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Möchtegern-Reporter und vermeintliche Globalisierungs-Führer

Einige Anmerkungen zu der Ausstrahlung der Sendung „Report Mainz“ vom 04.06.2007, 21.45 Uhr im Ersten

von Kamil Majchrzak

Lügen haben kurze Beine. Doch einmal in die Welt gesetzt entwickeln sie eine Hartnäckigkeit, die es schwer macht dem polizeilichen Bewertungsmonopol Tatsachen entgegenzusetzen. Mit gezielten Falschmeldungen versuchte die Pressestelle der G8-Sondereinheit Kavala bereits vor dem Gipfel in Heiligendamm mehrere verfassungswidrige Aktionen der Polizei mit Unterstützung bürgerlicher Medien zu legitimieren.

So berichtete der Focus am 17. Mai: „Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts haben linksextremistische Gruppen Gewalttaten auf dem G8-Gipfel angekündigt“. Warum die „linksextremistischen Gruppen“ dies über die Pressestelle der Kavala machen sollten wollte Focus nicht nachrecherchieren. Diese Nachrichten dienten jedenfalls dazu in ganz Deutschland rechtswidrige Hausdurchsuchungen gegen Globalisierungskritiker durchzuführen. Nach einem ähnlichen Muster wurde auch von gewalttätigen Auseinadersetzungen während der Anti G8-Demonstrationen in Rostock, Säureverspritzende Clowns und vermeintliche Gewalttäter in den Camps berichtet. Auch hier beruhten die Meldungen auf gezielten Lügen der Pressestelle von Kavala.

Schlimmer als das nachplappern von Falschmeldungen wiegt aber die Dreistigkeit mit der ein Möchtegern-Reporter vom SWR diese Lügen auch noch mit Tatsachen zu untermauern suchte. Thomas Reutter mimte einen investigativen Journalisten und begab sich zur Klärung der Gewaltfrage nicht etwa ins Bundeskanzleramt, sondern ins Camp Rostock. Dabei wählte Reutter gezielt nur solche GesprächspartnerInnen aus, die der uferlosen Sicherheitshysterie weiteren Auftrieb geben und unterschlug alle Vorschläge sich mit Personen zu unterhalten die seine Gewaltphantasien wiederlegten. Als Mitglied der Camp Presse hatte ich die Gelegenheit ihm dabei auf die Finger zu schauen. Dennoch nahm der Reporter unter Missachtung demokratischer Entscheidungen im Nachhinein Bilder vom Camp auf, die ihm ausdrücklich untersagt wurden. Soviel zur journalistischen Redlichkeit.

Der Arme Kollege war anscheinend so bedroht gewesen, dass er bereits zu Anfang der Sendung Report Mainz sich selbst in die Krimi-Dramaturgie setzten musste um den Müll den er später präsentierte künstlich aufzuwerten: „Morgen im Camp Rostock. Hier sind viele der friedlichen Demonstranten untergebracht, aber auch viele, die dem Schwarzen Block angehören. Pressevertreter sind nicht erwünscht. Filmaufnahmen können nur unter Aufsicht gedreht werden oder heimlich unter Gefahr für Leib und Leben.“ Auf der Suche nach schwarzen Sweatshirts begaben wir uns ins attac-Zelt.

Die „Gefahr für Leib und Leben“ entstammt wohl seiner, durch die Berichterstattung der Kavala aufgeputschten Phantasie. Dabei beging er den kardinalen Fehler, die 8000 Anti-G8 Camper für unmündige Vollidioten zu halten. Diese hatten sich in einem grossen Plenum dafür ausgesprochen, keine Presse ins Camp hineinzulassen, es sei denn auf direkten Wunsch eines barrio (Zeltlager) welches ein Interview geben wollte. So erlaubte -unter Aufsicht eines Vertreters der Camp Presse- allein Solid, Block 8 und attac Aufnahmen in ihrem Lager. Jedoch nur attac erklärte sich dazu bereit auch Interviews zu geben. Daraus entstand der fatale Eindruck in den Medien das attac-barrio spreche für die gesamte Globalisierungsbewegung. Es verwundert kaum das Erasmus Müller von attac, sich deshalb in der so –uhu- klandestinen Reportage als Führer einer Globalisierungs-Bewegung inszenierte. Selbstverständlich fügte Müller die dazugehörigen, nunmehr bekannten Distanzierungen hinzu und sprach von „unserer Demo“.

Thomas Reutter setzte dann etwas nach und machte aus dem „Weißen Haus“ im Camp Rostock, in dem neben MigrantInnen, Demo-Sanis und das Legal Team untergebracht waren eine Hochburg des Black Block. Hier „haben sich viele Gruppen vom Camp eingerichtet, auch der Schwarze Block. (...) Noch sind Attac und die Steinewerfer unter einem Dach, in einem Camp, gehen gemeinsam auf Demos. Doch inzwischen fragt sich Erasmus, ob das bis zum G-8-Gipfel so bleiben kann. Späte Einsicht.“ Allerdings, den
Ersmus Müller von attac vergallopiert sich und spricht dann plötzlich von „unserer Bewegung“ so als ob die Globalisierungskritische Bewegung von attac verkörpert wurde.

Doch die Tatsachen lagen im Camp etwas anders. Am gleichen Tag forderte aufgrund dieser -noch nicht ausgestrahlten Äusserungen das Brandenburg barrio im Plenum- attac sich von diesem Müll zu distanzieren oder das Camp zu verlassen. Am gleichen Tag protestierte auch das Camp Reddelich gegen die Denunziationen von Peter Wahl und Monty Schädel. Einen Tag später folgte dann auch im Camp Rostock -unter sichtbaren Druck vom Camp zu fleigen- mit Beteiligung von attac eine gemeinsame Ablehnung der Loyalitätsbekundungen an die Polizei. Aber das scheint die Gewaltsuchenden-Touristen vom SWR nicht mehr zu interessieren.

Der Autor ist Redakteur der polnischen Edition der Le Monde Diplomatique

Siehe auch:

G8- Proteste: Attac und die Frage der Gewalt

Sendetermin: 04.06.2007, 21.45 Uhr, Report Mainz, Das Erste

Michal Stachura | 16.06.07 14:30 | Permalink