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Wolokololamsker Chaussee I-V ...

...in der Studiobühne des Maxim-Gorki-Theater

Die Straße führt aus Morkau heraus in westlicher Richtung und wer ihr folgt, landet direkt in Berlin. Sie ist praktisch die Verlängerung der Karl-Marx-Allee und Heiner Müller wählte sie analog zum Weg der sowjetischen Panzer als Titel für eines seiner letzten großen Stücke, in dem er von 1983 bis 1989 in fünf Akten sein Verhältnis zum Sozialismus in der DDR niederlegte – klarer, deutlicher aber deshalb nicht weniger komplex als in seinen anderen Stücken. Wer den politischen Heiner Müller sucht, findet ihn komprimiert in diesem Stück.

Aus diesem Material haben Schauspieler Mathias Merten und Jens-Uwe Bogadtke, für den diese Arbeit die Premiere als Regisseur darstellt, nach 3 Monaten Probezeit ein Ein-Mann-Stück gegossen, das gestern im Gorki-Theater Premiere hatte.
Beeindruckend ist zunächst die Sicherheit, mit der Schauspieler Mathias Merten zwei Stunden lang Text beherrscht. Wirklich sehenswert aber ist seine Leistung, verschiedenste Rollen zu differenzieren. Bereits die „Russische Eröffnung“ gibt eine Vorahnung auf den Verlauf des Abends: in einem Wald 120 km vor Moskau steht ein Batallionskommandeur der Roten Armee vor der Herausforderung, angesichts der übermächtigen Wehrmacht die Disziplin mit der Hinrichtung eines Feiglings aufrecht erhalten zu müssen. Offizier, Soldaten und Deserteur – gespielt von einer Person.
Bis zur fünften Szene, der Findling, einer Auseinandersetzung um die DDR zwischen Vater (SED-Mitglied) und seinem Adoptivsohn (Bautzen Häftling), steigert sich Merten in ein emotionales Trommelfeuer - ohne dass Verständlichkeit und Figuren Schaden nehmen.

Für Regie-Neuling Bogadtke stand im Vordergrund, die Einzelpersonen emotional herauszuarbeiten. Dass auch Müller-unkundige Zuschauer an diesem Abend den Überblick behalten zwischen 1941 und 1983, den verschiedensten Akteuren und Schauplätzen, kann als Beleg dafür angesehen werden, dass die beiden ihr Ziel erreicht haben.
Unterstützt wird die schauspielerische Leistung von einem sparsamen Video- und Sound-Einsatz. Eine Schwierigkeit für Schauspieler und Regisseur dürfte gewesen sein, ein Stück zu proben, ohne das Bühnenbild oder den Bühnenraum zu kennen. Denn dass das Stück im Rahmen von der Reihe „Glaube II: Der Zukunft zugewandt“ für das Jahr 1983 eingesetzt wird, war eher dem Zufall zu verdanken. Schauspieler Mathias Merten hatte nach einer Solo-Arbeit begonnen, an dem Stoff zu arbeiten und die Organisatoren von „Glaube II“ waren erst darauf aufmerksam geworden, als die Proben zur dritten Szene bereits liefen. Da man sich an der Studiobühne des Gorki-Theaters die Regel auferlegt hat, jedes der über 40 Stücke nur zwei Tage zu Proben, nimmt Wolokolamsker Chaussee in dieser Hinsicht eine besondere Rolle ein.

Aufgrund des engen Spielplanes wurde das Stück, wie alle anderen in der Reihe, nur zweimal aufgeführt. Allerdings soll es bereits eine Zusage des Hauses geben, das Stück nach Ablauf von „Glaube II: Der Zukunft zugewandt“ ab Mitte April weiter zu spielen. Darüberhinaus besteht aktuell die Möglichkeit den Müller-Abend im Maxim-Gorki-Theater mit der Inszenierung durch einen namenhaften Heiner-Müller-Regisseur zu vergleichen: am Deutschen Theater läuft gegenwärtig das Stück Germania.Texte, inszeniert Dimiter Gotscheff in das die 5. Szene der Wolokolamsker Chaussee ebenfalls eingearbeitet ist.

Den nächste Höhepunkt in der DDR-Reihe des Gorki-Theaters dürfte übrigens die Inszenierung für das Jahr 1976 - „VOR DEN VÄTERN STERBEN DIE SÖHNE“ von THOMAS BRASCH - am 11.02.2005 bieten.
Karten sind nur an der Abendkasse erhältlich und da es keine Platzkarten gibt, gilt: Rechtzeitiges Erscheinen sichert die besseren Plätze.

| 08.02.05 16:36 | Permalink