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Weg mit der Synagoge! - Der gewöhnliche polnische Faschismus

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Fot. Tomasz Kaminski / AG

Der Rechtsextremist Marcin Libicki, Europa-Parlaments-Abgeordneter der in Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), forderte in einem gestern in der größten polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" veröffentlichen Artikel unter dem Titel "Man muss es abkaufen, man kann es niederreißen" ("Trzeba odkupić, można wyburzyć") das man die Synagoge in Poznan niederreißt und die lokale Verwaltung das Terrain "wirtschaftlicher" gestaltet.

In dem Artikel versucht Libicki zu beweisen, dass das 1907 errichtete Gebäude ein Mittel des preußischen Kulturkampfes gewesen ist, und das Ziel verfolgte "die polnischen und katholischen Einflüsse in der Stadt zu schmälern". Da das Gebäude jetzt "ohne Wert" ist, schlägt der Abgeordnete vor, dass die Stadt Poznan es abkaufen soll. "Das Gelände (...) könnte man nach dem eventuellen Niederriss (...) des Gebäudes, gemäß den Projekten zur Widererrichtung der Stadtmauern und anderer Pläne zur Revitalisierung dieses Teiles der Altstadt nutzen."

Ende vergangener Woche wandte sich die jüdische Gemeinde in Poznan an die Stadtverwaltung mit der Bitte um Unterstützung bei ihren Bemühungen EU-Gelder für die Sanierung der Synagoge in der ul. Stawna zu bekommen sowie um Hilfe bei der geplanten Errichtung eines Zentrums des Judaismus und der Toleranz. Der Vorschlag führte zu Diskussionen, die in der Gazeta Wyborcza ausgetragen wurden. In diesem Zusammenhang konnte auch Libicki seinen Artikel mit seiner Vision der Nutzung des Geländes veröffentlichen. Die ganze Geschichte bewist einmal mehr wie selektiv die rechtsextremistische Bedrohung durch die neoliberale Gazeta Wyborcza wahrgenommen wird. In Vergangenheit druckte das Blatt, das sich in dem Besitz des Copyright für "aufgeklärtes Denken" und die Aufdeckung von "Antisemitismus" glaubt auch Artikel des rechten Senators Niesiolowski . Stefan Niesiolowski (derzeit umgetauft zum Mitglied der neoliberalen Platforma Obywatelska PO) war führender Politiker der Christlich-Nationalen Vereinigung (Zjednoczenie Chrzesciansko-Narodowe/ZChN) und sah die Verdienste des polnsichen Vorkriegs-Faschisten Roman Dmowski in der Herausbildung einer neuen Form des Patriotismus. Als 2001 der damlige Präsident Kwaśniewski sich für den bestialischen Mord an 1600 Juden am 10. Juli 1941 in Jedwabne - aus den Händen ihrer polnsichen Nachbarn- entschuldigte, kommentierte dies Niesiolowski verwundert und setzte die Juden als vermeintliche Kommunisten mit Volksdeutschen Kollaborateuren gleich. So versuchte er ihre Selbstverschuldung an der eigenen Ermordung zu belegen und das Pogrom in Jedwabne als berechtigte Gegewehr der Polen gegen sowjetische Besatzer (die das Gebiet zuvor unter Kontrolle hatten) auszulegen: "Es stellt sich die Frage warum so deutlich, ausdrücklich und unzweideutig sich [Aleksander Kwaśniewski] nicht für die Verbrechen des Kommunismus entschuldigt hatte".

Libicki war führender Politiker der im Frühjahr 1995 gegründeten ultra-antisemitischen und rassistischen Partei Prawica Narodowa (Nationale Rechte), die sich bei ihrer Gründung ein Vorbild an der französischen Front National nehmen wollte. Prawica Narodowa war Bestandteil des damaligen Solidarnosc-Wahlbündnisses AWS deren Chef Krzysztof Kawecki gewesen ist. Sie pflegte besondere Kontakte zu Le Pen in Frankreich. In Lublin demonstrierte diese Partei kurz vor den damaligen Präsidentschaftswahlen gegen Staatspräsidenten Kwaśniewski, indem sie eine Strohpuppe Kwaśniewskis mit seinem vermeintlich echten jüdischen Namen "Stolzman" und einem Davidstern versah und anschließend verbrannte. Kawecki stieg nach dem Wahlsieg der AWS zum Parlament im Jahre 1997 zum Berater des Bildungsministers auf. Marcin Libicki wurde Vorsitzender der polnischen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Ein anderes ranghohes Mitglied der PN Marek Biernacki wurde 2000 Minister für Innere Angelegenheiten.

