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Freiheit für Ai Weiwei

Von Jürgen Schneider

Am 3. April 2011 verhaftete die chinesische Polizei den Konzeptkünstler Ai Weiwei und verschleppte ihn an einen bis heute unbekannten Ort. Ai Weiwei ist den chinesischen Behörden ein Dorn im Auge, seit er begann, die Namen der bei dem Erdbeben in Sechuan im Jahre 2008 ums Leben gekommenen Schülerinnen und Schüler zu ermitteln und künstlerisch an die toten Kinder, die es offiziell nicht geben soll, zu erinnern. Es gelte, wie er im Guardian erklärte, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, sich zu weigern zu vergessen: »Versuchen Sie es, für ein kleines Mädchen, das Sie nie sehen werden. Für Yang Xiaowan, ›die sieben Jahre glücklich in dieser Welt lebte‹. Für ihre Mutter und Zehntausende Eltern wie sie. Fragen Sie immer wieder, auch nach der Verantwortlichkeit.«

Laut der in Hongkong erscheinenden Zeitung Wen Wei Po behauptet die Polizei nun, sie haben »sichere Beweise«, dass sich Ai Weiwei der Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe. Außerdem sei er ein Bigamist und habe Pornographie im Internet verbreitet. Er sei geständig. Die Behauptungen wurden von Ai Weiweis Schwester Gao Ge umgehend zurückgewiesen. Die Regierung in Peking ließe über eine kleine Zeitung die amtliche Position verbreiten.

Martin Roth, seit 2001 Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden und Mitinitiator der im Pekinger Nationalen Museum in Peking eröffneten deutschen Ausstellung »Die Kunst der Aufklärung«, erklärte in einem in der Zeitung Freitag veröffentlichten Interview, Ai Weiwei müsse »einen fairen rechtstaatlichen Prozess« bekommen. Auf die Idee, dass Ai Weiwei sofort freigelassen werden muss, die Vorwürfe staatliche Konstrukte sind, kommt »Aufklärer« Roth nicht.

Zuvor hatte Roth bereits Ai Weiwei als einen Künstler denunziert, »der gerne draufhaut«, und beklagt, die Aufmerksamkeit im Westen konzentriere sich hauptsächlich auf Ai Weiwei. In der Süddeutschen Zeitung (13.04.11) schrieb Bernd M. Scherer, Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, Berlin: »Roth versteht nicht, dass individuelle Freiheitsrechte immer nur im Hinblick auf ein konkretes Individuum verlangt werden können. Und natürlich hat der Fall Ai Weiweis aufgrund seiner internationalen Ausstrahlung dann auch paradigmatischen Charakter. Die chinesische Regierung nimmt doch genau ihn in dieser spektakulären Aktion fest, um den hundert Anderen vor Augen zu führen, was ihr individuelles Recht gilt. Ai Weiwei aufzugeben, heißt also auch die Anderen aufzugeben, die dieses Signal abschrecken soll.« Eben, die chinesische Regierung des konfuzianischen Kapitalismus hat diese eine maoistische Parole bewahrt: »Einen bestrafen, hundert erziehen!«

Die Solomon R. Guggenheim Foundation stellte gemeinsam mit namhaften internationalen Museen eine Petition für die Freilassung von Ai Weiwei ins Netz: www.change.org/petitions/call-for-the-release-of-ai-weiwei.

A.S.H. | 14.04.11 14:18 | Permalink