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Ex-IRA-Kommandeur gibt der Oberkommandierenden der britischen Streitkräfte die Hand

von Jürgen Schneider

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Martin McGuinness in den frühen 1970er Jahren (Fotos: Archiv Jürgen Schneider)

In dieser Woche wird Mrs. Elizabeth Windsor, Commander-in-Chief der britischen Streitkräfte und seit 60 Jahren Königin, im Rahmen ihrer Thronjubiläumsbesuche bei ihren Untertanen in Belfast eintreffen. Nach langen Diskussionen beschloss der Parteirat der nationalistischen Partei Sinn Féin, dass Martin McGuinness, seines Zeichens Stellvertretender Erster Minister der Nordirischen Versammlung, Ihrer Hoheit Elizabeth the Second, by the Grace of God, of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of her other realms and territories Queen, Head of the Commonwealth, Defender of the Faith im Rahmen eines von Co-operation Ireland organisierten »kulturellen« Empfangs die Hand geben darf. Von diesem Händedruck wird es jedoch keine Fotos geben. Nur der Hoffotograf Ihrer Majestät darf ein Gruppenfoto schießen, auf dem Mrs. Windsor und Martin McGuinness zu sehen sind. Der Händedruck, so Sinn Féin, diene dem nordirischen Friedensprozess. In den britischen und irischen Medien wird er schon im Vorfeld als historisch erachtet. Als sei es eine Überraschung, dass ein Politiker, der maßgeblich an der Verwaltung des künstlichen Staatengebildes Nordirland beteiligt ist, dessen Regentin begrüßt. Als Mrs. Windsor im vergangenen Jahr die Republik Irland besuchte, bekam der Sinn-Féin-Bürgermeister des Städtchens Cashel Ärger mit seinen Parteigenossen, weil er der Queen die Hand gegeben und ihr einen angenehmen Aufenthalt gewünscht hatte. Ansonsten hatte die Partei, die einst dem Guerillakampf der Irisch-Republikanischen Armee verpflichtet war, lediglich mit ein paar bunten Luftballons gegen den Besuch von Mrs. Windsor protestiert. Weil diese bei ihrem Irland-Besuch ein paar Wörter in irischer Sprache von sich gegeben und mit einem grünen Kleid erschienen war, war sie in der Republik gut angekommen, während Sinn Féin wegen des Protestes, der den Namen nicht verdiente, gescholten wurde. Dies soll sich beim Belfast-Besuch von Elizabeth II. nicht wiederholen.

Martin McGuinness war zu Zeiten des Blutsonntags von Derry, bei dem 1972 14 Zivilisten von britischen Fallschirmjägern erschossen wurden, stellvertretender IRA-Kommandeur in Derry und gehörte später dem höchsten Entscheidungsgremium der IRA an – deren Armeerat. Anders als sein Parteigenosse Gerry Adams, der beharrlich leugnet, jemals IRA-Mann gewesen zu sein, hat McGuinness nie einen Hehl daraus gemacht, Guerillakämpfer gewesen zu sein. Bereits 1973 hatte er erklärt, er sei stolz darauf, Oglaigh na Eireann (der IRA also) anzugehören. Die hatte im August 1979 in der irischen Grafschaft Sligo die Jacht von Earl Louis Mountbatten in die Luft gejagt und den Earl, der ein Onkel des Queengatten Prinz Philip war, getötet.

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Mrs. Windsor unter den Ihren (Fotos: Archiv Jürgen Schneider)

Was wird nun Martin McGuinness, der sich ebenso stolz zu seiner Mitgliedschaft im Verband der irischen Nichtalkoholiker, der Pioneer Total Abstinence Association bekennt, Ihrer Hoheit beim »handshake« zu sagen haben? Wird er die sofortige Freilassung der einstigen IRA-Kämpferin Marian Price fordern, die seit über einem Jahr in Nordirland interniert ist? Da sie an den Folgen der fortgesetzten Zwangsernährung in einem englischen Knast leidet, der sie in den 1970er Jahren ausgesetzt war, wurde sie vor kurzem aus dem Männerknast Maghaberry in ein Krankenhaus verlegt.

