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Frankreich/EU: Schweigen wenns brennt

von Madeleine Combray

Europa hatte Gestern eine gute Gelegenheit um sich von dem Paradigmenwechsel in der Politik nach Sarkozys Machtantritt zu überzeugen. Die Entlassung der vermutlich rechtswidrig zu Tode verurteilten bulgarischen Krankenschwestern und eines palästinenesichen Artzes, die zu Geiseln einer unverschämten Erpressungstrategie von Khadafi wurden, kann man nur begrüssen.

Dies ist aber noch kein Grund um die Tranzparenzlosigkeit der Verhandlungen mit Lybien zu akzeptiren und über diese Art politischen Kuhandel-Praxis auf EU-Ebenezu schweigen. Seit Jahren pflegt die EU und insbesondere Italien diese Art der Beziehungen im Mittelmeerraum. So zum Beispiel im Kontext der Errichtung von Flüchtlingslagern in Nordafrika oder durch eine moderne Art des Sklavenhandels mit Saisonkräften für Italiens Plantagen. Gravierend ist dies auch in diesem Fall, da die Bedingungen dieser vermeitlichen „Befreiung“ Konzequenzen für die Zukunft von ganz Europa haben.

In Frankreich ist Sarkozy längst für seine täglichen « coups d’éclat médiatiques » bekannt. Der Begriff bezeichnet ein Wortspiel zwischen « coup d’Etat » (Staatstreich) und « coup d’éclat » (Glanzstück). In den letzten fünf Jahren hat er eine politische Strategie weiterentwickelt. Sarkozy ist ein Meister seine Vorstellungen und Ansichten in den Medien durchzusetzten. Das bedeutet aber auch: die MedienmacherInnen in Frankreich sind nicht mehr in der Lage darüber zu urteilen, welche Nachrichten wichtig sind und wie sie behandelt werden solen. Sarkozy’s Presseabteilung bestimmt durch gezielte PR-Strategie de facto täglich darüber, was die Medien veröffentlichen werden. Und alle Nachrichten müssen in irgendeiner Form Bezug zu Sarkozy nehmen.

Nun soll diese Strategie auch auf der europäischen Ebene zur Anwendung kommen. Mit der „Befreiung“ der bulgarischen Krankenschwestern, will Sarkozy sich europaweit in der Öffentlichkeit als « der gute Ritter » profilieren. Dies hat Bedeutung, denn er hat grosse Projekte für die EU und das Mittelmeer parat. Am besten würde er die EU in dieser Hinsicht selbst anführen. Doch es ist nicht sicher, dass die anderen EU-Länder Frankreich die gleiche Stellung im Mittelmeer einräumen wollen, wie sie Sarkozy vorschwebt . Nach der gestrigen „Befreiung“der Krankenschwestern sind aber mögliche Proteste ersteimal zum Schweigen gebracht.

Es ist kein Zufall, dass Sarkozy sich direkt nach seiner Machtübernahme sehr aktiv für die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern engagiert hat. Während des Wahlkampfes hatte er schon angekündigt, dass er alle unterdrückten Frauen in der Welt unterstützen möchte. Parallel dazu hatte er mit dieser Geschichte auch die Gründung einer mediterrananen Union angekündigt.
Dies tat er im Namen der EU, obwohl er damals nur französicher Präsidentschafts-Kandidat war! Dabei ist der Diskurs dergleiche mit welchem Frankreich Jahrzentelang die Legitimirung der Kolonisation betrieben hat: eine zivilisatorische Mission.

Am 3. Juni sagte Sarkozy in Montpellier : « Das was Frankreich meiner Meinung nach im eigenen Land machen muss, ist genau dasselbe was es im Mittelmeer machen muss. Es soll dengleichen Zivilisationstraum Innen und Aussen darstellen. Wie konnten wir für die Anderen das machen, was wir für uns selbst nicht machen können ? ».

