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Free René! Seit zwei Monaten sitzt der junge Deutsche im polnsichen Knast

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Wo einst die Väter der Solidarność interniert waren: Untersuchungshaftanstalt in Białołęka.

UPDATE 11.08.06, 16:30: René ist frei ! Er wird morgen in Berlin eintreffen. Danke an die Soli-Gruppe in Berlin und Warschau, seinen Berliner Anwalt und alle UnterstützerInnen und AktivistInnen die sich in den letzten Wochen für seine Freilassung eingesetzt haben. Unsere Solidarität ist eine Waffe.

UPDATE 10.08.06, 18:26: Die polnische Staatsanwaltschaft hat soeben den Kautionsantrag, der auf Betreiben des Berliner Rechtsanwalts Wolfgang Kaleck und seines deutsch-polnischen Juristenteams eingelegt wurde bewilligt. Wenn alles klappt kommt René morgen (11.08.06 Donnerstag) frei.


- Exklusiv für den Ostblog von Kamil Majchrzak* aus Białołęka bei Warschau -

Mehrere junge Mütter warten ungeduldig mit ihren Babys auf dem Arm auf einem kleinen Parkplatz vor dem Untersuchungsgefängnis in Białołęka bei Warschau. An einem Schlagbaum vor einer mit Stacheldraht geschützten Mauer langweilt sich ein Wachposten mit kugelsicherer Weste und einer Kalaschnikow über der Schulter. Hinter ihm liegen mehrere Dutzend Gebäude mit vergitterten Fenstern. Es ist der selbe Knast in dem die "grossen" Oppositionellen des komunistischen Regimes während des Kriegszustandes 1981-83 interniert wurden. Heute sind sie an der Macht und sperren andere ein, die Gleichberechtigung und Menschenrechte fordern.

Dort sitzt der 24jährige Aktivist René seit dem 10. Juni in Untersuchungshaft. Der deutsche wurde im Anschluss an die Gleichheitsparade in Warschau festgenommen. Ihm wird „Angriff auf uniformierte Polizeibeamte“ vorgeworfen. Er bestreitet diesen Vorwurf. René reiste gemeinsam mit anderen DemonstrantInnen in einem Bus aus Berlin an, und habe wie alle anderen friedlich an der Parade teilgenommen. Ein Foto im Internet zeigt, ihn in einem Abstand von etwa 5-10 Metern zu einer eher verbalen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und rechtsextremen EU-Gegnern. Diese Konfrontation soll aber nicht diejenige gewesen sein, weswegen später polnische Polizisten eingriffen. Er selbst ist an dieser Auseinandersetzung unbeteiligt. In 10-20 Metern Entfernung von seinem Standort aus hatten tatsächlich vermummte Personen mit polnischen Polizeibeamten eine Auseinandersetzung. Nachdem die vermummten Personen wieder in die Demonstration zurückzogen, eilten ihnen die Polizeibeamten nach und nahmen dabei irrtümlicherweise René fest.

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Festnahme von René am 10.06.06 gg. 17.00 Uhr auf dem pl. Teatralny während der Parada Równości in Warschau

An der »Parada Równosci« nahmen über 10000 Menschen teil, die Demonstration verlief friedlich, dennoch wurden 20 Menschen festgenommen. Den Antrag des polnischen Verteidigers auf Haftverschonung unter Stellung einer Kaution lehnte die Staatsanwaltschaft Anfang Juli ab. René habe keinen ständigen Aufenthaltsort in Polen und für die ihm vorgeworfene Straftat drohe eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht. Dies sei kein Einzelfall erzählt Agnieszka, von der ABC-Solidaritätsgruppe in Warschau. „Die Polizei in Polen ist immer sehr schnell wenn es um Verhaftungen geht, insbesondere wenn es sich dabei um Demonstranten einer Schwulen-Demonstration handelt“ erzählt sie. Nach eineinhalb Stunden Warten, werden vor dem Untersuchungsgefängnis die Namen der BesucherInnen verlesen. Einer von ihnen ist der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der neuerdings René vertritt. Erst nach mehreren Anlaufen gelang es, einen deutschen Rechtsanwalt dorthin zu bekommen.