Wird McGuinness mit Mrs. Windsor über den Fall Liam Holden sprechen? Der heute 58 Jahre alte Holden war neunzehn, als er zum Tode verurteilt wurde, weil er einen britischen Soldaten erschossen haben sollte. In der Zelle des Belfaster Crumlin-Road-Gefängnisses erklärte ihm sein katholischer Schließer immer wieder freudig, dass ihm bald das Genick gebrochen würde. Dazu kam es jedoch nicht, da die Todesstrafe in Großbritannien und Nordirland abgeschafft und Holdens Strafe in lebenslänglich umgewandelt wurde. Nach 17 Jahren kam Holden auf Bewährung frei. Vor ein paar Tagen wurde er rehabilitiert. Die Erschießung des britischen Soldaten hatte man ihm nur zur Last legen können, weil er ein Geständnis abgelegt hatte. Jetzt wurde das Urteil aufgehoben, weil Holden dieses Geständnis unter Folter abgepresst worden war. Seine Peiniger hatten ihn dem Waterboarding ausgesetzt.

Oder wird McGuinness die jüngst bekannt gewordenen Notizen über ein Treffen des ehemaligen Nordirlandministers Whitelaw mit britischen Militärs, nordirischen Polizeiführern und Politikern kommentieren? Laut dem vor einer Woche bekannt gewordenen, als »geheim« klassifizierten 3-seitigen Dokument war bei der Zusammenkunft am 10. Juli 1972 beschlossen worden, »den Krieg gegen die IRA mit äußerster Vehemenz fortzusetzen« und dafür Sorge zu tragen, dass die britische Armee dabei keine gerichtlichen Konsequenzen zu fürchten hat. 1972 wurden von der britischen Armee in Nordirland 79 Menschen erschossen. Nicht ein einziger Soldat wurde jemals dafür von einem Gericht zur Rechenschaft gezogen. Und wie das Beispiel Holden zeigt, durfte auch ungestraft gefoltert werden.

Nein, all das wird McGuinness gegenüber Ihrer Hoheit nicht zur Sprache bringen. Er werde ohnehin Irisch sprechen, hieß es aus seinen Parteikreisen. Er wird also vermutlich sagen: »Céad míle fáilte romhat.« Das heißt soviel wie: »Seien Sie 100.000mal willkommen.«

Laut »Irish Times« ist der Händedruck zwischen einem ehemaligen Guerillaführer und einer amtierenden Streitkräftekommandantin wichtig, »weil die Geste, egal wie man sie betrachtet, die Politik des Friedensprozesses einige Schritte voranbringt und gegenüber den Unionisten, Dissidenten und allen auf dieser Insel demonstriert, dass Sinn Féin längst mehr ist als nur eine leicht konstitutionelle Partei, wie es vor langer Zeit über Fianna Fáil und der IRA-Vergangenheit dieser Partei hieß.« In der Sprache der republikanisch-sozialistischen Organisation éirígí formuliert: Sinn Féin hat die Teilung Irlands längst akzeptiert und ist willens, an der Kontrolle über einen Teil von Irland durch die britische Regierung mitzuwirken. Der einstige IRA-Mann Anthony McIntyre schrieb unter der Überschrift »From Dogs of War to Palace Corgis«, es könnte absurd erscheinen, dass sich der Republikanismus vor der Monarchie verbeugt, und fuhr fort: »Es ist allerdings schon eine ganze Weile her, dass Sinn Féin-Politiker ernsthaft behaupten konnten, in irgendeinem Sinne so republikanisch zu sein wie einst zu Kriegszeiten. Wie die Schweine in »Farm der Tiere« sind sie ununterscheidbar geworden von den Farmern, die zu stürzen sie geschworen hatten.«

UPDATE

Done: Queen and Martin McGuinness shake hands

The Queen-McGuinness handshake: what the body language revealed

A.S.H. | 25.06.12 13:34 | Permalink