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Sorgen um die Wachstumskräfte

Der Sachverständigenrat will die Ergebnisse der neoliberalen Gegenreformation krisenfest machen

Von Sebastian Gerhardt

Es ist amtlich, die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Rezession. Nach dem einem ersten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im zweiten Quartal dieses Jahres ist das BIP, so stellt das Statistische Bundesamt fest, auch in den Monaten Juli bis September gesunken: zwei aufeinanderfolgende Quartale im Minus. Und weil die US-Ökonomen von National Bureau of Economic Research (www.nber.org) sich einmal auf diese Definition geeinigt haben, vermelden die Statistiker das Ergebnis: Rezession. Nur heißt das? Im Alltag ist hierzulande von dieser Krise noch wenig zu merken.

Ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes kann zeigen, warum. Dazu betrachten wir die Kennzahl, die nun als Indiz der Krise genommen wird, das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für das Niveau der volkswirtschaftlichen Aktivitäten. Wir lassen uns weder von theoretischen Einwänden gegen die bürgerliche Statistik noch von unausweichlichen statistischen Berichtigungen im Nachhinein ablenken und vergleichen die Entwicklung der letzten Jahre mit dem oberen Endpunkt des vorletzten Konjunkturzyklus, dem Jahr 2000:
[BIP_BRD_2000_2008.pdf]

Das Ergebnis ist deutlich und muß nicht verwundern: Auch im Tiefpunkt der letzten Krise lag das Bruttoinlandsprodukt noch etwas über dem Niveau des Jahres 2000. Und Ende 2004 setzte offensichtlich ein kräftiger Aufschwung ein, der im ersten Quartal 2008 seinen Höhepunkt erreicht hat. Ebenso offensichtlich ist, daß die soziale Realität der Krise und ihr ökonomischer Verlauf nicht im Gleichschritt gehen. Im Gegenteil: Genau die Jahre des Aufschwungs haben Kapital und Regierung zur Durchsetzung von Hartz IV und für einen fortgesetzten Druck auf die Löhne genutzt, so daß bei den meisten nur eins vom Aufschwung angekommen ist: Mehr Arbeit für weniger Geld. Und immer noch ist viel von dieser Arbeit laufend nötig, denn das Niveau des BIP liegt gut 10 Prozent über dem oberen Endpunkt des letzten Zyklus, trotz der leichten Rückgänge im Verlaufe des Jahres 2008. Das Wachstum war so stark, daß selbst ein relativ drastischer Einbruch, d.h. ein Rückgang des BIP um drei oder vier Prozent in einem Jahr, noch nicht alle Gewinne des letzten Aufschwungs zunichte machen würde. Selbst große Skeptiker sehen eine solche Wendung der Ereignisse nicht am Horizont.

