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Von der Irak-Aggression zum Fronturlaub nach Rio

US-Militärs als Sextouristen machen Negativschlagzeilen
--von Klaus Hart, Sao Paulo--
Seit Beginn des Kriegs gegen den Irak bemerkte man sie immer häufiger am Zuckerhut, im Vietnamkrieg flogen sie von Saigon nach Bangkok ein - Artilleristen, Elite-Scharfschützen, Panzerbesatzungen, Bomber-und Hubschrauberpiloten, reichlich Offiziere. Inzwischen sind sie sogar in der jetzigen Sommer-Hochsaison im Gewimmel an den Rio-Stränden nicht mehr zu übersehen.

Die Stadtregierung und ihre Tourismusverantwortlichen sind gar nicht erfreut, daß die Soldaten als Sextouristen auffallen.
Der Strand von Ipanema zählt zu den attraktivsten Sehenswürdigkeiten der Zuckerhutmetropole –und im weltbekannten Bossa-Nova namens „Girl from Ipanema“ wird die Schönheit und Sinnlichkeit der Frauen des schicken, noblen Strandviertels treffend und poetisch besungen.
In diesen Tagen sonnen sie sich zu Tausenden am Atlantikstrand und haben unter ihren Bewunderern auffällig viele US-Militärs. Zumeist wohltrainierte, muskulöse Männer mit kurzem Militärhaarschnitt, auffälligen Tätowierungen, an denen man häufig ihre Waffengattungen erkennt. Erstmals machen die Soldaten in Brasilien Schlagzeilen, sind in Rio de Janeiro Stadtgespräch, weil sie „turismo sexual“ betreiben, als zahlungskräftige Gäste nicht nur in den exklusivsten Bars, Nachtclubs und Restaurants, sondern auch in den Ipanema-Bordellen und der berüchtigten Prostituierten-Großdiskothek „Help“ an der Copacabana gern gesehen sind. Bereits vor der Diskothek, auf dem Pflaster, bieten sich auch junge schwangere Mulattinnen, in knappstem Glitter-Bikini, hochhackigen Metallic-Sandalen nicht nur den Soldaten an, feilschen um den besten Preis.
„Nach dem Irak – „welcome to Rio“, titelt eine Qualitätszeitung – und eine andere: „Die Truppe auf der Suche nach Sex provoziert Polemik“.
“Wir wollen, daß die amerikanischen Soldaten ebenso wie alle anderen ausländischen Touristen wegen der Naturschönheiten, wegen des Karnevals oder unserer restaurierten Altstadt herkommen“, erklärt Rios Fremdenverkehrsbehörde. „Unter den ausländischen Gästen haben die US-Amerikaner mit 21 Prozent den größten Anteil, und da sie hier viel Geld ausgeben, werben wir um sie besonders. Aber Soldaten als Sextouristen wollen wir hier nicht.“
Daß US-Militärs vorrangig wegen Frauen und Sex nach Rio fliegen, hat indessen gemäß den Medienberichten bereits zu Verstimmung zwischen den Autoritäten Brasiliens und der Vereinigten Staaten geführt. Die Regierung des Teilstaates Rio de Janeiro schaltete das Außenministerium in Brasilia ein, um zu erfahren, auf welche Weise die Soldaten ein Einreisevisum erhalten. Den Angaben zufolge hat das nordamerikanische Konsulat in Rio unterdessen bestätigt, daß Washington den im Irak eingesetzten Militärs den Fronturlaub finanziert. Für Sextourismus würden indessen keine Regierungsgelder ausgegeben.
Seit dem Beginn des Irakkriegs, so heißt es, habe sich die Zahl der nordamerikanischen Soldaten in Rio vervierfacht.
Ausdrücklich kritisiert wird das Reisebüro „Tours gone Wild“ in Miami. Es hat sich offenbar besonders auf die Soldatenkundschaft spezialisiert und wirbt auf seiner Website mit zahlreichen Fotos von Frauen Rios in aufreizenden Posen.
“Diese Art von Propaganda für Rio verurteilen wir scharf“, betont die Fremdenverkehrsbehörde. „Wir werden jetzt gemeinsam mit dem brasilianischen Tourismusministerium eine neue Kampagne gegen Sextourismus starten, die jedoch nicht nur auf die Soldaten aus den USA, sondern generell auf alle Urlauber zielt. Denn Brasilianer sind schließlich auch unter den Sextouristen.“
Gemäß brasilianischen Sozialwissenschaftlerinnen, die Untersuchungen über Prostitution führen, sind entgegen landläufiger Auffassung die Sextouristen hauptsächlich brasilianische Männer – Ausländer stellten nur einen geringen Bruchteil.
--Weiblicher Sextourismus—
Renommierte Anthropologen wie Dr. Alberto Albergaria von der Bundesuniversität in Salvador da Bahia kritisieren zudem, daß aus Gründen „politischer Korrektheit“ der weibliche Sextourismus nur zu oft völlig unterschlagen wird. „Deutsche Sextouristinnen sind hier meist junge, intellektualisierte Frauen am Ende des Uni-Studiums oder am Berufsbeginn. Sie suchen die Nähe afro-brasilianischer Musikgruppen, treffen schwarze Intellektuelle, Schwarzenführer, gehen mit denen ins Bett. Und für einen Schwarzen ist es außerordentlich spannend und wertsteigernd mit einer weißen Deutschen auszugehen, die als reich gilt, in der Werteskala Bahias weit höher angesiedelt ist als eine Frau von hier. Denn je weißer man ist, umso mehr Wert hat man. Diese deutschen Frauen halten den Schwarzen für einen sexuellen Athleten, obwohl das ja gar nicht stimmt. Ich beobachte diese Dinge häufig unter den Akademikerinnen in meiner Umgebung. Da gibt es auch diesen berühmten Fall einer US-Amerikanerin, die von der staatlichen Indiobehörde nach drei Monaten aus dem Xingu-Reservat ausgewiesen wurde, weil sie mit der Hälfte der Indianer geschlafen hatte. Sie kam nach Bahia, schlief hier mit der Hälfte der Schwarzenführer, wurde richtig berühmt. Wenn ich in Bahia solche Dinge analysiere, schreiben das die Zeitungen nicht, halten solche Informationen für unbequem. Journalisten sind zudem meist Frauen, die Nichtregierungsorganisationen haben viel Kontrolle und Macht über die Medien, da geht nur politisch Korrektes durch. Das ist doch eine Kultur der Scheinheiligkeit.“
Laut Albergaria wurden von feministischen NGOs aus Europa regelrechte Mythen über den Sextourismus geschaffen – auch, um Gelder abfassen zu können. Die Frage sei sehr komplex, doch stets werde unredlich vereinfacht. Das Verhalten von Frauen, die auf der Suche nach Sex in tropische Länder reisten, unterscheide sich nicht im geringsten von dem männlicher Sextouristen, heißt es in neueren Studien.

Klaus | 01.02.07 21:55 | Permalink