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Goodbye Peter Wahl!

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Gefährliche Tatwaffe sichergestellt! Foto: Thomas Aubin (Tomagnetik)

Es gibt Leute, die haben irgendwo in ihrer Karriere einen grossen Fehler begangen. So auch im Falle des Sprechers der deutschen Sektion von attac Peter Wahl. In der heutigen Ausgabe der Wochenzeitung Freitag vom 22.06.2007 versucht sich Wahl in seinem Beitrag "Die Gessler-Kapuze" in Anlehnung an Wilhelm Tell davon selbst zu überzeugen, dass er anstatt Globalisierungskritiker lieber Polizist geworden wäre. Ein Wechsel ist jederzeit möglich. Deshalb schon jetzt Good Bye!

Als Kritik dazu veröffentlichen wir vorab einen Leserbrief, der uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde und im kommendem "Freitag" vom 29. Juni erscheinen soll:

"Demokratie geklaut?

Peter Wahl, Mitglied des Koordinierungs-Kreises von attac fürchtet im Freitag # 25 („Die Gessler-Kapuze“), dass ein Phantom im schwarzen Pulli ihn seiner Demokratie beraubt. Sein Wilhelm-Tell-Vergleich hinkt ein wenig, denn die symbolische Gewalt einiger GlobalisierungsgegnerInnen stellt nur in den Phantasien der Verfassungsschützer eine echte Bedrohung für den Militär- und Polizeiapparat da. Wenn es heute einen Zwang zur unterwürfigen Verbeugung gibt, dann nicht vor der Hoffnung auf eine emanzipatorische Gesellschaft, sondern der Fassade eines demokratischen Rechtsstaates, der in Rostock sein wahres Gesicht gezeigt hatte.

Die Überzeichnung des Schwarzen Blocks als Bedrohung hat nur zum Ziel den Abbau der Bürger- und Menschenrechte voranzutreiben und über die eigene intellektuelle Impotenz hinwegzutäuschen. Peter Wahl erinnert an jene orientierungslos gewordenen Intellektuellen, für die es nach dem Mauerfall kein Außen mehr gibt. Die Folge dieses Renegattentums sind Arrangements mit dem Kapitalismus, den man mit Kosmetika erträglicher machen will, statt ihn -wie Tell- im Urnersee zu versenken. Wahl vergisst, dass die Globalisierungsbewegung nicht im Waldorfkindergarten entstanden ist, sondern eine Reaktion auf Krieg, Gewalt, Ausbeutung und Hunger ist. Insoweit geht es bei den Anti-G8 Protesten nicht darum das Modul „zivilgesellschaftliches Engagement“ in den Kriegsführenden Staaten zu füllen, sondern die Systemfrage zu stellen.

Wer sich seinen Denkhorizont durch Bilder, die von bürgerlichen Medien produziert sind oder die Polizei vorschrieben lässt, der kann nur einen Spagat versuchen an dessen einem Ende Denunziation und Distanzierungen stehen. Wahl sollte Schillers „Wilhelm Tell“ genauer studieren. Dieser hatte immerhin einen zweiten Pfeil in der Armbrust, der für Gessler bestimmt war: „Nein eine Grenze hat Tyrannenmacht: Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden (…) Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben.“

Kamil Majchrzak ist Redakteur der polnischen Le Monde Diplomatique

Michal Stachura | 22.06.07 12:53 | Permalink