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Stiftungs-Universität Viadrina: Deutschlandweit einzigartiger Kurs in unternehmerischem Denken

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Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina setzt mit der Idee einer Stiftungsuniversität einen Meilenstein in der Kommerzialisierung der Hochschullehre in Deutschland. Ausgewählte Wirtschafts-Studenten überholen sie im Vollzug dieser kapitalistischen Verwertungslogik.

Der Skandal um die drohende Schliessung der Ausstellung gegen Homophobie am Collegium Polnicum ist kaum vorbei schon erschüttert der nächste die große Geburtstagsparty (500 Jahrfeier) der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

30.000 Euro aus den Beiträgen der Studierenden wurden mit Zustimmung der Universitätsleitung der Viadrina ab sofort für Spekulationen an der Deutschen Börse freigegeben.

Im Dezember 2005 schrieb das Studierendenparlament der Viadrina insgesamt 60.000 Euro für Projekte der Studierendenschaft aus. Das Geld entstand durch Auflösung der Geschäftsfähigkeitsrücklage aus Sozialbeiträgen der Studierenden die bei der Immatrikulation erhoben werden. Fördervoraussetzung war, dass die Projekte den Studierenden zugute kommen und nachhaltig sein müssen. Bis Ende Februar 2006 wurden beim AStA mehre Projekt-Anträge eingereicht, darunter für die Finanzierung einer Wohn- und Begegnungsstätte, eines Schreibzentrums und die Finanzierung eines Wirtschaftskurses „Active Portfolio Management“. „In diesem innovativen Studienkurs sollen Studierende aktiv ein Wertpapier-Portfolio verwalten. Die von uns beantragten Gelder in Höhe von 30.000 Euro sollen das Grundkapital dafür bilden“ schreiben die Antragsteller Johannes Vogel (Voristzender Fachschaftsrat WiWi) und André Poddubny.

Aus öffentlich zugänglichen Unterlagen geht hervor, dass das Portfolio-Projekt vom Fachschaftsrat der wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät initiiert wurde, dessen Mitglied der Wirtschaftstudent André Poddubny vom „Liberalen Campus“, bis zu seiner Wahl zum AStA Vorsitzenden gewesen ist. Als AStA-Vorsitzender entscheidet Poddubny über die Zulassung der Anträge. Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit oder des Kriteriums des „Nutzen für alle Studenten“ gab es – im Unterschied zu anderen AntragstellerInnen - für das von ihm selbst als Hochschulreferent unterzeichnete Projekt deswegen nicht.

Gegen die Spekulation mit öffentlichen Mitteln an der Börse hatte auch die Universitätsleitung nichts einzuwenden. Bei einer rechtlichen Prüfung hat Menekse Akyurt vom Dezernat I „deutlich gemacht, dass sich der Wert der eingesetzten öffentlichen Gelder um maximal 15 % reduzieren dürfe, eine Ausschließung von Verlusten jedoch wünschenswert sei“ schreiben die Antragsteller.

Poddubny notiert in seinem 20 Seiten langen Papier: „der internationale Austausch, ein Kernelement unserer Universität, weist ein ernstzunehmendes Defizit in der Anzahl der jährlichen Incoming und Outgoing Students auf (…) an dieser Stelle setzt unser Projekt an, mit dem sich die Viadrina deutlich profilieren könnte“. Der angestrebte Wirtschaftskurs „könnte ein weiterer Grund für ein Auslandssemester an der Viadrina sein“. Dank diesem „deutschlandweit einzigartigem“ und „prestigeträchtigem Kurs“ könne die Universität in Zukunft auf mehr Bewerbungen von Studenten hoffen.

KuWi-Studentin Katrin, ehemalige Abgeordnete des Studierendenparlament (StuPa) findet es äußert fraglich, wie man mit einem Kurs, der nur 36 Teilnehmer pro Semester zulässt, den „Studierendenaustausch“ wieder „ins Gleichgewicht“ bringen kann“. Dies stellen die Antragsteller optimistisch in Aussicht. Der Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Prof. Wolfgang Peters weist in einer Stellungnahme darauf hin, „dass ein solches Planspiel „zwangsläufig nicht mit universitären oder Fakultätsmitteln arbeiten kann“, sich jedoch durch den „Einsatz studentischer Gelder die Leistungsreserven erschließen lassen“.

Der Leiter des Dezernates für Studentische Angelegenheiten Norbert Morach unterstützte ebenfalls das Projekt: „Auch nach Wegfall der Zusage des Dozenten, einen etwaig möglichen Ausfall vollständig zu decken, halten wir das Vorhaben für rechtlich zulässig (…) Um einer u. U. politisch zu führenden Rechtfertigungsdebatte zuvor zu kommen, empfehlen wir nachdrücklich, zukünftig über Dritte eine volle Risikoabsicherung zu erreichen“. Wie mit solchen Vorschlägen Nachhaltigkeit gewährleistet werden soll erschließt sich jedoch noch nicht ganz kommentiert den Vorgang Antje, eine Studentin der Kulturwissenschaften.

