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Die Party ist vorbei, die Probleme bleiben

So, das hätten wir überstanden. Nein, nicht die Zahlung der deutschen Kriegsschulden - aus dem Ersten(!) Weltkrieg. Ja, die wurde gestern abgezahlt.

Gemeint war dieser, nicht enden wollende, Jubiläumsmarathon „20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ der letzten zwei Jahre. Den haben wir nämlich seit gestern hinter uns. Ob damit auch die seit Jahren laufende 1989er-Geschichtsklitterung (siehe ostblog) ein Ende finden wird, ist zu bezweifeln.

Die Party ist vorbei, die Probleme bleiben. Die letzte große Kapitalismuskrise, von der niemand wirklich weiß, ob sie schon vorüber ist, hat uns und unseren Kindern einen riesen Berg Schulden hinterlassen. Für Banken und Konzerne wurde schnell mal über Nacht, ein 500-Milliarden-Euro-Schutzschirm bereitgestellt. Bezahlen sollen natürlich wir die Schose, nicht die Verursacher der Krise.

Die Kassen sind leer - für Bildung, Gesundheit und Soziales wird der Staat, wie es aussieht, in Zukunft noch weniger Geld übrig haben. Dass dieser Zustand leicht zu sozialen Unruhen führen kann, weiß nicht nur die Bundesregierung. Jetzt muß von den Ursachen abgelenkt werden, Sündenböcke müssen her. Teile und herrsche!

Und damit sind wir wieder bei der Party vom Wochenende. Wenn der „Bundespräsident der Herzen“ Gauck mal nicht nur über das Thema DDR redet, wie am Samstag, wird schnell klar, was für eine politische Zielrichtung sein viel gepriesener Freiheitsbegriff wirklich verfolgt:

„ ‚Der Staat darf sich nicht selbst zur Disposition stellen, indem er die eigenen Normen nicht ernst nimmt‘, sagte der DDR-Bürgerrechtler in einer Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit. „
Und dann nimmt der "Reaktionär auf Samtpfoten" den Staffelstab auf, den vorher schon Thilo Sarrazins, Frau von der Leyen und Roland Koch vor sich her trugen und zeigt „mutig“ auf die Schwächsten in der Gesellschaft: Migranten und Hartz IV Empfänger.

„‘Bei der Versorgung wollen selbst diejenigen integriert sein, die unsere Kultur ablehnen, sie sogar bekämpfen und denunzieren‘, sagte Gauck. Dies sei ‚ein merkwürdiger Zustand und der kann nicht unbesprochen bleiben‘, fügte er hinzu“

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„Zugleich schaltete sich Gauck mit deutlichen Worten in die Hartz-IV-Debatte ein. „Wir müssen uns nicht fürchten, auch in den Problemzonen der Abgehängten Forderungen zu stellen", sagte Gauck "Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten." Zwar sei es "unmenschlich, Schwachen etwas abzuverlangen, was sie total überfordert und es ist unbarmherzig, ihnen die erforderlichen Hilfen zu verweigern", sagte Gauck. "Aber es ist auch gedankenlos und zynisch, so zu tun, als könnten alle die Menschen nichts tun, die im Moment nichts haben." (AFP)

Gaucks Ausführungen entgingen der kritischen Netzgemeinde nicht. So schrieb beispielsweise Fefe: „Einige Leute verstehen offenbar nicht, was Gauck da sagt. ‚total überfordert‘ ist der neuralgische Punkt hier. Denn kein Hartz IV-Opfer verweigert ja Arbeit, weil er überfordert wäre. Also sagt Gauck, das System sei nicht unmenschlich. Und der ‚erwarten‘-Teil ist die ‚Fördern und Fordern‘-Rhetorik der Neocons. Das ist ja das perfide, wie gut die ihre Rhetorik abgeschliffen haben. Da muß man schon echt aufpassen, um zu merken, wie sehr man gerade verarscht wird.“

Und auf nachdenkseiten.de schreibt ein Leser „Gaucks Ausführungen ergeben nur im Hinblick auf das Vorurteil einen Sinn, ein Großteil der Hartz IV-Empfänger will keine Eigenverantwortung übernehmen und sei deshalb nicht freiheitsfähig.(…) Man kann durchaus fragen, ob Gauck mit dieser Rede die Bühne ‚Einheitsfeier‘ missbraucht, um bestehende Vorurteile zu verschärfen und ein bestimmtes gesellschaftliches Leitbild zu propagieren: wem es schlecht geht, der trägt selbst an seiner Misere schuld. „

Auf sozialticker.com äußert sich Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin empört „Mir fehlen die Worte für den Zynismus von Joachim Gauck,“ „Er predigt Freiheit, spricht sie gleichzeitig aber denjenigen Mitbürgern ab, die infolge eines entfesselten Kapitalismus keine Arbeit finden und keinen ihre Familien ernährenden Lohn bekommen.“

Wer unbedingt will, kann sich den eitlen Gottesmann und sein überwiegend GRÜNEs und SPD-Publikum hier ansehen: ZDF

A.S.H. | 04.10.10 18:52 | Permalink