« Toleranzgrenze überschritten - Wer sind die wahren Franzosen? | Hauptseite | US-Empörung war gespielt »

Frankreich sucht den Superstar. Zur Präsidentschaftswahl am Sonntag

Von Emmanuelle Piriot, Paris

Am Sonntag entscheiden sich die Franzosen für zwei von zwölf Präsidentschaftskandidaten. Stilfragen sind wichtiger als Ideen oder Überzeugungen. Die Hauptdarsteller Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy setzen auf persönliche Ausstrahlung, nicht auf die Marketing­argumente ihrer Parteien. Sarkozy zitiert hin und wieder Linke wie Jean Jaurès, gibt ansonsten den autoritären Aktionspolitiker. »Wer will, der kann«, ist sein Motto: »Jeder ist für sich alleine da, Gott für alle«. Warum er ein harter Hund ist, erklärte er am Tag der Bekanntgabe seiner Kandidatur: »Heute habe ich verstanden, daß nur Unglücke und Gebrechlichkeiten stark machen.« Eine Anspielung auf seine Eheprobleme, die den Chefredakteur des Boulevardblatts Paris-Match, das ein Foto von Sarkozys Ehefrau mit Liebhaber brachte, den Job kosteten.

Als Echo der rechten Rhetorik kritisiert Royal nicht nur die von den Sozialisten durchgesetzte Arbeitszeitverkürzung. Sie agiert weitgehend abseits des Programms ihrer Partei. Das Bild, das sie abgibt, ist aus der Seifenoper: erfolgreiche, hübsche Hausfrau, Mutter von vier Kindern. Daß sie im Schatten ihres Mannes François Hollande, dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei, Politkarriere gemacht hat, sagen nur Sexisten. Hollande wurde vor ihr als Kandidat gehandelt. Die medienpolitischen Spielregeln forderten anderes. Nach Gutsherrenmanier listete Royal im Rahmen einer »partizipativen Debatte« alle Probleme der Franzosen auf. Was Sie mit dieser Liste von Klagen vorhat, weiß keiner. Angeblich werden die Bürger an der Macht beteiligt, können alle Präsident werden. Royals Wahlkampf-Motto: »Frankreich als Präsident«.

Wie bei der TV-Show »Frankreich sucht den Superstar« ordnen sich die Kandidaten den Spielregeln der Medien unter, absolvieren »Pflichtübungen«.

Ihre Leistungen werden durch Meinungsumfragen bewertet. Seit Mitte Februar gab es mehr als 100 davon. Nicht alle Äußerungen wiegen gleich stark. Als Ende März im Gare du Nord mit Gewalt die Festnahme eines Schwarzfahrers verhindert werden konnte, bewahrten Kommentare die Kandidaten tagelang vor Sinkflügen in den Meinungsumfragen. Dagegen hat die politische Rede ausgedient, auch wenn Royal und Sarkozy in klassischer Rhetorik ausführlich über »Arbeit als Wert« sinnierten. Die »Debatte« war eine Gehirnwäsche. Sarkozy sprach viel von einer moralischen Krise. Seine Lösung: »mehr geben an die, die mehr arbeiten wollen«. Für die Arbeitslosen hat er nichts vorzuschlagen. Royal sieht die Rettung darin, »Arbeiter und Betriebe zu versöhnen«. Deshalb begab sie sich nach Aulnay-sous-Bois, zu den seit einem Monat streikenden Peugeot-Arbeitern. Ein »politischer Streik«, sagte Royal, und fragte die Arbeiter vor dem Fabriktor: »Mögen Sie Ihre Firma?«

Sehr weit ist der Wahlkampf nach rechts gerutscht. Als Sarkozy vorschlug, ein Ministerium der Nationalen Identität und Einwanderung zu schaffen, als er Pädophilie und Selbstmorde von Jugendlichen auf genetische Ursachen zurückzuführte, waren das Steilvorlagen für Royal. Sie konterte: Alle echten Franzosen, die eine Trikolore zu Hause haben, mögen am Nationalfeiertag Flagge zeigen. Auf dieser Wahlkampfbühne ist Jean-Marie Le Pen tatsächlich das Original, für das er sich hält.

Info:

Gleichzeitig erschienen in der Jungen Welt vom 21.04.2007

Michal Stachura | 21.04.07 13:30 | Permalink