Das Jahresgutachten

Um die Gründe und Wirkungen der derzeitigen Entwicklungen genauer abschätzen zu können sind bestimmt ausführlichere Analysen unerläßlich. Eine solche Analyse ist gerade am 12. November 2008 im gewohnten prominenten Rahmen, im Saal der Bundespressekonferenz, vorgestellt worden: das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). Und wie es in diesen in turbulenten Zeiten nicht ausbleiben kann, es gab auch hier überraschende Wendungen und somit reichlich Gelegenheiten für Irrtümer und Mißverständnisse. So meldet der altgediente Sozialliberale Albrecht Müller (www.nachdenkseiten.de), daß der Sachverständigenrat mit der Forderung nach einem größeren Konjunkturpaket eine "eine Wende um 180 Grad" vollzogen habe. Er bescheinigt den Hohepriestern der deutschen Ökonomenzunft, sie würden "immerhin in die richtige Richtung" zielen, kurz: ein "Fortschritt". Nicht am Inhalt des Gutachtens, nur an der "Glaubwürdigkeit" der Autorenmehrheit hegt er noch Zweifel und wirft ihnen die langjährige Vernachlässigung der Binnennachfrage vor.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Sachverständigenrates sind aber unangebracht. Auch im jüngsten Gutachten zeigt der Rat ein ungebrochenes Vertrauen in die heilsamen Wirkungen von Privateigentum, Akkumulation und Konkurrenz. So befürchtet er, daß der gerade geschaffene Finanzstabilisierungsfonds (www.soffin.de) eine passive Rolle einnehmen und "bereitwillig große Eigenkapitalbeteiligungen an Instituten" übernehmen könnte, denen "es an einem überzeugenden Geschäftsmodell mangelt" – womit er wenig zweideutig seine Kritik an den öffentlich-rechtlichen Landesbanken fortsetzt. Der Rat empfiehlt vermehrte öffentliche Ausgaben, aber für Investitionen in die Infrastruktur und Bildung. Der Rat stellt das Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zurück und akzeptiert auch eine höhere Neuverschuldung, aber nur für investive Zwecke und eine Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform "um die unternehmerische Investitionsnachfrage zu stärken. In Frage kommen dabei in erster Linie eine Lockerung der Zinsschranke sowie eine generelle Rückkehr zur degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens."
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Wie man leicht sieht, ist auch der Mehrheit des Rates die große Rolle der Binnennachfrage durchaus bekannt – doch will sie diese Nachfrage zielgerichtet zur Steigerung des deutschen Produktionspotentials einsetzen, d.h. für die Akkumulation. Für die Armen im Lande bleibt da wenig übrig. Für sie hat man ein Kombilohnmodell entworfen, das an den Sozialraub der Regierung Schröder nahtlos anknüpft: "Das Arbeitslosengeld II ist damit bereits ein Kombilohn und der Vorschlag des Sachverständigenrates läuft darauf hinaus, das Fördern wie auch das Fordern zu verstärken: Die Hinzuverdienstmöglichkeiten werden verbessert, um das Arbeiten attraktiver zu machen, und der Regelsatz wird abgesenkt, um das Nichtarbeiten unattraktiv zu machen."

Wie sich die professoralen Sachverständigen die Hebung des deutschen Arbeitsgeistes vorstellen, schrieben sie in Ziffer 550 des Gutachtens: "Komplementär zu dieser deutlicheren Betonung des 'Förderns' ist die Unterstreichung des 'Forderns'. Ein zentrales Element in dem vorgeschlagenen Maßnahmenbündel ist nämlich eine Absenkung des Regelsatzes für erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft um 30 vH. Um das garantierte soziokulturelle Existenzminimum durch diese Absenkung des Regelsatzes gleichwohl nicht infrage zu stellen, erhält jeder Leistungsempfänger das Angebot, durch die Tätigkeit in einer Arbeitsgelegenheit das gleiche Einkommen wie vor der Absenkung zu bekommen, falls er keinen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt findet. Die hier vorgeschlagenen Arbeitsgelegenheiten unterscheiden sich von den bestehenden Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante ('Ein-Euro-Jobs') unter anderem dadurch, dass nunmehr eine Aufstockung des Haushaltseinkommens lediglich auf das Niveau des bisherigen Arbeitslosengelds II erlaubt ist (ergänzt um die Pauschale von 40 Euro). Die wöchentliche Arbeitszeit beläuft sich auf 30 Stunden, um dem Leistungsempfänger weiterhin genügend Zeit für eine begleitende Suche nach einer Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bieten. Falls die betreuende Arbeitsgemeinschaft, Arbeitsagentur oder Optionskommune vorübergehend nicht in der Lage ist, eine Arbeitsgelegenheit oder eine erfolgversprechende Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik anzubieten, erfolgt für den betreffenden Leistungsempfänger eine Aufstockung des Regelsatzes auf das vorherige Niveau." Noch die Ein-Euro-Jobs sollen also unterboten werden. Nur Peter Bofinger hat sich in seinem Minderheitenvotum von dieser Erpressung distanziert.

