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Das Geheimnis der Manhattan Trust Bank

Neuer Spike-Lee-Film: “Inside Man”
(für www.ostblog.de von Angelika Nguyen)

Es beginnt wie ein klassischer Genrefilm: Gestalten in weißen Overalls werden in den Straßen Manhattans von einem verdächtigen Firmen-Kleinbus eingesammelt und haben allerlei Gerät bei sich. Ziel ist die Manhattan Trust Bank, wo es dann auch schnell zur Sache geht. Tränengas, “Hände auf den Boden”-Schreie, Geiselnahme. Tempo und Verhalten der Gangster zeigen, dass es ihnen ernst ist. Angst und Schrecken garantiert.

Dann rückt Denzel Washington an, der bewährte Film-Cop: alles im grünen Blockbuster-Bereich. Doch das hier ist ein Spike-Lee-Joint. Also kann man sich schon auf Überraschungen freuen.

Lee schafft die konfektionierte Ausgangsituation eines Actionfilms, um uns dann in so ziemlich allem zu täuschen. Dabei erzählt er nicht geradlinig, sondern springt zwischen Zeiten und Orten umher, Puzzleteile, die sich erst allmählich zusammenfügen.

“Inside Man” wurde Spike Lees konventionellster Film genannt. Fast, als hätte er Verrat begangen an der schwarzen Sache. Lee, Liebling des amerikanischen Independentkinos im Allgemeinen und der schwarzen Emanzipationsbewegung im Besonderen, ist sich jedoch auch hier treu geblieben. Nur eben subtiler, im Spiel mit dem Genre Bankräuber- und Gendarmfilm.

Wenn Clive Owen, in einer Zelle sitzend, am Anfang des Films in die Kamera sagt: “Ich habe den perfekten Bankraub begangen.” ahnt man nicht, dass auch das nur Tarnung ist. In Wirklichkeit geht es um eine Mission, die weit in die Vergangenheit reicht.

Lees Sensibilität für Minderheiten und sein gleichzeitiger liebevoller Spott, sein enorm politischer Blick auf noch so kleine soziale Interaktionen bestimmen die Atmosphäre des Films. Als die vermummten Gangster alle Geiseln zwingen wollen, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, weigert sich eine ältere Frau mit blondierten Haaren. Sie ruft weinend: “Warum macht ihr das, seid ihr meschugge?” Da blitzt mit einem einzigen jiddischen Wort der Völkermord an den europäischen Juden auf. Doch diese Bankräuber wollen keine Gewalt. So überrascht Clive Owen, dass er das blutige Gameboy-Spiel des achtjährigen Jungen wegen der Gewalt verachtet. So entdeckt Denzel Washington, dass nicht die Polizei die Geiselnehmer hinhält, sondern umgekehrt. Das machen nur welche, die nicht morden wollen. Aber dann erschießen sie eine Geisel vor laufender Kamera. Denzel Washington hat hier seine große Szene, er stürzt zum Eingang, wo die ihn nicht reinlassen. Hilflos steht er davor, wütend, den Tränen nahe.
Was wollen die Gangster?

Spike Lee, Wegbereiter des New Black Cinema, hätte diesen Film nicht gemacht, wenn es nur um Bankraub ginge. Wieder nimmt er uns mit auf eine Reise mit ungewöhnlichen überraschenden Perspektiven. Der Entdecker von Rosie Perez und Denzel Washington hat einen spannenden politischen Film gemacht, der sich als Actionfilm verkleidet. Miriams Weigerung, sich auszuziehen, ist genauso eine Variation von Lees Thema wie der protestierende Sikh, der statt den Polizisten zu antworten nach seinem Turban verlangt, den sie ihm vom Kopf gerissen haben. Überall würde er diskriminiert. Denzel Washington, der schwarze Detective, antwortet: “Na wenigstens kriegen Sie immer ein Taxi” und da muss sogar der geplagte Sikh grinsen.

Selbst kleinste Rollen wie die Mitarbeiterin in der Einsatzzentrale oder der kleine Junge oder die Albanerin mit ihren Strafzetteln sind eindringlich besetzt. Lee hat einen Blick für starke Physiognomien. Seine Liebe gehört den Schauspielerinnen und Schauspielern, den Gesichtern auf den Straßen New Yorks. Sein Denken betrifft die ganze Welt. Einmal hören die Cops durch die Wanzen in der besetzten Bank eine Sprache, die niemand von ihnen kennt. Ratlose Gesichter, da ruft Washington: “Stellt das mal laut für die Straße. Wir sind in New York, irgendjemand da draußen wird das schon verstehen.”
Genauso war es.

A.S.H. | 31.03.06 10:52 | Permalink