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Brasiliens populäre Gangsta-Rapper propagieren sadistische Gewalt und die nationalen Verbrecherorganisationen

"Terror und Aktion wie Osama Bin Laden, Gegner köpfen, lebendig verbrennen"

Von Klaus Hart, Sao Paulo

Brasiliens mächtigste Verbrecherorganisation "Primeiro Comando da Capital"/PCC(Erstes Kommando der Hauptstadt), die im Mai eine Welle von Attentaten und Häftlingsrevolten auslöste, hat auch ihre Hauskomponisten und Musiker, die zumeist in Raps die Anschläge auf den Staat und seine Polizei, auf öffentliche Gebäude, Busse und Metro ebenso wie die Gangsterbosse verherrlichen, sich auf Osama Bin Laden und selbst die Taliban berufen. Detailliert geschildert werden zudem die häufigen bewaffneten Überfälle auf Autofahrer, die auf Straßen und Autobahnen der Städte gestoppt - und beim Versuch der Gegenwehr oder der Flucht gewöhnlich erschossen werden. Die Raps reflektieren zudem die Lage, das soziokulturelle Klima in den Unterschichtsvierteln. Überall in Brasiliens Großstädten werden die CDs mit den Gewalthymnen an Ständen der Straßenhändler für umgerechnet nicht einmal einen Euro verkauft.

Renatinho und Alemao(der Deutsche) aus Sao Paulo gelten als die beiden Hitmacher und wichtigsten Musikproduzenten des PCC. „Ich bin Terrorist, ich bin ein Taliban“, rappen sie auf einer ihrer populärsten CDs, in der beinahe in jedem Titel Bomben und Granaten explodieren, MG-Salven zu hören sind. „Unsere Terrororganisation ist der Staatsfeind Nummer Eins.“ In der Live-Version singt ihr Publikum lauthals mit. In Raps wie „Alta Voltagem“, Hochspannung, oder „Bonde dos Guerreiros“ wird das Vorgehen der PCC-Kommandos ausführlich beschrieben:
„Im Morgengrauen rücken wir aus, dann singt das MG/ Messer an die Kehle, Schuß ins Genick, Terror und Aktion,mancher Gegner wird geköpft/ Der Unterdrückte gegen die Unterdrückung/Wir glauben an Gott und Christus/ Krieger und Kriegerinnen sind furchtlos/Wir hacken Köpfe ab, stecken Gegner in die Mikrowelle...“ Damit ist eine der grauenhaftesten Hinrichtungsmethoden des organisierten Verbrechens gemeint, die Jugendliche selbst in brasilianischen Dokumentarfilmen ohne Hemmungen, lachend, als modernen Scheiterhaufen schilderten: Über das gefesselte Opfer werden Autoreifen gestapelt, diese werden mit Benzin übergossen und angezündet.
Auf einer PCC-Rap-CD wird das Verbrennen von Gegnern sogar zynisch als „Grillfest am Flußufer“ angekündigt: „Doch dieses Fleisch will niemand essen, weil es drittklassig ist, von üblen Figuren stammt – von diesem Fleisch würde einem schlecht...“

--moderne Waffen aus NATO-Staaten—

Im Straßenhandel Sao Paulos sind Tonträger mit Gangsta-Rap zwischen den Samba-oder Sertaneja-CDs nicht zu übersehen. Auf den Covern prangen schwerbewaffnete Gangster, Totenköpfe, Leichen, das World Trade Center von New York in Flammen, MGs, Granaten, Osama Bin Laden und die Initialen der nationalen Verbrechersyndikate. Auf einer neuen CD steht schwarz auf weißem Grund: „PCC – nur Terroristisches – live in Santos“. Gemeint ist Brasiliens wichtigste Hafenstadt bei Sao Paulo, wo der in Brasilien produzierte VW Fox, dazu Kaffee, Zuckerrohrschnaps und Obst nach Europa verschifft werden. Auch in den Slums von Santos veranstaltet der PCC jene berüchtigten, häufig machistisch-gewalttätigen Bailes Funk, Brasiliens Rap-und HipHop-Massenfeten, auf denen nicht selten gleich Tausende von tanzenden jungen Leuten die viehisch-rohen Gangsta-Raps mitgrölen, sich offen mit dem PCC identifizieren. Auf diesen Bailes Funk wurden die jüngsten Attentate gefeiert, stellten die Rapper wie stets das verwendete Waffenarsenal, das „Material belico“ heraus:

„Wir sind Soldaten, wir haben das deutsche G3-Maschinengewehr, aber auch Kalaschnikoffs, Granatwerfer, die israelische Uzi-Mpi, das schweizerische Sig-Sauer-Sturmgewehr, nordamerikanische M-16-MGs und österreichische Glock-Pistolen, Handgranaten aus Argentinien/ Ja, wir sind finstere Typen, richtige Banditen/ Wir machen Terror wie in Bagdad, ganz im Stile Bin Ladens, halten auf die Würmer feste drauf/ Wir sind Falken, immer wach/ Her mit einem deutschen G-3 und einem vollen Magazin...“

Mit Würmern, Vermes, sind stets die Polizisten gemeint.

