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Neu akzentuiertes Ost-West-Gefälle

Aus einer Analyse der Ergebnissen des Vermittlungsausschusses von Winfried Wolf:
"Unter Rot-Grün wurde die fatale Ost-West-Kluft zementiert und zum Teil vergrößert. Die Arbeitslosenquote in den "neuen Ländern” liegt beim 2,15fachen der westdeutschen Quote: im Westen bei 8,1%, im Osten bei 17,4% (November 2003). Das Einkommensniveau je Haushalt liegt im Osten bei rund vier Fünftel des westlichen. Die Ost-West-Abwanderung ist weiter hoch; seit 1998 gab es im Osten einen Bevölkerungsverlust von 500.000 Menschen; seit 1990 von 3 Millionen. Weiter pendeln mehr als eine halbe Million Menschen: Wohnsitz Ost, Arbeit im Westen. Das Lohngefälle wird durch eine staatlich unterstützte Investitionspolitik gezielt genutzt ­ mit Investitionen in hochproduktive "Inseln”. Netto entstehen dabei keine neuen Jobs. Auf die neu angekündigte Großinvestition in ein Halbleiterwerk in Dresden folgte die Woche danach das Aus für eine Chip-Fabrik in Frankfurt/Oder. Oder in gesamt-ostdeutschen Zahlen: 1998 wies die Statistik hier noch 5,982 Millionen Erwerbstätige aus, 2002 waren es 5,740 Millionen; 2003 werden es erstmals seit der Wende weniger als 5,7 Millionen sein (trotz des ­ eingerechneten - Booms von Neugründern und Ich-AGs).

Es ist bezeichnend für den eisernen Willen von Regierung und Kapital, diese Drift systematisch auszubeuten, daß selbst das neue Arbeitslosengeld II, dessen Niveau schlicht mit Verelendung und massenhafter Armut verbunden ist, noch fein säuberlich differenziert ­ nach 297 Euro pro Person im Westen bzw. 285 Euro je Person im Osten. Die EU-Osterweiterung wird ab 2004 das Ost-West-Gefälle verstärken. Der neue Groß-Anschluß, demgegenüber die Auswirkungen des Anschlusses 1990 wie ein putziges Vorspiel wirken könnten, wird binnen weniger Jahre Millionen Menschen zusätzlich um ihren Broterwerb bringen und diese zum Lohndumping und oftmals zum Pendeln zu Arbeitsstätten im Westen zwingen. Dies wird sich zunächst vor allem in den neuen Bundesländern negativ auswirken.

Als im Sommer 2003 die IG Metall erstmals seit langer Zeit einen Streik verlor, da war dies ein Streik im Osten ­ mit der Zielsetzung der Angleichung der Osteinkommen an das westliche Niveau. Die Niederlage ist charakteristisch ­ für die Gefahr, daß die soziale Spaltung in der Geographie die allgemeine soziale Spaltung zwischen oben und unten überdeckt und in eine Spaltung der Arbeiterbewegung und der antikapitalistischen Gegenkräfte umschlägt. Schon werden im Osten nur noch rund 50 Prozent der Lohnabhängigen-Beschäftigungsverhältnisse von einem Flächentarifvertrag geregelt. Die "Öffnungsklauseln” in allen Tarifverträgen, zu der die Große Neoliberale Koalition die Gewerkschaften mit dem Vermittlungsausschuss-Ergebnis zwingen will, ist längst flächendeckend existent: In Deutschland einig Kapitalland ist der Osten eine einzige Öffnungsklausel. "

Quelle und ausführlicher Beitrag: Neoliberale Sturzgeburt, von Winfried Wolf

A.S.H. | 22.12.03 09:26 | Permalink