« Großspurige Geste in Berlin | Hauptseite | Viel Lärm um nichts?! »

„small diplomatic team“ – ohne Einladung

Während die Politgrößen Europas sich für die Öffentlichkeit mit Antigewaltaufrufen an die von ihnen über Jahrzehnte unterstützten Herrscher in den arabischen Ländern (Militär- und Polizeihilfe zur Unterdrückung der Bevölkerung gegen Öl) wenden, schicken sie, ohne Öffentlichkeit, längst ihre „Antigewalt-Teams“ in diese Länder.
Das bekommen wir natürlich nur mit, wenn mal etwas schief geht, entweder bei den Aktionen selbst oder bei der Geheimhaltungspolitik.

Das konnten wir gestern u.a. im Tagesspiegel lesen:
„Wie widersprüchlich die Situation in Libyen ist, dokumentieren auch Meldungen aus Großbritannien, dass Oppositionsgruppen in Benghasi einen Trupp der britischen Eliteeinheit SAS festgenommen und in einer Militärkaserne festgesetzt haben. Die britischen Soldaten hatten Kontakt mit der Opposition gesucht, um ihr zu helfen. Verteidigungsminister Liam Fox bestätigte den Vorgang in der BBC, ohne auf Einzelheiten einzugehen. „Wir sind mit ihnen im Kontakt“. Es handelt sich offenbar um einen von einem SAS-Trupp begleiteten Diplomaten. Augenzeugen berichteten, ein Hubschrauber mit sechs Männern „in schwarzen Overalls“ sei am Freitag in der Nähe Benghasis gelandet. Sie seien gestellt worden und hätten Waffen, Munition, Sprengstoffe, Karten und Pässe von mindestens vier Nationalitäten bei sich gehabt, so ein BBC-Korrespondent. Am Sonntagabend bestätigte Außenminister William Hague, das „diplomatische Team“ sei auf dem Weg zurück nach Großbritannien. Letzte Woche hatte Premier David Cameron bestätigt, Großbritannien suche Kontakte mit der libyschen Opposition, um zu wissen, was für Wünsche und Absichten sie habe.“

Von einem „kleinen diplomatischen Team“ sprach der britische Verteidigungsminister Liam Fox gegenüber der BBC. Das Team habe sich vor Ort ein Bild von den verschiedenen agierenden Gruppen machen wollen. Na klar, deshalb haben sie Sprengstoff im Rucksack!

Das „kleine diplomatische Team“ bestand aus sieben SAS-Soldaten und einem Agenten des britischen Auslandsgeheimdienstes „Military Intelligence, Section 6“, der in den Medien, wie oben im Tagesspiegel, zunächst immer als („rangniedriger“) Diplomat bezeichnet wurde.

Im Schweizer Tagesanzeiger konnten wir lesen:
„Ein BBC-Korrespondent in Benghazi wunderte sich am Sonntag über die Umstände des nächtlichen Helikoptereinsatzes. Immerhin sei noch vor ein paar Tagen ein britisches Kriegsschiff, die HMS York, unangefochten im Hafen von Benghazi gelegen: «Wenn jemand Kontakt mit den hiesigen Behörden hätte aufnehmen wollen, hätte er ohne weiteres die Gangway hinunterspazieren und sich ein Taxi rufen können.»“

Spiegel.de entnehmen wir:
„Im libyschen Staatsfernsehen läuft die Aufnahme eines Telefongesprächs zwischen einem kleinlauten britischen Botschafter und einem Sprecher der Rebellen in endloser Wiederholung.
"Es war ein schwerer Fehler, mit einem Hubschrauber in offenem Gelände zu landen", sagt der Rebellensprecher zum Botschafter, der gerade in London weilt. "Ich wusste nicht, dass sie kommen", entschuldigt sich der Botschafter lahm. Es sei auch nur ein Vorauskommando gewesen, das nach geeigneten Hotels für eine Delegation suchen sollte. Was bei Satire-Fans in Großbritannien für schallendes Gelächter sorgt …“

SAS auf Hotelsuche, so ein bullshit, wir erwarten aber auch nichts anderes.

Ein SAS-Einsatz ist immer ein Kriegseinsatz und keine diplomatische Aktivität!

Der häufig kolportierte Satz „Das erste was im Krieg stirbt ist die Wahrheit!“ wird durch die Wiederholungen nicht wahrer, er ist Nonsens, weil sich die Mehrheit der Politiker und die dominierenden Medien selbstverständlich auch vor dem Krieg nicht der Wahrheit verpflichtet fühlen und uns die Taschen voll lügen.

„Whitehall has said the SAS mission to Libya was personally authorised by British foreign secretary William Hague.”
(„Whitehall“ wird als Synonym für das britische Verteidigungsministerium verwendet.)
Mit welchem Auftrag die SAS dort unterwegs war, werden wir nicht erfahren. Da aber inzwischen über die SAS-Einsätze einiges bekannt wurde, können unsere Phantasien nur in bestimmte Richtungen laufen.
Die SAS (Special Air Service) hatte sich schon in den 50ern bei der Niederschlagung von Unabhängigkeitsbestrebungen, also gegen „Rebellen“ und „Aufständische“ (später manchmal, wenn nützlich, auch „Terroristen“ genannt) Verdienste erworben.
Die Roten Khmer sind erst letztens wieder in der deutschen antikommunistischen „Kommunismus-Debatte“ aus der historischen Versenkung geholt worden. Die Roten Khmer hätten gezeigt, wohin das Über-Kommunismus-Reden führt. Sie ermordeten 1 ½ bis 2 Millionen Menschen der eigenen Bevölkerung. Beendet wurde das Massaker der „Kommunisten“ in Kambodscha durch den Einmarsch „kommunistischer Truppen“ (wikipedia) aus Vietnam. (Äh? Wer ist von beiden jetzt tatsächlich kommunistisch? Ach egal!)
Weil die Vietnamesen für den Westen zu dem Zeitpunkt die bösen Kommunisten waren, wurden aus den „kommunistischen“ Massenmördern der Roten Khmer in den Augen der westlichen Demokratie- und Menschenrechtsverdreher wieder eine gute Untergrund- oder Widerstandsbewegung, gute Rebellen, die sie, natürlich auch militärisch, unterstützen mußten. Beim damaligen Training der „Widerstandskämpfer“ auch dabei: klar, die SAS.
Sie waren in Bosnien und im Kosovo aktiv, sie sind im Irak und in Afghanistan im Einsatz. (bbc, sas)
Sie sind also auch ganz uneigennützig weltweit als Aus-und Weiterbildungseinrichtung tätig, manche sagen auch „Entwicklungshilfe“ dazu.
Sie haben in den 90ern die UÇK trainiert – ja sicher, nicht allein, auch die Deutschen waren frühzeitig dabei.

Aber wir brauchen gar nicht soweit zurückschauen!!!

Erst vor 1 ½ Jahren (!) erregte sich die britische Öffentlichkeit, weil die SAS über ein halbes Jahr al-Gaddafis „Spezialeinheiten“ trainierten.
Und jetzt ist die SAS für "westliche Werte", für die "Freiheit", für "Demokratie und Menschenrechte" in Libyen unterwegs. Und auf Hotelsuche.
Die braucht keiner einladen. Die laden sich immer selbst ein. Sie kommen nie als Gäste.

david | 08.03.11 23:27 | Permalink