In die Schlagzeilen ist der Sachverständigenrat mit anderen Nachrichten gekommen: Wie schon das Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute geht der SVR von einem schwachen Wachstum der Weltwirtschaft im nächsten Jahr und einer Stagnation in der Bundesrepublik aus. Die Prognose sagt auch eine Zunahme der Arbeitslosenzahlen im nächsten Jahr auf – im Jahresdurchschnitt – etwa 3,3 Millionen voraus. Das wäre nur wenig mehr als im Jahresdurchschnitt 2007. In diesem Jahr ergab sich der Durchschnitt aber aus höheren Zahlen zu Beginn und sinkenden im Verlauf des Jahres. Nächstes Jahr wird es umgekehrt sein, vielleicht sehen wir tatsächlich in einem Jahre Meldungen über 3,4 Millionen Arbeitslose – das wären 400 000 mehr als heute. Damit die Zahlen nicht pünktlich zur Bundestagswahl besonders schlecht aussehen, hat die Bundesregierung bereits eine Verlängerung der Kurzarbeiterregelungen auf 18 Monate angekündigt.

Korrekte Statistik – ein Herrschaftsmittel

Die Sachverständigen allerdings lassen sich von kosmetischen Änderungen und Umbuchungen nicht beeindrucken. Sie wissen, daß die Erwerbslosen allein vom Zählen nicht weniger werden. Sie haben ihrer Strategie zur Bekämpfung der Arbeitslosen stets eine Gesamtzahl der Unterbeschäftigung in Deutschland zugrunde gelegt, in der verschiedene Formen versteckter Arbeitslosigkeit berücksichtigt sind. Sie stützen sich dabei auf die Angaben der Bundesagentur für Arbeit, des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und der Rentenversicherungsträger. Zu Recht, denn die offizielle deutsche Statistik ist weit besser als ihr Ruf in linken Kreisen oder in der FDP. Denn wie zu Beginn unserer Zeitrechnung – "Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, daß jedermann geschätzet werde, ein jeglicher in seiner Stadt." – ist die Statistik nicht nur Informationsquelle und zuweilen Propaganda, sie ist Herrschaftsinstrument. Schon damals war es schwierig, die nötigen Daten rechtzeitig zu bekommen. Neben der genauen Definition der richtigen Größe erfordert ihre Erhebung immer auch einigen Aufwand, den für gewöhnlich die Herrschenden nur zu ihren Zwecken nicht scheuen. Macht und Statistik gehören zusammen - in der Weihnachtsgeschichte ging um Steuern. Im Falle der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit geht es einerseits um die Daten, die zum pünktlichen Eintreiben der Sozialversicherungsbeiträge nötig sind. Seit den frühen Reformen der SPD-Grünen-Regierung decken sie nicht nur die deshalb so benannte "sozialversicherungspflichtige", sondern auch die nur eingeschränkt sozialversicherungspflichtige "geringfügige" Beschäftigung weitgehend ab. Andererseits handelt es um die Unterlagen um die Antragsteller, von Leistungsempfängern wie Nicht-Leistungsempfängern. Anerkannte Arbeitslosigkeit ist nicht einfach ein Schicksal, sondern ein Status, der bestimmte Rechte mit sich bringt. Im Rahmen der üblichen bürokratischen Erfassungsprobleme sind die Angaben der zuständigen Stellen daher zuverlässig und müssen es sein.

