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Gustav Courbet: Sozialistischer Realismus und Pariser Kommune

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Gustave Courbet "Le Désespéré" (1843-45) Öl auf Leinwand

1977 fand die letzte umfassende Ausstellung zu Gustave Courbet statt. Vom 13. Oktober 2007 bis zum 28. Januar bietet das Grand Palais in Paris nun eine große Retrospektive, die in acht thematische Bereiche unterteilt ist. Gezeigt werden Gemälde, Photographien und Zeichnungen.

Courbet gilt als Hauptvertreter der realistischen Schule. Seine Kunst hat dabei dennoch eine gewisse Verwandtschaft mit den Impressionisten. Corbet hat insbesondere auf Monet, der 1869 in Fécamp und Etretat an seiner Seite malte, einen erheblichen Einfluss ausgeübt und zu seiner künstlerischen Entwicklung beigetragen.

1866 malte Gustave Courbet das "nackteste Nacktbild" der Kunstgeschichte, den Schoß einer Frau. Der detailliert dargestellte Unterleib einer liegenden Frau, die weibliche Genitalregion im Zentrum des Bildes schockierte den Kunstbetrieb bis ins Mark, ein solch obszönes Manifest eines schonungslosen Realismus hätte man selbst dem realistischen Großmeister Courbet nicht zugetraut. Folgerichtig verschwand das Bild für lange Jahre vor den Augen der Öffentlichkeit. 1995 wurde es in die Sammlung des Pariser Musée d'Orsay aufgenommen. vergessen scheint indessen heute Courbets persönliches Verständnis von Kunst auch als politischer Ausdrucksform. Nicht zufällig nannte der Künstler seine Werke sozialistischer Realismus... Jahrzehnte später wirkte sich dieses Verständnis, insbesondere nach der Oktoberrevolution auf die Entsteheung des Soz-Realismus aus.

Im Jahr 1844 war Courbet zum ersten Mal mit seinen Arbeiten im «Pariser Herbstsalon», einer der ersten großen Kunstmessen vertreten. Nachdem 1849 sein Werk «Die Steinklopfer» eine realistisch-kritische Darstellung von Strassenbauarbeitern für Aufsehen gesorgt hatte, löste sein Monumentalgemälde «Begräbnis in Ornans» aus dem Jahr 1850 einen regelrechten Skandal aus.

Seine real wirkende Malerei von Bauern und Geistlichkeit widersprach der herrschenden Vorstellung einer idealisierenden Darstellung. So wurde das Gemälde als ein Affront verstanden. Die später entstandenen Werke wirkten ebenso provokant auf seine Kritiker. Nach Ablehnung seiner Werke durch die Jury der «Pariser Weltausstellung» im Jahr 1855 errichtete Courbet einen eigenen Pavillon. Dieser erhielt die programmatischen Bezeichnung «Pavillon du Réalisme».

Courbet war Anhänger der sozialrevolutionären Ideen Proudhons, den er zusammen mit anderen Freunden auf einigen Atelierbildern porträtierte. «Réalisme» wurde nun zum synonym für eine eigenständige Stilrichtung, die in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhundert vor allem in Deutschland zahlreiche Künstler inspirierte und beeinflusste.

Courbet gehörte in dieser Zeit zur Pariser Boheme die das Leben in den Caffees prägte. In der Brasserie Andler traf er sich u.a. mit Charles Baudelaire oder Pierre Proudhon. 1869 wurde er zum Präsidenten der Republikanischen Kunstkommission ernannt und im Jahr darauf zum Stadtrat von Paris und damit zum Mitglied in der Pariser Kommune. Im Jahr 1871 war er als Beauftragter für Kunst und Museen in Pariser Kommunen tätig. In dieser Position konnte Courbet während des Bürgerkrieges einen grossen Teil bedeutender Werke erhalten.

Nach der gewaltsamen Auflösung der Kommune wurde er wegen seiner Beteiligung an der Zerstörung der Vendôme-Säule, dem von Kommunarden verhassten Symbol des französischen Kolonialismus und Imperialismus, zu sechs Monaten Gefängnis und 500 Francs Geldstrafe verurteilt und sein gesamtes Vermögens konfisziert. Nach seiner Freilassung im Jahr 1872 emigrierte er in die Schweiz. Hier starb Gustave Courbet am Silvestertag des Jahres 1877 in La-Tour-de-Peilz bei Vevey.

Infos zur Ausstellung:


Gustave Courbet (1819-1877): Eine Biografie des Musee d'Orsay

Michal Stachura | 22.11.07 14:30 | Permalink