Eine schwarze Menschenrechtsanwältin Rio de Janeiros kennt einen Zeugen, dem zufolge inmitten von Bailes Funk Jugendliche der Zuckerhutstadt den Feuertod starben. Fotos verkohlter Opfer werden von Zeitungen Rios beinahe täglich veröffentlicht. Gruppen junger Männer haben nach Bailes Funk wiederholt Bettler verbrannt.

Rivalisierende Gangsterorganisationen wie das Terceiro Comando (Drittes Kommando) werden in den Raps ebenso wie deren Bosse beschimpft. Die Chefs gewöhnlich als „Schwule“, deren Milizen obszön nicht selten als „Pau no Cù“.

--Ivete-Sangalo-Hit als Gangsta-Hymne—

Zur Fußball-Weltmeisterschaft singt Ivete Sangalo in Berlin und anderen deutschen Städten ihren „Festa“-Hit. Die Gangsta-Rapper der Banditensyndikate haben für die Bailes Funk in ganz Brasilien längst eine Version mit anderem Text produziert:“E vai rolar a guerra, wir mähen alle nieder...“

Daß der rund 640000 Mitglieder zählende PCC mit Sitz in Sao Paulo seit Jahren mit Brasiliens zweitwichtigster Verbrecherorganisation, dem Roten Kommando, Comando Vermelho, aus Rio de Janeiro zusammenarbeitet, erfährt man auch aus den Gangsta-Raps. PCC und Comando Vermelho kooperieren im Drogengeschäft, bei Entführungen, Überfällen auf Banken und Geldtransporter – und natürlich borgt man sich bei Bedarf spezielle Waffen aus, feiert in zahlreichen Raps die Bluts-und Waffenbrüderschaft.

Brasiliens Gangstersyndikate beherrschen die Slums neofeudal wie einen Parallelstaat, terrorisieren die Bewohner – in zahlreichen Gewalthymnen werden die entsprechenden Armenviertel von Rio und Sao Paulo aufgezählt, die jeweiligen Banditenbosse ausdrücklich gewürdigt. „Nos comandamos as favelas...“ Slums wie Rocinha, Mangueira, Vila Ideal, Turano, Borel, Formiga oder Pantanal sind ebenso dabei wie jene Cidade de Deus, Gottesstadt, von der jener auch in Deutschland gezeigte Spielfilm „City of God“, nach dem Buch von Paulo Lins, handelt. Slumradios spielen auf Wunsch von inhaftierten PCC-Mitgliedern besonders oft einen Rap über die grauenhafte Lage in den Gefängnissen, in dem sogar ein Hit des bekannten brasilianischen Popsängers Jorge Ben Jor zitiert wird:“Unsere Stunde kommt, wir wollen die Freiheit, wollen hier raus, denn das Leben im Knast ist furchtbar...“

Warum identifizieren sich so viele junge Brasilianer auch per Gangsta-Rap mit dem organisierten Verbrechen? „Da das Gesellschaftssystem kalt und berechnend ist, grausam mit den Verlierern, dazu hierarchisch, machistisch und autoritär“, so der Anthropologe Luiz Eduardo Soares, „reproduzieren jene Jungen, die beim Verbrechen mitmachen, dieses System exakt so wie in der Gründerzeit des wilden, kolonialen Kapitalismus.“ Ihre Gewalthymnen dokumentierten das „Inferno unseres alltäglichen Krieges“, die Spaltung der Gesellschaft, die perversen Sozialkontraste.


Klaus | 25.05.06 01:52 | Permalink

Kommentare

Hallo Leute

Die Ivete ist wirklich ein Superstar. Letzte Woche hat sie fast einen Grammy Latino in New York bekommen. In Brasilien bestreitet sie jede Woche 2..3 Konzerte und füllt spielend die Stadien. Auch am Karneval in Salvador ist sie eine der Hauptattraktionen.

Hier ein paar Bilder von ihrem Konzert in Zürich dieses Jahr:
http://www.inbrasilien.de/blog/2006/06/17/bilder-ivete-sangalo/
und noch mehr hier:
http://www.inbrasilien.de/Brasil_Konzerte/Brasil_Konzerte/Bilder-Ivete-Sangalo/

Verfasst von: Brasilien | 08.11.06 07:46

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