Auch alle Kritiken an den Erfolgen der Hartz-Reformen benutzen die offiziellen Statistiken. Sie wollen nachweisen, daß tatsächlich weit mehr Menschen arbeitslos sind, als in der Titelzeile der monatlichen Pressemitteilung aus Nürnberg aufgezählt werden. Sie sind damit meist erfolgreich. Beim Sachverständigenrat rennen sie allerdings offene Türen ein. Denn der scheut sich nicht, mit hohen Angaben über "offene und verdeckte Arbeitslosigkeit" zu argumentieren. Nach der prinzipiellen Entscheidung für Marktwirtschaft und Kapital sind solche Zahlen keine Kritik am Kapitalismus mehr, kein Hinweis auf ein Unmenge sinnvoller Tätigkeit, die in diesem Landes regelmäßig unterbleibt. Nein, aus der Sicht der Marktwirtschaftler bezeichnen hohe Arbeitslosenzahlen einen Problemdruck, der in "maßvolle" Tarifpolitik und weitere Sozialkürzungen umgesetzt werden soll.

Im Jahresgutachten rechnen die Sachverständigen verschiedene Formen des vorzeitigen Ruhestandes, Qualifizierungsmaßnahmen und subventionierte Beschäftigung zur offiziellen Arbeitslosenzahl hinzu. Einzig die von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Selbständigkeit schließen sie aus ihrer Korrektur aus: Unternehmer, und seien sie noch so klein und ärmlich, sind für sie eben etwas ganz anderes als abhängig Beschäftigte. Diesem formalen Klassenstandpunkt muß man sich nicht anschließen. Aus den Angaben des Jahresberichtes der Bundesagentur für Arbeit und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergibt sich dann folgendes Bild. (Daten für 2008 geschätzt)

Deutlich ist, daß die offiziell registrierte, sozusagen anerkannte Arbeitslosigkeit nur einen Teil der Unterbeschäftigung in Deutschland bildet, allerdings den größten. Deutlich ist die konjunkturelle Bewegung, obwohl sie in diesen Bestandszahlen und Jahresdurchschnitten nur noch abgeschwächt sichtbar wird: Im Jahr 2007 gab es allein im Informationssystem der Bundesagentur mehr als 7,7 Millionen neue Meldungen in die Arbeitslosigkeit – und mehr als 8,2 Millionen Abmeldungen. Der gemeldete Bestand an offen oder "verdeckt" Arbeitslosen setzt sich jeden Monat neu zusammen.

Im wesentlichen ist die Entwicklung der Unterbeschäftigung von der offiziellen Arbeitslosigkeit, d.h. dem "ersten Arbeitsmarkt" bestimmt. Insbesondere der Rückgang der Arbeitslosenzahlen in den letzten drei Jahren ist nicht mit vermehrter Kosmetik zu erklären. Im Gegenteil, die Gesamtzahl der verschiedener Weise "versteckten" Arbeitslosen ist in den letzten drei Jahren von knapp 1,5 Millionen auf etwa 1,3 Millionen zurückgegangen. Wie hoch die Zahl der Menschen ist, die von den Schikanen der Ämter aus dem Kreis der irgendwie registrierten Erwerbslosen herausgedrängt wurde, läßt sich schwer sagen. Angaben gibt es nur über den Umfang der offiziellen Sanktionen, die im Bereich des ALG II Ende 2007 etwa 3 Prozent der "erwerbsfähigen Hilfebedürftigen" betrafen, nicht aber über den ganz alltäglichen Druck, nicht zuletzt durch Presse, Funk und Fernsehen. Die Gesamtdarstellung des "Erwerbspersonenpotenzials", wie sie das Statistische Bundesamt und das IAB vornehmen, legt allerdings nahe, daß das oben gezeichnete Bild in Tendenz und Umfang einigermaßen zuverlässig ist. Aber das ist dann schon eine eigene Betrachtung wert, die sich der Struktur der arbeitenden Klasse, ihrer Veränderung und ihren Widersprüchen nähern muß.

