« Die Zukunftsaussichten für den Osten im 21. Jahrhundert - wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert! | Hauptseite | Masse 80 kg »

Die Zukunft des Films und die Zukunft der Arbeit

a-decent-factory.jpg
Bildausschnitt aus dem Film "A Decent Factory" von Thomas Balmes (Finnland/Frankreich 2004)

[Veranstaltungshinweis] 40 Filmfestivals und Filmreihen bundesweit

Der WORK IN PROGRESS Filmpool ist Spiegel der Arbeitswelt „in progress“, in der rasante und existentielle Veränderungen stattfinden. Er umfasst 75 Kurz- und Langfilme und vier Installationen, darunter dokumentarische, künstlerische und fiktionale Arbeiten sowie historische Filmwerke.

Der Filmpool wird beim WORK IN PROGRESS Startup Festival in Berlin vom 01.-03.September 2006 im Kino Arsenal vorgestellt.

Die Zukunft des Films und die Zukunft der Arbeit haben eine gemeinsame Geschichte, die ihren Anfang mit dem Frühwerk „Arbeiter verlassen die Fabrik“ der Gebrüder Lumière im Jahre 1895 nahm. Es war ein Moment, der viele Fragen aufwarf:

Wie werden die neuen Technologien unser Leben, unsere Identität verändern?

Ist die Industrialisierung eine Entwicklung, die den Menschen und seine Arbeitskraft eines Tages überflüssig macht? Nimmt die Filmkamera mit dem eigenen Abbild auch die Seele auf, um sie geisterhaft und körperlos auf der Leinwand zu reproduzieren?

Eindeutige Antworten auf diese Fragen gibt es auch mehr als ein Jahrhundert später nicht. Die Industrialisierung wurde zur Gegenwart und ist heute schon wieder Geschichte. Der Titel „WORK IN PROGRESS“ ist also doppeltes Synonym für die Prozesshaftigkeit der cinematographischen Bestandsaufnahme. Er bezeichnet einerseits ein Filmwerk in der Entstehung, ein kulturelles Unterfangen, dessen Endprodukt noch in der Zukunft liegt. „Work in Progress“ ist aber auch der Aufdruck auf englischsprachigen Schildern für eine Baustelle, sowie das weltweit verwendete Symbol einer Internetseite, die noch in der Programmierungsphase steckt.

WorkInProgress.jpg

Über sechzig Kurz- und Langfilme aus den letzten zehn Jahren zeigen eine sich verändernde Realität in dokumentarischen, künstlerischen und fiktionalen Bildern, aufgenommen in vier Kontinenten. Ob spielerisch oder sarkastisch, analytisch oder aktivistisch, skizzieren sie die Eckpunkte einer komplexen Gegenwart der Arbeit. Dagegen stehen exemplarisch historische Filmwerke, die sowohl thematisch, als auch filmisch neue Aspekte in die Diskussion um die Zukunft der Arbeit einbringen. Der Filmpool WORK IN PROGRESS ist Spiegel der Arbeitswelt „in progress“, in der rasante und gravierende Veränderungen passieren, die für jeden spürbar sind, bis in die privaten Winkel des Lebens hinein. Die Arbeitswelt lässt sich heute weder geografisch noch politisch auseinander-dividieren, ebenso wie die Geschichte eines Filmes weit über den Ort und Moment seiner Aufnahme hinaus Bedeutung haben kann.

Dem Gesetz von Kosten und Produktivität unterworfen, verschieben sich die globalen Arbeitsmärkte. So wie die Herstellung eines einzigen Mobiltelefons sich quer über den Globus zieht, bewegen sich auch die Menschen auf der Suche nach einem akzeptablen Gegenwert für ihre Arbeit: vom Land in die Städte, von Kontinent zu Kontinent, zu Fuß oder im Flugzeug. Die Perspektive einer lebenslangen Arbeit, in einer stabilen Gemeinschaft von Kollegen, an einem gemeinsamen Ort, scheint sich aufzulösen. Begriffe wie Ich-AG, Kleinunternehmer und Selbst-Management deuten auf ein neues Prinzip hin, nach dem jeder individuell für seinen Arbeits- und Lebensweg verantwortlich ist. Das Kollektiv und mit ihm der Kampf für gleiche Rechte und gleichen Lohn, aber auch seinen sozialen Sicherungsmechanismen, verschwinden. Gleichzeitig wird die Arbeit ein immer stärker identitätsstiftendes Merkmal, als lebensumspannende Herausforderung für diejenigen, die welche haben und als Stigma für die, die keine haben. Arbeitslosigkeit ist auch in Deutschland kein vorübergehendes Phänomen mehr, sondern eine Realität, die Familien über Generationen hinweg prägt. Die Auswirkungen dieser Zuspitzung schreiben sich ein in die Landschaft und Architektur und hinterlassen ihre Spuren, physisch und psychisch.

WORK IN PROGRESS möchte über die globale Dimension hinaus, den Blick auf die Situation vor Ort richten. Wer sitzt da eigentlich zusammen im Kino? Welcher konkreten Zukunft müssen wir uns stellen, auf der Straße, im Stadtteil, in der Region? Für das Berliner Startup Festival haben wir exemplarisch zwei Filmemacher mit einer Werkschau eingeladen, deren Arbeit und Leben eng mit der Stadt verbunden sind. Sowohl bei Harun Farocki als auch bei Stephan Geene/ b_books stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit immer unter Einbeziehung der eigenen Tätigkeit als Kulturproduzenten.

Im Verlauf einer Reihe von 40 bundesweiten Filmfestivals von März bis August 2007 ist sowohl die Auswahl des Filmpools als auch das Berliner Festival der Anstoß, der hoffentlich viele Steine ins Rollen bringt. Der Titel „WORK IN PROGRESS“ ist Programm.

Weitere infos:
Work in Progress

Timetable als pdf

Programmheft als pdf

Kontakt:

Bärbel Fickinger, Merle Kröger
Telefon +49-30-26955-110
workinprogress(at)fdk-berlin.de

Michal Stachura | 29.08.06 18:39 | Permalink