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Universitätsdozent verbreitet rassistische Theorien im Deutschlandradio

Wissenschaftler der Universität Mainz sind empört und fordern eine Stellungnahme des Senders

Am 4. Dezember 2007 gab der Magdeburger Entwicklungspsychologe Dr. habil. Heiner Rindermann im Deutschlandradio Kultur ein Interview. Gesendet wurde der Beitrag unter dem Titel "Dumme Buschmänner, kluge Asiaten?". Der Sender hat im Internet mittlerweile vollkommen unkommentiert sowohl den Titel des Beitrags gestrichen, als auch das Interview selbst erheblich gekürzt (eine Kopie des Originals liegt als PDF-Datei der Presseerklärung bei). Rindermann vertritt darin die These, es gebe genetische Unterschiede zwischen Menschenrassen hinsichtlich ihrer Intelligenz. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Instituts für Ethnologie und Afrikastudien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz weisen Rindermanns Aussagen als rassistisch zurück und sind empört, dass solchen Theorien Raum in einem öffentlich-rechtlichen Sender gegeben wird.

Für Verwunderung bei den Mainzer Wissenschaftlern sorgte zudem, wie unkritisch die Journalistin Katrin Heise Rindermanns Gebrauch von Termini wie "Rasse" und "rassisch" begleitete. Sie nahm die postulierte Korrelation von genetisch determinierbaren Menschenrassen mit messbarer Intelligenz nicht nur schweigend hin, sondern wurde teils sogar zur Stichwortgeberin für dessen Argumentation.

In seinen Erklärungen auf Deutschlandradio Kultur macht Rindermann genetische Dispositionen bei "Menschenrassen" für unterschiedliche Ausprägungen von Intelligenz verantwortlich. Rindermann verfügt aber anscheinend weder über biologisches noch medizinisches Fachwissen, denn mit aktueller naturwissenschaftlich-medizinischer Forschung lassen sich seine Behauptungen nicht stützen.

Dennoch beharrt er darauf, es gebe drei genetisch determinierte Menschenrassen - Weiße, Schwarze und Asiaten entsprechend den drei Hauptgruppen Europide, Negride und Mongolide früherer Rassentheorien. Dass Gene tatsächlich zwischen verschiedenen Bevölkerungen auf unterschiedlichen Kontinenten variieren, sieht Rindermann schlicht durch die Tatsache wahrnehmbarer Unterschiede wie z.B. die Farbe der Haut als bewiesen an. Dabei ignoriert Rindermann humangenetische Erkenntnisse, nach denen phänotypische Merkmale wie der Pigmentierungsgrad der Haut keine Rückschlüsse auf genetische Ähnlichkeiten zulassen. Ebenso unberücksichtigt bleibt, dass genetische Differenzen weltweit kontinuierlich variieren, in der Regel innerhalb lokaler Populationen sogar stärker sind als zwischen geographisch entfernten Gruppen.

Als Konsens in der Forschung kann gelten, dass ein auf biologischen Kategorien basierendes Konzept menschlicher Rassen unhaltbar ist. Verwendet wird der Begriff für Menschen allenfalls in einem politischen Kontext zur Beschreibung von Fremd- und Selbstwahrnehmungen, die sich in gesellschaftlich erfahrbaren Realitäten manifestieren.

Rindermann behauptet weiter, Intelligenz sei maßgeblich von genetischen Faktoren abhängig. Einen vermeintlichen Beweis will er in der "umfangreichen Forschungstradition" der Untersuchung eineiiger Zwillinge erkennen, "die in unterschiedlichen Umwelten aufgewachsen sind [und] sich in ihrer Intelligenz sehr stark ähneln". Ob er sich hierbei auf Ergebnisse der Zwillingsforschungen eines Dr. Mengele bezieht oder auf Untersuchungen des britischen Psychologen Cyril Burt, dessen Versuchsreihen sich posthum als bloße Phantastereien erwiesen, lässt Rindermann offen. Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung, die in unterschiedlichen Milieus aufgewachsene identische Paare untersuchen, sind schon aufgrund der geringen Stichprobenmenge kaum aussagekräftig. Einer der führenden Populationsgenetiker, der an der kalifornischen Stanford University lehrende Luca Cavalli-Sforza, sieht zudem gegenüber genetischen Faktoren das soziale Entwicklungsmilieu als entscheidend für die Herausbildung geistiger Fähigkeiten an. Auch diese Erkenntnisse gelten als unbestritten.

Dass Intelligenz mit der Zugehörigkeit zu einer biologisch definierten menschlichen Rasse korrelieren soll, versucht Rindermann durch in verschiedenen Regionen durchgeführten IQ-Tests nachzuweisen. Die Mittelwerte dieser Tests unterschieden sich laut Rindermann zwischen den verschiedenen "Rassen" signifikant. Zwar räumt Rindermann ein, dass diese Tests höchst kulturspezifisch seien. Doch würde für die genetische Bestimmung von Intelligenz dennoch sprechen, dass auch die individuelle Wahl der Umwelt abhängig sei von den die Intelligenz determinierenden Genen.

So gelangt er zu seiner abenteuerlichen Behauptung, "Intelligentere" würden "eher länger in die Schule, auf Universitäten [gehen], und die weniger Intelligenten, die meiden eher solche Umwelten." Auch führe genetische Disposition laut Rindermann zu unterschiedlicher wirtschaftlicher Produktivität und beeinflusse die Wahl der Regierungsform. Dass gesellschaftliche Erscheinungen dieser Art ausschließlich durch historische und sozioökonomische Faktoren bedingt sind, ist unbestritten. Konstruktionen menschlicher Rassen und die daran erfolgende Zuweisung charakteristischer Eigenschaften sowie deren Wertung sind konstituierende Elemente rassistischer Ideologie.

Dr. Carola Lentz, Professorin für Ethnologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erklärte: "Dr. Heiner Rindermann disqualifiziert sich durch seine Aussagen im Deutschlandradio als ernst zu nehmender Wissenschaftler. Eigentlich vertrete ich den Standpunkt, dass rassistischen Theorien und deren Vertretern mit Nicht-Achtung begegnet werden sollte.

Doch die Tatsache, dass ein habilitierter Wissenschaftler einer bundesdeutschen Universität in einem öffentlich-rechtlichen Sender unkommentiert von Menschenrassen und genetisch bedingter Verteilung von Intelligenz sprechen darf, ist empörend. Die Pauschalisierung von Menschen, die Ignoranz gegenüber kulturellen Dimensionen anderer Gesellschaften, die Unkenntnis humangenetischer Erkenntnisse und das Außerachtlassen sozialer Faktoren weisen Rindermanns Aussagen als schieren Unsinn aus. Eine Stellungnahme des Deutschlandradios, wie es zu diesem schlecht vorbereiteten Interview kommen konnte, wäre wünschenswert. Ebenso wünschenswert wäre eine Distanzierung Dr. Rindermanns von seinen haltlosen Thesen."


Quelle: Pressemitteilung des Instituts für Ethnologie und Afrikastudien, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, vom 19.12.2007

Weitere Informationen:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/706040/Interview+Rindermann_DRadioKulturDez07.pdf

Michal Stachura | 01.02.08 01:02 | Permalink