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Gedenktafel erinnert an von Neonazis ermordeten Obdachlosen

Emil_Wendland.jpg Mit einer Kundgebung am Neuruppiner (Nordbrandenburg) Denkmal der Opfer des Faschismus im Rosengarten, erinnerten am 1. Juli 2012 Neuruppiner Antifaschisten an die Ermordung des Obdachlosen Emil Wendland. Dieser wurde am 1. Juli 1992 im Rosengarten von einer Gruppe Neonazis erst zusammengeschlagen und dann ermordet.

Der ehemalige Lehrer lebte zu DDR-Zeiten in der Neuruppiner Schifferstraße. Schon damals war er alkoholkrank, entsprach aber nicht dem vorherrschenden Bild eines Obdachlosen. So soll er stets peinlich auf Sauberkeit geachtet haben. An 1. Juli 1992 schlief Emil Wendland auf einer Parkbank im Rosengarten. Das wurde ihm zu Verhängnis.

Auf der Suche nach einem „Opfer" stieß eine Gruppe Neonazis auf den schlafenden Wendland. Als dieser auf Beleidigungen nicht reagierte, griffen sie ihn mit Fäusten an und zerschlugen eine Bierflasche an seinem Kopf. Vermutlich war Wendland dadurch bewusstlos. Nachdem sich die Gruppe entfernt hatte, ging einer der Täter zurück und stach sieben Mal mit einem 18cm langen „Kampfmesser" in den Oberkörper des wehrlosen Wendlands.

Die Mörder wurden zwei Tage später fest genommen und wegen Totschlag zu 3 und 7 Jahren Jugendhaft verurteilt. Dabei ist bis heute nicht ganz klar, ob der für die Stiche verurteilte vermeintliche Haupttäter tatsächlich die Tat verübt hat.

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Anlässlich des 20 Jahrestages der Ermordung erwirkten die Antifaschisten von der Stadt Neuruppin, dass am Ort der Tat eine Gedenktafel aufgestellt werden konnte. Diese wurde feierlich eigeweiht. Mit einfühlsamen und ehrlichen Worten, fern jeder Glorifizierung, näherten sich zwei Neuruppiner Antifaschistinnen mit ihrem Redebeitrag der Person Emil Wendland:

09-emil-wendland.jpg "Wir wissen nicht viel über ihn. Der Mord an ihm war rasch vergessen. Zu schnell war die Abfolge neuer (neo-)faschistischer Gewalt, wie etwa der Pogrom in Rostock/Lichtenhagen im August 1992. Wir können nur versuchen, aus den Fragmenten unserer Recherche ein ungenaues Bild von ihm zu zeichnen. Emil Wendland soll kein Märtyrer werden - wir wissen nicht, ob er ein angenehmer Mensch war oder vielleicht auch nicht. Das ist aber auch nicht wichtig, denn es geht darum ihm einen Teil seiner Menschlichkeit zurückzugeben, den ihm seine Mörder nahmen."

In einem zweiten Redebeitrag ging eine Vertreterin der Opferperspektive Brandenburg ausführlich auf die rassistischen und faschistischen Mordtaten in Land Brandenburg ein und kritisierte die mangelnde Bereitschaft von Bund und Landesregierung, gerecht und angemessen mit diesen Taten, sowie den Opfern umzugehen. Nicht selten wird geraden den Opfern von faschistischer Gewalt die nötige Unterstützung und der gebührende Respekt verweigert:
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"Wohnungslose Personen und sozial Randständige sind neben MigrantInnen und alternativen Jugendlichen die größte Gruppe von Opfern rechter Gewalt in der Bundesrepublik. Von den insgesamt 27 Todesopfern rechter Gewalt, die der Verein Opfer seit 1990 in Brandenburg dokumentiert hat, sind allein 9 Taten aus sozialdarwinistischen Motiven begangen worden. Lediglich drei Fälle sind bisher von der Landesregierung als rechte Tötungsdelikte anerkannt. Obwohl es seit 2001 eine ganz klare Handhabe für die Dokumentation solcher Morde gibt. Übergriffe gegen Obdachlose sollen als politisch motivierte Kriminalität gewertet werden, wenn kein anderes eindeutiges Tatmotiv erkennbar ist.
Das Land Brandenburg hat bisher auch Emil Wendland die Anerkennung verweigert!"

Aber auch die Bundesregierung weigert sich, den Mord an Emil Wendland als politisch motivierte Tat anzuerkennen. Dabei stand Wendland bis bis Mitte der 90er Jahre auf der Liste der Bundesregierung. Dort wurde er aber, ohne jede Angabe von Gründen, wieder entfernt. Bis heute.

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Und selbst die Stadt Neuruppin wollte zunächst nichts von Emil Wendland wissen. Und so dauerte es 20 Jahre, bis eine Antifaschistische Initiative die Errichtung der Gedenktafel durchsetzte. Brisant ist auch, das die Stadt die Einweihung der Gedenktafel kurzfristig und ohne Absprache mit den Initiatoren auf Freitag, den 29.6.2012 vorverlegt. Angeblich aus Terminproblemen. Die Antifa, die zu diesem Zeitpunkt bereits den 1.7.2012 breit angekündigt hatte, bestand weiter auf diesen Termin und erschien demonstrativ nicht zur Veranstaltung am 29.6.2012. Der Stadt kam dies offensichtlich sehr gelegen. So konnte sie ihre Distanz zum Linksautonomen Spektrum des JWZ Mittendrin bewahren und die Errichtung der Gedenktafel für sich vereinnahmen. Fast ein Skandal ist dann der Sachverhalt, dass die Stadtverordneten den Antrag des Mittendrin, eine Straße nach Emil Wendland zu benennen, abgelehnt hatten. Zur Begründung wurde angeführt, das Emil Wendland nichts für die Stadt Neuruppin getan hätte.

Unter dem Motto „Niemand ist vergessen - im Gedenken an Wendland und alle anderen Opfer rechter Gewalt" ruft das JWP Mittendrin für den 7. Juli 2012 zu einer Gedenkdemonstration in Neuruppin auf. Treffpunkt: 15:30 Uhr – Bahnhof Rheinsberger Tor/Neuruppin.

Wer die Redebeiträge des JWZ Mittendirn un der Opferperspektive Brandenburg lesen möchte, kann sich diese hier als pdf downloaden:

Download Redebeitrag Mittendrin

Download Redebeitrag Opferperspektive

Bolk | 04.07.12 15:51 | Permalink