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Masse 80 kg

Zum Tod des Künstlers Klaus Hähner-Springmühl

Stille am
See
das Gas ist
abgestellt.
Ich koch mir
meine Suppe
na auf was
schon?,
England ist
nicht die einzigste
Insel
auf der Welt.

Wie erst jetzt bekannt wurde, starb der Maler, Fotograf, Musiker, Aktionskünstler Klaus Hähner-Springmühl am 15. Juli vereinsamt und verarmt in Leipzig an einem Herz-Kreislauf-Versagen.

Nach seiner Schulzeit wollte der 1950 im sächsischen Zwickau geboren Zweimeter-Mann Boxer werden. Er schaffte es im Halbschwergewicht an die DDR-Juniorenspitze und hörte auf.
Er begann ein Studium des Bauwesens in Cottbus. In dieser Zeit, 1970, lernte er Michael Freudenberg und A.R. Penck kennen und bricht das Studium ab. Mit Freudenberg wird gemeinsam gezeichnet, Musik gemacht, es entstehen Collagen, Objekte, erste Rauminstallationen und Fotografien.
Von vornherein spielen bei Springmühl kollektive Arbeitsformen eine große Rolle. Die werden ab 1972 nach seinem Umzug nach Karl-Marx-Stadt mit jungen Künstlern fortgeführt. Bis zur Ausreise von Penck bleiben die Free-Jazz Session in Dresden ein wichtiges Element, ein Kontrapunkt zum Experimentalverkehr mit Form und Material.
Das Umfeld der heute weithin gefeierten Galerie „Clara Mosch“ mochte er nie sonderlich. Zu seiner Ausstellungseröffnung in selbiger im Jahr 1980 kam er mit mehreren Stunden Verspätung. Er suchte eher Kontakt zu den „Wilden“ und hat mit seiner kompromisslosen Haltung junge expressive Maler in Karl-Marx-Stadt beeinflusst.. Mit dem Maler Wolfram Adalbert Scheffler, mit dem Springmühl ein von der Stadt zur Verfügung gestelltes Hinterhaus bewohnte, und dem Fotografen Thomas Florschütz gab es Anfang der 1980er in Karl-Marx.Stadt führende Vertreter auf der ersten Stufe einer Revolte der jungen Künstler-Generation, die mit Blick nach dem Westen um die Plätze rang.

Während Scheffler und Florschütz über Prenzlauer Berg in den Westen gingen, ging Springmühl in Zusammenwirken mit seiner Ex-Gattin Gitte und Frank Raßbach seinen eigenen künstlerischen Weg weiter. Die Drei traten unter dem Namen „Kartoffelschälmachine“ nicht nur beim legendären Intermedia-Festival in Coswig 1985 auf. Es gab ausgiebige Mal- und Musiksession, die zelebriert in Galerien und Studentenclubs regelmäßig in Skandalen mündeten. Zum Stamm zählten zeitweise auch der Maler Wolfgang Hartsch, der die DDR-Free Jazz Szene prägende Manfred Schulze und Frank Brettschneider mit seinem KORG-Synthesizer, heute ein erfolgreicher Musiker in der Elektro-Szene. Während stundenlangen musikalischen Krachs wurde alles, was nicht vorher in Sicherheit gebracht wurde, bemalt, beschriftet, umgestaltet. Es entstanden räumliche Installationen, gegen die eine Jonathan Meese - Inszenierung ein Fliegenschiss ist.
Springmühl führte das Leben eines Bohemiens, mit regelmäßigen Saufexzessen als leidenschaftlicher Egomane – gleichzeitig war ihm alles Alltägliche wichtig. DDR-typisch ging es auch bei ihm um alles. Mit den oppositionellen Gruppen stand er im engen Kontakt und trat bei Friedenswerkstätten und Veranstaltungen der Offenen Arbeit auf, kommunizierte mit der Studentengemeinde, wie mit Punks.
Vor allem mit Fotoübermalungen und Zeichnungen erlangte Klaus Hähner-Springmühl von Berlin bis zur Leipziger Eigen+Art in erfolgreichen Ausstellungen kurz vorm Ende der DDR Berühmtheit. Das er weniger publik war als es angemessen gewesen wäre lag nicht nur an seinen starken, aggressiven Schwarz-Weiß Fotografien von Alltag und Abfall, sondern auch, dass er Verkaufsstrategien und Erfolg ziemlich hilflos gegenüber stand. Bezeichnend bleibt mir eine Szene, wo er Kunstsammlern aus einem meterhoch mit Zeichnungen übersäten Raum lose Blätter präsentierte und sie nach Masse anbot.
Mit dem Ende der DDR begann auch bei ihm der Abstieg. Seine Fotografie wurde farbig, seine Arbeiten verloren an Kraft und wurden auswechselbar. Die Chemnitzer Stammgalerie „Galerie Oben“ gab ihn auf, bei einer diesjährigen Auktion gingen alle seiner Arbeiten ohne Gebot zurück.
Er zog sich immer mehr zurück und wurde von vielen einstigen Weggefährten gemieden. In den letzten Jahren lebte er monatelang immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen.
Seine Arbeiten in der erfolgreichen Ausstellung „Kunst in der DDR“ in Bonn und Berlin im Jahr 2003, war nicht nur ein Abschied von der Kunst in der DDR, sondern auch ein Abschied von Klaus Hähner-Springmühl.

natter | 29.08.06 22:45 | Permalink