Es ist nicht ganz klar was Sarkozy mit der mediterranen Union meint. Es wurde als eine « Brücke zwischen der EU und Afrika » bezeichnet. Sicher ist es, dass er dieses Projekt für die EU leiten will.
Doch der Britte Gordon Brown könnte hier einen ähnlichen Machtanspruch haben, da er ebenfalls einen imperialen Traum träumt wie Frankreichs Präsident.

Am 10. Juli ist Sarkozy nach Algerien und Tunis verreist, um dieses Thema zu besprechen. In der gleichen Zeit wollte er auch nach Marrokko. Aber das Land hat den Besuch abgelehnt, weil es Sarkozy bei seinen mediatischen Spielchen nicht unterstützen wollte. An diesem Tag wurde auch ein Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Algerien definitiv abglehnt, weil Sarkozy sich nicht für die Anerkennung der französischen Verantwortung für Verbrechen in Algerien aussprechen wollte. Im Hinterkopf hatte er wohl nur ein Interesse an Öl und Gas und nicht so sehr an Freundschaft. Zurück in Frankreich angekommen sprach er sich für eine engere militärische Zusammenarbeit.

Gestern hat die für den Atomausstieg engagierte französiche Organisation « Sortir du nucléaire » gegen Sarkozys Deal, sprich den Tausch von « ziviler Atomkraft » gegen « Menschen » heftig protestiert. Die Medien haben diesen Protest aber nicht weiter aufgegriffen.

Dabei weisst man schon lange, was sich hinter den sogennanten « zivilen Atomverträgen » versteckt. In Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied zwischen ziviler und militärischr Atomkraft. In den siebziger Jahren gab es bereits eine « zivile » Atomzusammenarbeit zwischen Frankreich und Irak. Diese führte dazu, dass Saddam Hussein zwanzig Jahre später wegen nuklearen Massenvernichtungwaffen angeklagt wurde und deswegen Irak militärisch angegriffen wurde.

Es gibt keinen Grund dafür um daran zu zweifeln, dass im Falle Lybiens diese Entwicklung nicht einen ähnlichen Verlauf zeigen sollte. Interessant ist jedoch, dass Sarkozy über keine Legitimität verfügt um solche Verträge im Namen und für die EU zu schliessen.

Auch die Ehefrau des französischen Präsidentes hatte keinerlei Legitimität –weder in Frankreich noch innerhalb der EU- um sich bei diplomatischen Verhandlungen einzumischen.

Dass Sarkozy seine Ehefrau als seine eigene Vetreterin betrachtet, verweist vielmehr auf seine Machtvorstellungen. Die Verhandlunegn boten in Wirklichkeit Sarkozy eine willkommende Gelegenheit um seine Eheprobleme zu lösen.

Auländische Medien haben es geschafft Cecilia Sarkozy mit Grace Kelly zu vergleichen. Sie haben sie als eine zerbrechliche Frau dargestellt, die von ihrem Schicksaal –die Ehefrau eines Staatspräsident zu sein- überwältigt und unzufrieden ist. Mit ihrer Ehe soll sie unzufrieden sein und soll deshalb den Sieg ihres Ehemannes am 6. Mai nicht mitgefeiert haben. Ausserdem wurde öffentlich bekant, dass Sie ihren Mann nicht zum Präsidenten gewählt hat, den an den Wahlen hat sie überhaupt nicht teilgenommen.

« Was ist die Gegenmacht zur Regierung ? », fragte letzte Woche die Zeitung Le Monde Henri Guaino, einen Mitarbeiter von Sarkozy. Er antwortete : « EU-Regelungen. Es muss mehr Politik in der EU geben ».

In Frankreich weiss man was dies für Sarkozy bedeutet : er macht einfach alles was er will. Er zwingt alle dazu, seinen Entscheidungen zuzustimmen. Das hat er gerade im Falle Lybiens gemacht. Dabei konnten die EU-Vertreter nur schweigen.

Michal Stachura | 25.07.07 23:57 | Permalink