Die Frage warum unbedingt 30.000 Euro öffentlicher Mittel an der Börse verbraten werden müssen und ein Planspiel diesen Zweck nicht erfüllt, beantwortet Poddubny mit einem eigens angefertigten psychologischem Gutachten der Dipl.-Psych. Karin Baltrusch von der Universität Rostock. Anhand einer Leistungs-Stress-Kurve beweist Baltrusch eindeutig „den Zusammenhang zwischen Erregung und Leistung (…) Bei einem niedrigen Erregungsniveau (Spielgeld) bleibt auch die Leistung gering“. Mit anderen Worten: „Planspiele mit Spielgeld bergen die Gefahr, dass die spielenden aufgrund des fehlenden Risikos negativer Konsequenzen kognitiv „aussteigen“ können d.h. nicht pflichtbewusst fühlen.“ Ob letzteres auch für den AStA-Chef zutrifft sei dahingestellt, denn er spielt immerhin mit den Beiträgen der Studierendenschaft.

Am 10. Mai bekam Poddubnys Portfolio-Projekt auch eine Zusage vom StuPa. Mit dem „realitätsnahem Lernen durch aktives Handeln mit Wertpapieren“ können sich 36 ausgewählte Studierende nun auch noch einen Schein bei Prof. Peters holen. Eventuelle Gewinne sollen dann zu 50 % für „studienrelevante“ Reisen und Symposien verwendet werden. Den Rest bekommt der StuPa.

Das Projekt Reduziert die universitäre Forschung und Lehre auf ihren kapitalistischen gebrauchswert – äußert besorgt Antje. Und eine bessere Verinnerlichung ihres Konzeptes der Stiftungsuniversität durch einige Studierenden hätte sich wohl Viadrina-Präsidentin Gesine Schwan nicht träumen lassen.

Weiterführende Links:

Transparency International

Alltag der Gefälligkeiten - Korruption in Deutschland

Michal Stachura | 31.05.06 08:26 | Permalink

Kommentare

Vielleicht sollte ja auch der Leiter von Transparency International Peter Eigen daheim seiner "Kirsche" inhaltlich etas ausführlicher über seine Arbeit erzählen. :-)

Verfasst von: Der Transparente | 31.05.06 08:42

Es gibt gibt sicher Projekte an der Viadrina, die eher dem "klassischen" Verwendungszweck studentischer Gelder entsprochen hätten. Dies sind meiner Meinung nach Projekt, die nicht unter Marktbedingungen realisiert werden könnten, weil sie z.B. nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind.

Das dies nicht ganz vernachlässigt wurde beweisen die beiden weiteren ausgewählen Projekt: So wird auch ein von Studierenden betriebenes internationales Wohnheim und ein Künstlerisch-Musisches-Zentrum in Zukunft gefördert.

Wie alle anderen Projekt im Rahmen dieser Ausschreibung geht das Active Portfolio Projekt auf die Initiative von Studierenden zurück, wurde von einem demokratisch legitimierten Gremium (Studierendenparlament) ausgewählt und hat mehrere Nachbesserungszyklen durchlaufen.

Sowohl die Ausschreibung als auch die Antragstellung waren zu jedem Zeitpunkt transparent und öffentlich!!!

In einer so kleinen Uni lässt es sich aber nicht immer vermeiden, dass es Überschneidungen von Ämtern oder Interessen gibt, es kommt darauf an verantwortungsvoll damit umzugehen.

Auch ich bin und war gegen diesen Projekt. Die konzeptionelle Ausrichtung ist nicht konsequent. Erst die Beteiligung an Gewinn und Verlust schaffen realistische Rahmenbedingungen und damit den Unterschied zu einem Planspiel.

Der Punkt, der mich daran am meisten beunruhigt, ist der, dass seitens der universitären Gremien Dekanat, Verwaltung, Präsidium etc. nie öffentlich die Forderung nach der Einhaltung von ethischen, moralischen oder Umweltstandards geäußert wurde.

Ein kritische Auseinandersetzung hat nie stattgefunden. Ich hoffe darauf, das der betreuende Professor diese Fragen stellen wird. Wenn ich richtig informiert bin, wurde der Antrag erst nach der Selbstverpflichtung genehmigt, einen solchen Mindeststandard einzuhalten.

Ich kritisiere, dass dies weder auf die Initiative der Antragsteller, noch auf Initiative aller genannten Personen geschehen ist!!

Dabei wäre dies ein wirklich innovativer Beitrag, der sich nur in einer geschützten Umgebung, wie einer Uni umsetzen lässt:

Wir beweisen in unserem Projekt, dass eine ordentliche Rendite auch bei selbst auferlegten hohen ökologischen und ethischen Standards machbar ist!

Ich finde es aber ungerechtfertigt an dieser Stelle wiederholt auf Gesine Schwan zu verweisen und so den Eindruck zu erwecken, dass sie eine strategische Ausrichtung in diesem Sinne vorantreibe! Das ist wohl eher auf die persönliche Befangenheit des Autors zurückzuführen.

Mit freundlichen Grüssen,
Martin Beckmanns

Verfasst von: Martin Beckmanns | 31.05.06 14:47

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