Die polnischen Behörden hatten zuvor die Kontaktaufnahme mit einem Dolmetscher erschwert und sehr spät die deutsche Botschaft über die Festnahme informiert. Der Haftbeschluss wurde unter Abwesenheit eines Verteidigers angeordnet. Mehrere junge Frauen rennen mit ihren Babys in einen engen Vorraum am Eingangstor. Zwei Beamte kontrollieren die Milchflächchen der Babys, riechen daran, das Milchpulver in der Dose wird mit einem kleinen Löffel umpflügt. Auch wir müssen unsere Taschen leeren und sogar unsere Stifte
abgeben. Für Notizen sind nur Kugelschreiber aus durchsichtigem Plastik erlaubt.
In einem kleinen Raum setzen wir uns an einen wackligen Tisch auf dem jemand die Nummer 28 gepinselt hat und warten auf René. Unterdessen stellen sich andere BesucherInnen vorsorglich an einer Glasscheibe an, um für ihre inhaftierten Angehörigen im Knastkiosk etwas zu kaufen. Schnell bildet sich eine lange Schlange. Die Inhaftierten dürfen selbst keine Einkäufe tätigen.

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Traurige Ironie der Geschichte: Hier wurden 1981 Oppositionelle der Solidarność interniert. Die damaligen Häftlinge machen nun Jagt auf Schwule und Andersdenkende.

Dann kommen die ersten Insassen in den Raum. Es sind ausschließlich Männer. Die Angehörigen umarmen sich stürmisch und setzten sich an die Tische. Ein junges Pärchen verschwindet in einem Nebenraum hinter einer dünnen Tür. Die Wand des Raumes reicht nicht zur Decke und lässt oben einen breiten Spalt. Ein Raum, nur für Verheiratete. Und das sind in Polen immer noch Heterosexuelle.

René freut sich, Besuch aus Deutschland zu haben. Im Knast kann er sich aufgrund der Sprachbarriere nur mühsam verständigen und fühlt sich deshalb isoliert. Aber am meisten macht ihm momentan das Wetter zu schaffen: „Die Hitze ist unerträglich, selbst die ersehnte Stunde an der frischen Luft wird dann zur Qual. Wasser dürfen wir aber auf den Hof nicht mitnehmen.“In seinen Augen wird die Anstrengung der letzten Wochen sichtbar. Durch die schwere Kost plagte sich René über Tage mit Magenproblemen herum. „Wir bekommen dabei nur eine Klopapierrolle pro Monat. Wird rationiert.

Das schlimmste ist jedoch, dass ich hier weder Zeitungen noch Bücher habe. Die Behörden zensieren inhaltlich Zeitungen und Bücher. Auch die Briefe und Lehrbücher werden zurückgehalten. Dabei wollte ich mich auf mein Abi vorbereiten.“ Am 9. September endet nach polnischem Recht die Drei-Monats-Frist, so lange können Gefangene während der Ermittlungen in Untersuchungshaft gehalten werden. „Deshalb gehen im Moment alle davon
aus, dass davor die Hauptverhandlung festgesetzt wird und René danach aus der Haft entlassen wird. Nach polnischem Recht kann nach seiner Einlassung vor Gericht weiter gegen ihn weiter in Abwesenheit zur Sache verhandelt werden“ erläutert Kaleck.

*Kamil Majchrzak ist deutsch-polnischer Jurist und Redakteur der polnischen Edition der Le Monde Diplomatique. Zusammen mit dem Berliner Strafverteidiger Wolfgang Kaleck besuchte er René in der polnischen Untersuchungshaft und setzt sich für seine Freilassung ein.

ZEUGEN GESUCHT!
Weiterhin werden Teilnehmer der Parade in Warschau gesucht, die Auseinandersetzungen am Endkundgebungsplatz beobachtet haben. Bitte meldet euch unter: warschau_soli@blacksec.org

Spendenkonto:
Rote Hilfe Berlin,
Kto: 7189590600,
BLZ: 10020000,
Stichwort: Warschau

Siehe auch:
http://www.queerberlin.tk/

Geheime Fotos aus dem Knast aus den 80er Jahren

Michal Stachura | 09.08.06 19:00 | Permalink

Kommentare

Raus mit Rene!

Danke Kamil für den Bericht!

Verfasst von: jay | 10.08.06 19:57

Und ist er draussen?

Verfasst von: Georg | 11.08.06 16:15

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