewesen, die wegen Behinderungen "gemäß der Kultur dieser Indios" getötet werden sollten. Eine Gruppe Evangelikaler habe die Kinder jedoch vor dem Tode bewahrt und nach Sao Paulo zu Therapien gebracht.

„Der Stamm spricht nicht Portugiesisch, hat wenig Kontakt zur brasilianischen Gesellschaft und nutzt den Infantizid zur Geburtenkontrolle. Angesichts der Schwierigkeiten des Alltags in der Wildnis macht jegliche physische Begrenztheit ein Überleben dort unmöglich. Ein behindertes Kind würde von Vater und Mutter eine so intensive Zuwendung benötigen, die beide unmöglich geben könnten. Wir von CIMI verstehen es so, daß da eine Praxis kriminalisiert würde, die im Stamm kulturell akzeptiert ist. Wir meinen, eine Kriminalisierung ist nicht gerechtfertigt.“ Laut Saulo Feitosa hat der Indianermissionsrat Erfahrungen mit einigen Stämmen wie den Pirapè im Teilstaate Mato Grosso, wo es gelungen sei, sie vom Infantizid abzubringen. Über fünfzig Jahre habe ein Missionarsteam bei den Pirapè gearbeitet, mit ihnen einen Dialog geführt, bis sie von der Praxis ließen. „Wir meinen, per Dialog, aber nicht per Gesetz kann man den Infantizid bei Indios abschaffen. Vom Gesichtspunkt unserer Moral akzeptieren wir den Infantizid nicht, sind dagegen. Aber wir können die Indios deswegen nicht anklagen, kriminalisieren. Durch den Kontakt mit der weißen Gesellschaft könnten die Indios erkennen, daß es andere Formen der Geburtenkontrolle gibt – und ebenso agieren.“

Klargestellt werden muß, daß ein Großteil der brasilianischen Indios die katholische Taufe erhielt.
Das brasilianische Strafgesetz, so Feitosa, definiere Infantizid als Verbrechen. Falls man das Gesetz auf die Indios anwendete, würden sie verurteilt. „Wir meinen, wegen der ganz anderen kulturellen Realität läßt sich das Gesetz aber nicht auf die Stämme anwenden. Der Staat muß für einen Dialog sorgen, um die Indios von der Infantizid-Praxis abzubringen.

„frühe Euthanasie“, katholische Missionare als Zeugen
Brasiliens staatliche Indianerbehörde FUNAI spricht gelegentlich von „früher Euthanasie“, wenn sie sich auf die Tötung von Kindern mit Geburtsfehlern bezieht. „Wir sehen dies als Infantizid“, sagt Feitosa. „Viele unserer Missionare sind Zeugen der Infantizid-Realität und leiden sehr darunter. Doch man kann in einer solchen Situation eben nicht einfach sofort dazwischengehen. Man muß Möglichkeiten für schrittweise Verhaltensänderungen schaffen. Die katholische Kirche weiß um den Infantizid, setzt ihn derzeit aber nicht auf die Tagesordnung. Andere Kirchen stellen ihn zur Diskussion, ebenso wie die bei Indios übliche Abtreibung. Ich denke, die katholische Kirche wird den Infantizid noch diskutieren und dabei ihre religiösen Werte verteidigen.“

Angesichts der in großer Zahl in den letzten Jahrzehnten von ihren eigenen Eltern ermordeten Indiokinder stellt sich die Frage, ob der immer wieder beklagte Rückgang der Indiobevölkerung, etwa des Stammes der Yanomami, mit dem Infantizid zu tun hat, ob ohne Infantizid die Zahl der brasilianischen Indianer nicht weit höher wäre. Feitosa:“Wir wissen das nicht.“
Der Deutsche Rüdiger Nehberg aus Hamburg, Träger des Bundesverdienstkreuzes, hat nach seinen Amazonasreisen über das Leben der Yanomami Bücher veröffentlicht.

extrem machistische Stammesstrukturen
CIMI-Vizepräsident Saulo Feitosa äußerte sich auch zu der bei Indiostämmen üblichen Praxis, daß die Männer brutal den besten Teil der Nahrung für sich beanspruchen und den Frauen oft nur relativ wertlose Reste lassen. Daher sind die Frauen auch für Krankheiten weit anfälliger, besteht bei den Stämmen gewöhnlich ein deutlicher Männerüberschuß. Wie der Korrespondent selbst beobachtet hat, sieht dies in der Praxis so aus, daß Männer ein Gelage veranstalten, Unmengen von Fleisch grillen und dabei von sichtlich fragilen Frauen mit Babies auf dem Arm, Kindern umzingelt sind, die sich dem Freßgelage bis auf wenige Meter nähern. Die Männer geben ihnen jedoch nicht ein Stückchen Fleisch ab. Schließlich erheben sie sich satt und zufrieden, gehen weg – erst dann haben hungrige Frauen und Kinder das Recht, sich auf die armseligen Knochenreste zu stürzen.

Dagegen wird von interessierter Seite auch in Europa entgegen der bestens bekannten Faktenlage immer wieder betont, die Alltagssitten der Stämme seien außerordentlich sozial und human. Gelegentlich heißt es, die Amazonasindianer seien zivilisatorisch fortschrittlicher als die restliche brasilianische Gesellschaft, wobei indessen offenbar mit Bedacht auf umstrittene Fragen wie Kindermord und Sex mit Kindern nicht hingewiesen wird. Besonders „politisch korrekte“ Verfälscher bestreiten gar, daß bei brasilianischen Stämmen früher Kannibalismus üblich war.

Laut Saulo Feitosa haben sich die Stämme als kriegerische Gesellschaften bis in die 70er Jahre hinein gegenseitig bekämpft. „Der soziale Status des Kriegers im Stamm war klar definiert und rechtfertigte eine besondere Sorge um dessen Kondition. Da der Krieger durchweg ein Mann ist, schuf dies eine Situation, in der die Frau entwertet wurde. Diese Struktur hat man bei den Stämmen indessen beibehalten, haben wir eine machistische Realität, wo die Männer privilegiert sind.“

Steht dies beispielsweise auch in Kinder-und Jugendbüchern über Indianer so?

Klaus | 06.10.06 17:36 | Permalink