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„I remain an unrepentant Fenian bastard“

Zum Tod von Brendan Hughes
von Jürgen Schneider

Am Samstag, 16. Februar 2008, ist in Belfast Brendan Hughes, genannt ›The Dark‹, gestorben.
Hughes wurde 1949 als Sohn einer irisch-republikanischen Familie geboren, die im Gebiet der Lower Falls Road von Westbelfast lebte. 1969 wurde Hughes Mitglied der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und tauchte 1970 unter. Einen normalen Tag in der Zeit der frühen siebziger Jahre beschrieb Hughes einmal so:»Wir trafen uns in einem sicheren Haus, raubten am Morgen vielleicht eine Bank aus, fuhren am Nachmittag umher, um britische Soldaten auszuchecken, legten danach eine Bombe oder Sprengfalle und am Abend kam es unter Umständen zu ein, zwei Feuergefechten mit den Briten.«

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Im Juli 1973 wurde Hughes zusammen mit dem heutigen Sinn Féin-Präsidenten Gerry Adams festgenommen. Sie wurden mehr als zwölf Stunden in der Springfield Road-Kaserne der Royal Ulster Constabulary (RUC) verhört und gequält, dann in das berüchtigte Verhörzentrum Castlereagh und schließlich in das Gefangenenlager Long Kesh gebracht. Doch schon im Dezember war Hughes wieder frei: er entkam in eine alte Matratze eingewickelt auf einem Müllwagen und setzte sich in die Republik Irland ab. Zehn Tage später kehrte Hughes mit einer neuen Identität – als Spielzeugvertreter ›Arthur McAllister‹ – nach Belfast zurück, wohnte im ruhigen Malone Road-Viertel und soll in dieser Zeit Nachfolger von Ivor Bell als O/C (Officer Commanding) der IRA geworden sein, nachdem Bell verhaftet worden war.

Im Mai 1974 wurde Hughes verraten und erneut festgenommen. In dem von ihm bewohnten Haus wurden Waffen und Munition gefunden. Zu 15 Jahren Haft verurteilt, kam er wieder nach Long Kesh, wo ihm zusätzliche drei Jahre Haft aufgebrummt wurden, nachdem er sich mit einem Gefängniswärter angelegt hatte.
In den nach ihrer Bauweise H-Blocks genannten Gefängnistrakts wurde Hughes O/C der Gefangenen aus der IRA. Im März 1978 weiteten die Gefangenen ihre Aktionen gegen die 1976 erfolgte Aberkennung des politischen Status aus und begannen mit einem Dreckstreik.

Obwohl sich der Armeerat der IRA dagegen ausgesprochen hatte, trat Hughes am 27. Oktober 1980 mit sechs weiteren Gefangenen in den Hungerstreik. Nachdem ein Unterhändler der damaligen britischen Premierministerin Thatcher einen möglichen Kompromiss in Aussicht gestellte hatte und einer der Gefangenen, Sean McKenna, ins Koma zu fallen drohte, erklärte Hughes den Hungerstreik nach 53 Tagen für beendet. Hughes litt sein Leben lang an den Folgen dieses Hungerstreiks. Im Oktober 2006 war ein Foto von ihm in der Irish News zu sehen: Brendan Hughes mit einer Augenklappe. Er hatte an dem durch den Hungerstreik geschädigten Auge operiert werden müssen.

Die britische Regierung hatte die Gefangenen getäuscht, so dass im März 1981 unter der Führung des IRA-Gefangenen Bobby Sands ein zweiter Hungerstreik begann, in dem zehn Gefangene, darunter auch Bobby Sands, starben. Long Kesh ist längst geschlossen, auf dem Gelände soll ein Sportstadion entstehen.

Hughes wurde 1986 aus dem Gefängnis entlassen und wieder in der irisch-republikanischen Bewegung aktiv. Er konnte der Politik unter der Führung seines früheren IRA-Genossen Gerry Adams aber immer weniger mittragen. Die Folgen des Karfreitagsabkommens (Good Friday Agreement) von 1998 fasste er in einem Kürzel zusammen: »Got Fuck All«. Die Sinn Féin-Führung bezeichnete er als ›Armani-Anzug-Brigade‹ und kritisierte sie im Jahr 2000, weil sie zulasse, dass Baufirmen in Westbelfast an ehemalige Gefangene Niedriglöhne zahle.

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Seine Kritik an der Sinn Féin-Politik hat er immer wieder geäußert. In einem Interview erklärte er: »Ich rede keinem dummen Militarismus oder einer Rückkehr zum Krieg das Wort. Niemals in der Geschichte des [irischen] Republikanismus wurden so viele Opfer gebracht und so wenig erreicht. Ich frage mich, was mit dem Kampf in Gesamtirland, was aus der Vorstellung von einer aus 32 Grafschaften bestehenden sozialistischen Republik geworden ist. Darum ging es doch schließlich. Nicht darum, sich an einer Verwaltung im Norden zu beteiligen, die Krankenhäuser schließt und die Lehrergewerkschaften angreift. (...)

Unsere bisherigen Erfahrungen waren erniedrigend. Wir haben nach jeder Melodie getanzt, jedes Versprechen nicht eingehalten, das wir gegeben hatten, eine Politik betrieben, für die wir andere einst ›Kollaborateure‹ nannten, und diese Politik als progressiv ausgegeben, um unsere Basis zu täuschen. Haben wir lediglich bewiesen, dass die alte Weisheit ›Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit‹ stimmt?«

(Artikel von Brendan Hughes sowie Interviews unter http://lark.phoblacht.net/BH0208.html)

natter | 17.02.08 16:26 | Permalink