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Der Gejagte

The Company You Keep – die Akte Grant, Hauptrolle & Regie: Robert Redford

Von Angelika Nguyen

Er läuft immer noch genauso wie früher, und auf dem Filmplakat wirkt seine weglaufende Gestalt geradezu jungenhaft. Laufen hält fit. Robert Redford ist schon viel um sein Leben gerannt. 1969 war er auf der Flucht vor bolivianischem Militär (“Butch Cassidy & The Sundance Kid”), 1973 vor dem Mafiaboss Lonnegan (“Der Clou”), 1975 vor FBI und CIA (“Drei Tage des Condor”) und ein Jahr später vor Mitarbeitern von Richard Nixon (“Alle Männer des Präsidenten”). Die Figur des Gejagten war Robert Redfords Spezialität, damit ist er berühmt geworden. Das, obwohl Redford als einer der schönsten Männer Hollywoods auch eine Menge romantisches Potential besaß.

Heute ist Robert Redford 76 Jahre alt. Er hat wieder einen Film gemacht, in dem Genre, in dem er zu Hause ist: einen Politthriller. Aber die Zeiten haben sich geändert. Sein Jim Grant alias Sloan geht hier den umgekehrten Weg: er will endlich Ruhe finden im Privaten. Macht sich keine Illusionen mehr über politischen Protest, Weggefährten, Kampfgemeinschaft. In Zeiten von Drohnen und NSA-Skandal hat Redford hier nichts mehr aufzudecken, nur noch die eigene Unschuld. Als ehemaliger Aktivist gegen den Vietnamkrieg wird Jim Grant wegen Mordes gesucht, aber er will beweisen, dass er es nicht getan hat. Er, immerhin renommierter Menschenrechtsanwalt, läuft durch nächtliche Straßen und abgeschiedene Wälder nicht länger für eine bessere Welt, sondern einzig, um heimkehren zu können zu seiner 12 Jahre alten Tochter Isabel.

Sein Gegenspieler ist der junge Lokalreporter Shepard, gespielt von dem 27 jährigen Shia LaBoeuf . Die Shepard-Figur liest sich wie eine postmoderne Version der beiden Watergate-Journalisten in “Alle Männer des Präsidenten”: die Leidenschaft ist dahin, eine gewisse Wärme auch. Shepard ist nüchtern, sein Puls normal. Von eher ruhigem Temperament, verfällt Shepard nicht ein einziges Mal in Laufschritt, scheinbar unbewegt spürt er ein paar brisante Geheimnisse auf. Man sieht ihn nicht kommen, er ist immer schon da. Die Laptop-Tasche quer über der Brust, wirkt Shepard eher charakterlich penetrant als investigativ besessen.

Der Film beginnt vielversprechend mit Susan Sarandon, die mit hängenden Armen in ihrer geräumigen amerikanischen Küche am Abwaschtisch steht. Dann verlässt sie das Haus, wird plötzlich an der nächsten Tankstelle vom FBI verhaftet; wie sich herausstellt, wegen des tödlichen Banküberfalls von vor 30 Jahren. Danach sehen wir kaum noch etwas von ihr. Sarandon, die große Schauspielerin, fungiert nur als Intro für Redfords großen Auftritt. In einer Art Roadmovie trifft Redford dann ehemalige Mitstreiter der Weather-Underground-Gruppe und findet sie alle zurückgezogen in eine unauffällige bürgerliche Existenz. Eine Auseinandersetzung mit der historischen Weather-Gruppe, die mit Anschlägen gegen heute anerkannte Verbrechen wie rassistische Morde und Vietnamkrieg protestierte, findet nicht statt. Das ehemalige Zusammengehörigkeitsgefühl ist einer entschlossen geschützten Privatheit, auch voreinander, gewichen. Die Revolte ist in die Hörsäle der Unis verlegt. “Die Geschichte wird von Menschen gemacht,” doziert ein ehemaliger Kumpel von Jim Grant vor lauschenden Studierenden.
Schemenhaft bleibt die Verstrickung der ehemaligen Antikriegs-Aktivisten in die Tat von damals, einen (fiktiven) Mord, und eine Rekonstruktion des Banküberfalls bleibt gänzlich aus, seltsam gleichgültig geraten selbst schicksalhafte Begegnungen wie die zwischen Jim Grant und den Adoptionseltern seiner anderen Tochter oder das seltsame Rendezvous des ehemaligen Liebespaares Grant und Mimi Lurie.

Es gibt keine großen Gefühle mehr.

Dafür einige Rechenfehler. Angeblich liegen die Aktivitäten der Kriegsgegner 30 Jahre zurück. Der Vietnamkrieg endete offiziell 1975, das macht 38 Jahre, eher über 40, wenn man davon ausgeht, dass die Proteste zur Hochzeit des Krieges stattfanden. Überhaupt verrechnet sich der Film manchmal, wenn es darum geht, Robert Redford jünger zu machen. Die Tochter zum Beispiel, um deren Behütung sich Grants ganze noch verbliebene emotionale Energie dreht, ist 12 Jahre alt, jung genug, um Grants Enkelin zu sein. Dabei hätte man Redford gern auch mal die Rolle des allein erziehenden Großvaters verkörpern sehen, aber nein, es muss die Tochter sein. Der Film lässt eine ganze Generation weg. Nur die Kamera lässt sich nicht betrügen.

Man wird nicht jünger.

Das wird dem Gejagten wohl in der Szene bewusst, als er in den Wäldern innehält und sich einholen lässt von der Bundespolizei. Schwer atmend gegen einen Baum gelehnt, hat Jim Grant unser Mitleid. Daraus hätte eine große Szene werden können. Was aber hier Redford gänzlich fehlt, ist Selbstironie, schon das kleinste Augenzwinkern wäre erlösend von dem schrecklichen Ernst, mit dem er seine Figur nach Hause führen will.

Gejagt ist der Star vielleicht trotz aller beruflicher und politischer Independence auch vom Jugendwahn in Hollywood, das er nach eigenen Angaben nicht ausstehen kann. Schneeweiße Porzellanzähne, die immerblonde Mähne und übertriebene Fitness bezeugen auch eine Art Gehetztsein.

Redfords Identität stimmt hier irgendwie nicht. Was er versucht - als Vater und Mentor der kleinen Isabel zu fungieren - gelang ihm besser 2001 in “Spy-Game” gegenüber Brad Pitt oder in seinem letzten großen gesellschaftskritischen Politfilm “Löwen und Lämmer” 2007 gegenüber Andrew Garfield. Da hatte er Größe. Die fehlt hier.

A.S.H. | 29.07.13 18:22 | Permalink