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Sozialdrama in der Manageretage

Company Men von John Wells

Bobby Walker wird in den ersten Minuten des Films bei GTX entlassen. Bobby Walker muss seinen Porsche verkaufen, der bisher immer neben dem Volvo stand. Bobby Walker denkt, dass das ein großer Einschnitt in seinem Leben ist.

Mitleid fällt da schwer. Mit einem Jahreseinkommen von 165.000 Dollar war Walker nicht gerade arm. Jetzt aber können er und Maggie nicht mehr die Riesen-Villa abbezahlen, die sie sich in einem idyllischen Wohnviertel von Boston geleistet haben.

Parallel erzählt der Film die Geschichten anderer GTX-Mitarbeiter, enger Kollegen von Bobby: Phil Woodward, schon 60 und altgedient in der Firma, muss ein paar Wochen nach Walker gehen. Top-Manager Gene McClary protestiert gegen die Massenentlassungen und gleichzeitige Errichtung eines millionenschweren neuen Bürogebäudes. Mit dem Resultat, dass auch er rausfliegt.

Nachdem der Film die Entlassung der Topverdiener und ihre Folgen erzählt hat, fängt sein Sujet aber erst richtig an. Bobby, der bisher seinen Schwager Jack aus der Höhe seines gutbezahlten Bürojobs immer ein bisschen arrogant behandelt hat, wird nun Gelegenheitsjobber in Jacks Handwerksbetrieb, der Häuser saniert, Häuser, wie Bobby mal selber eins bewohnt hat. Da aber passiert das Seltsame, dass Bobby sich nicht hinab beugen, sondern sich strecken muss, um die einfache Körperarbeit und selbstverständliche Kameradschaft der neuen Kollegen verkraften und mittragen zu können.

Es geht gar nicht um Abstieg, entdeckt man an dieser Stelle, sondern um Emanzipation.

Der Film erzählt den scheinbaren sozialen Abstieg seiner Figuren zunächst nüchtern und genau. Jeder geht anders damit um. Für einen von ihnen endet es tödlich. Für die anderen aber ist es eine Chance, sagt der Film und entfaltet den Rückblick auf die Zeit der Anfänge des Unternehmens, als alle noch alles machten und Phil “12 Stunden unter dem Schiffsbauch lag und Schiffsnähte schweißte”. Als sie, wie Gene sagt, “sich noch nicht im Papierkram verirrt haben” und die Schiffe noch selber vom Stapel gehen sahen.

Das Gut- und Böse-Drama spielt sich ab zwischen Wohlhabenden und Reichen (Jahreseinkommen des Vorstandsvorsitzenden: 22 Mio Dollar), aber bei diesem Kampf belässt es der Film nicht.

Ihm geht es um die spektakuläre seltsame Blase, die um Unternehmen gebildet werden, um die von der Produktion komplett abstrahierten Aktienkurse, um schwindelerregende Einkommen für die Bosse und das Missverhältnis zu dem, was sie tatsächlich leisten.

Es ist der Gruppenfilm eines kleinen, aber feinen Schauspielerensembles. Nur Ben Affleck als Bobby Walker wirkt etwas fade und weiß geschickt zu verbergen, ob die Mimik in seinem Gesicht nun Minimalismus oder darstellerische Beschränktheit ist. Daneben aber erfreuen Tommy Lee Jones als moralischer und leidenschaftlicher Gene, Chris Cooper als resignierter Phil und ein erfrischend simpler Kevin Costner als Handwerker.

Traurige Figuren geben die Ehefrauen ab. Die eine pflegt, während der Mann das Geld für Schulreisen, Hypothek und Klasse-Autos heranschafft, ihre Migräne und liegt den ganzen Tag im Bett, die andere fliegt andauernd shoppen. Einzig Bobby Walkers Frau Maggie in der einprägsamen Darstellung von Rosemarie DeWitt, ist stark.

“Company Men” ist die Fortsetzung der filmischen Reflexion der Finanzkrise von 2008 in Hollywood. Der Film hat einen für Mainstream-Hollywood seltenen Blick auf die sozialen Auswirkung von Börsen-Kapitalismus, auch auf historischen Werdegang und die Veränderung von Arbeitswelten. Politisch leidlich engagiert, kann er dabei drohenden Sozialkitsch umgehen.

Und zeigt am Ende sogar eine Vision.


Angelika Nguyen

A.S.H. | 07.07.11 16:38 | Permalink