Von "Vollbeschäftigung" ist die Bundesrepublik heute weit entfernt, von einer Halbierung der Arbeitslosigkeit durch die Agenda 2010 kann keine Rede sein. Aber es hat sich in den letzten Jahren trotzdem einiges sehr geändert. Ging in früheren Zyklen die Zunahme der Beschäftigung auch mit einer Verbesserung der Stellung der abhängig Beschäftigten und der ebenso abhängigen Unbeschäftigten auf dem Arbeitsmarkt einher, mit höheren Realeinkommen, so wurde dieser Zusammenhang seit 2004 ins Gegenteil verkehrt: Die sinkende Lohnquote weist es aus. Deshalb trauen sich Politiker und Unternehmer heute wieder unbefangen vom Ziel der Vollbeschäftigung zu reden: Weil sie nicht mehr befürchten, das mehr Beschäftigung auch die Beschäftigten stärken könnte. In den Zeiten von Hartz IV ist die Armut nie weit weg, und den Grund bilanziert IAB: "In den Folgejahren sind die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit stetig und kräftig gesunken, von 2004 bis 2007 um 24,6 Mrd. €, oder 27 Prozent. Dieser Rückgang ergab sich hauptsächlich aus dem Abbau der Arbeitslosigkeit (- 22 %). Aber auch die Kosten je Arbeitslosen haben sich in diesen Jahren spürbar verringert (- 7 %), vor allem weil Alg- II-Empfänger weniger Kosten verursachen als früher die Alhi-Empfänger." (Hans-Uwe Bach und Eugen Spitznagel, IAB-Kurzbericht 14/2008)

Es gibt nichts gutes, außer man tut es

Aus den Übersichten zum Wirtschaftswachstum und zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist auch zu erkennen, warum die Durchsetzung von Hartz IV überhaupt gelingen konnte. Die bewußte Verschärfung der Krise auf dem Arbeitsmarkt fand in dem Moment statt, als die Konjunktur Ende 2004 bereits wieder angesprungen war. Nach dem Schock im Januar 2005 sank die Zahl der Arbeitslosen. Vor dem Druck von Hartz IV konnte im Laufe der Zeit viele in einen Job ausweichen, auch wenn dieser Job schlechter bezahlt und oft nur befristet war. Darum verfing im Laufe des Jahres 2006 langsam jene Propaganda, mit der Schröders Wirtschaftsminister Clement noch im Wahlkampf 2005 gescheitert war: die Darstellung der ALG II-Empfänger nicht mehr als Opfer eines Systems, sondern als "erwerbsfähige Hilfebedürftige", denen das Arbeitsamt ein wenig auf die Sprünge helfen muß. Die autonomen Sozialproteste des Jahres 2004 waren zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend zerfallen oder in die Bildung einer neuen parlamentarischen Linken integriert, die sicher keinen Protest organisieren kann.

Die Sachverständigen, Regierung und das Kapital wissen, was sie in den letzten Jahren geleistet haben. Die massiv verschärfte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wollen sie auch über die aktuelle Krise hinweg erhalten, auch wenn das eine oder andere Zugeständnis nicht zu vermeiden sein wird. Die jüngsten Tarifabschlüsse der IG Metall in Baden Württemberg und der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in Berlin zeigen, wie erfolgreich ihre Strategie noch ist. Wer ihr langfristig begegnen will, wird einiges anders machen müssen als bisher. Wie immer geht es nicht nur um die richtigen Forderungen auf den Transparenten. Die sollten sich finden lassen: "Schluß mit der Finanzkrise - Regelsatzerhöhung jetzt!" 500 Euro wären das Mindeste. Doch die erste Forderung geht – auch wie immer – an uns selbst: die Bildung handlungsfähiger Gruppen, in denen die Einzelnen nicht eingereiht werden, sondern zusammenarbeiten können. Es geht um politische und soziale Organisationen, in denen die Erfahrungen ermüdender Konkurrenz und alltäglichen Klassenkampfes verarbeitet werden können. Sonst bleibt Solidarität ein schönes Wort für Sonntagsreden.

Sebastian Gerhardt | 14.11.08 04:25 | Permalink