In der Ideendeklaration der Prawica Narodowa vom Juni 1995 bekennen sich die Autoren im Bewusstsein, „dass die im öffentlichem Leben agierenden Politiker vor der falschen, demokratischen Religion der Menschenrechte niederknien“, „des religiösen, moralischen und patriotischen Verfalls aufgrund des demokratischen Regimes“ und „der linken Gangrena“ zu einer traditionalistisch-konservativen Vereinigung, die sich zum Ziel „den Wiederaufbau der Nation Polen und der Mitgestaltung eines neuen heiligen Kaiserreich souveräner Nationalstaaten in Europa“ zum Ziel macht; dies vor allem, „um sich vor dem Eroberungszug fremder Zivilisationen zu schützen“. Weitere Abschnitte aus der Ideendeklaration über die Rolle der „arischen Völker“, Gleichheit und Demokratie („primitive Staatsverfassung, die die natürliche hierarchisch geordnete Gesellschaftsordnung zerstört“) erspare ich den LeserInnen. Polen ist Europas Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Autoren der Ideendeklaration sitzen nicht im Knast sondern im Europäischen Parlament, den solches Denken wird in Polen honoriert und nicht therapiert.

Im November 2005 ist Marcin Libicki vor demselben Hintergrund seiner judenfeindlichen Grundhaltung tätig geworden als er das Los Angeles Museum für Toleranz des Simon Wiesenthal Centers bei der Poznaner Staatsanwaltschaft angezeigt hatte, weil das Zentrum auf seiner Homepage angeblich „historische Ungenauigkeiten“ verbreitet.

Seine humanitäre Sympathie für Völkermörder führte Libicki 2001 soweit, dass er - für den der Beteiligung am Völkermord vorläufig festgenommenen (seit dem 5.02.01 rechtskräftig durch das Posener Appelationsgericht für 8 Jahre Freiheitsentziehung verurteilten) Henryk Mania - eine Bürgschaft einlegte um diesen aus der Untersuchungshaft zu holen: "Ich wurde lediglich durch humanitäre Gründe geleitet. Ein 78-Jähriger Man mit stablisierten Leben und festem Wohnsitz wird nicht vor der Justiz fliehen" (Fundquelle: Grupa Anty Nazi Sochaczew). Mania hat vom 8.12.1941 bis 7.4.1943 aktiv mitgeholfen in dem Konzentrationslager Chelmno Juden zu vergasen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mania als letzter Überlebender einer Achtköpfigen Tätergruppe jüdische Häftlinge mit einer Peitsche schlug, ihnen Kleidung und Kostbarkeiten abnahm und sie dann in die dafür eigens konstruierten LKW's zum Vergasen hineinführte. Das Verfahren war eines der ersten, das durch das neugeschaffene Institut der Nationalen Erinnerung (IPN) eingeleitet wurde.

Der "Sauberman" Libicki, bezeichnet sich selbst als konservativen Integristen und ist stolz auf seine monarchistischen Sympathien. Diese stellen für ihn eine Anerkennung für die "zahlreichen geistigen Errungenschaften der Monarchien in der Geschichte Europas" dar, kann man auf der Seite des polnischen Episkopates lesen.

Bereits 1988 wurde in Polen der antisemitische Monarchistisch-Konservative Klub gegründet zu dessen Mitgliedern auch Libicki gehört: „ Im Bewusstsein der Widergeburt der konservativen Werte, der Chancen die diese mit sich bringen, haben wir beschlossen uns im Monarchistisch-Konservativen Klub zusammenzuschließen. Es verbindet uns die Achtung für das menschliche Individuum, Religion, Ethik, Tradition und Autorität vor dem Eigentum und der Achtung vor dem Gesetzt als auch die Ablehnung der Revolution". Mit dem Klub sind außer Marcin Libicki auch die Abgeordneten Artur Zawisza, Marek Jurek und Halina Nowina Konopczyna aus der Liga der Polnischen Familien verbunden. Die MitgliederInnen sehen sich als elitäre politische Gruppe die theologisch aber eher den Traditionalisten der Bruderschaft von Pius XI nahe stehen.

Mehr Infos:

Die Grenze Brennt - telegraph 104

Rechte Offensive in Polen - telegraph 102/103

Michal Stachura | 13.01.06 11:46 | Permalink