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US-brasilianisches Alkohol-Monopoly?

Bush und Lula auf dem Weg zur Schnapsbrüderschaft
--von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro--
Wenn George W. Bush im März Brasilien besucht, wird Alkohol eine Hauptrolle spielen. Privat fundamentalistischer Antialkoholiker, setzt Bush als Präsident der USA auf drastisch steigenden Ethanolkonsum und liegt damit auf einer Linie mit seinem brasilianischen Amtsbruder Luiz Inacio Lula da Silva. "Biosprit" könnte in vielerlei Hinsicht die Basis für eine neue engere Beziehung mit Brasilien werden, betonte Bushs stellvertretender Außenminister Nichalas Burns jüngst in Sao Paulo während eines Vorbereitungstreffens zum bevorstehenden Staatsbesuch am 8.und 9. März in Brasilien.

Schon heute seien die USA und Brasilien die beiden größten Alkoholproduzenten in der Welt. USA und Brasilien zusammen zeichneten derzeit für 80 Prozent der globalen Ethanolproduktion verantwortlich. Dabei, betonte Burns, ginge es nicht um den Aufbau eines neuen Kartells a la Opec. Burns: „Wir sind keine Befürworter der Bildung von Kartellen.“
Die USA wollten zusammen mit der Regierung Lula auch andere lateinamerikanische und Karibik-Staaten zur Produktion von “alternativen” Brennstoffen, vor allem Alkohol, anregen. Dies könne zu einem globalen Ethanol-Markt führen, um die Macht der Erdöl exportierenden Länder zu brechen.
Bei einer Gesamtanbaufläche von heute 4,5 Millionen Hektar Zuckerrohr produzierte Brasilien im vergangenen Jahr fast 17 Milliarden Liter Ethanol und exportierte davon drei Milliarden Liter, fast fünf mal so viel wie vor drei Jahren. Die Vereinigung der Zuckerrohrindustrie (ÚNICA) rechnet mit einer Verdoppelung der nationalen Zuckerrohranbaufläche im nächsten Jahrzehnt auf 9,5 Millionen Hektar, was vor allem auf Kosten der Orangenanbauflächen und Rinderweiden in Dreieck Minas Gerais, Goias und Mato Grosso do Sul gehen solle.
Parallel zur Ausweitung Zuckerrohrfelder entstehen in Brasilien neue Ethanolfabriken. So unterzeichneten noch im Januar die mit größten Alkoholproduzenten Brasiliens, Chalet Agropecuária, Transcap Álcool e Açúcar S.A., und São Benedito ein Abkommen zum Bau von drei weiteren Ethanolfabriken – zum Großteil subventioniert mit Geldern der brasilianischen Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (BNDES), die bereits seit Jahren Zucker- und Alkoholsektor fördert. So vergab die Bank im vergangenen Jahr – nach eigenen Angaben – umgerechnet über 600 Millionen Euro an die Ethanol-Barone.
Doch dies ist erst der Anfang. Allein in Mato Grosso do Sul, wo sich Ende 2005 der Umweltschützer und Journalist Francisco Anselmo Barros, genannt Francelmo, aus Protest gegen neue Ethanolfabriken im Einzugsgebiet des Pantanal verbrannte, will die Zucker- und Alkoholbranche ihre Fabriken in den nächsten fünf Jahren auf 18 verdoppeln. Gedeckt wird dies mit einer offiziellen BNDES-Studie. Demnach müsse Brasilien bis 2010 einhundert neue Ethanolfabriken bauen, um die nationale und internationale Nachfrage zu decken. Es gelte die jährliche Alkoholproduktion rasch auf 25 Milliarden Liter zu steigern.
Die Ausweitung der Zuckerrohranbaus aber sei nach Ansicht des brasilianischen Wissenschaftlers Ariovaldo Umbelino de Oliveira der falsche Entwicklungsweg. „Eine Monokultur bringt immer unheilvolle Effekte und das Zuckerrohr keinen Gewinn für die lokalen Bevölkerungen, wo es angebaut wird“, so der streitbare Professor der Universität Sao Paulo. Wenn es stimme, dass die Zuckerrohrmonokulturen der Bevölkerung dienten, dann müsste die Bevölkerung im Nordosten – ein traditionelles Zuckerrohranbaugebiet - reich sein. Doch tatsächlich ist der Nordosten Brasiliens „Armenhaus“.
Noch heute wird 80 Prozent der Zuckerrohrernte des größten lateinamerikanischen Landes von Menschenhand erledigt – rund eine Million Saisonarbeiter, deren Lohn kaum zum nackten Überleben reicht. Niedrige Löhne und miserable Arbeitsbedingungen seien nur einige der Probleme der Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Zuckerrohrplantagen, erklärte im vergangenen Jahr auch der Sprecher des Ministério Público do Trabalho (MPT), Carlos Alberto Tidei. Tatsächlich seien Arbeitsbedingungen und Leistungsdruck in Brasiliens Zuckerrohrplantagen heutzutage so schlimm wie nie zuvor, berichtet die Wissenschaftlerin Maria Aparecida de Moraes Silva von der Universität Sao Paulo. Noch in den 70er Jahren mussten die Plantagenarbeiter „lediglich“ drei bis vier Tonnen Zuckerrohr pro Tag schneiden. Heute aber liege das Tagessoll bei bis zu 12 Tonnen – manche sprechen von bis zu 20 Tonnen. Folge dieser „Produktivitätssteigerung“ sei, dass die Plantagenarbeiter auf den Feldern oft bis zur totalen Erschöpfung schuften müssten, weshalb in den vergangenen zehn Jahren Dutzende von Zuckerrohrschneidern in den Feldern umkamen – sie brachen noch während der Arbeit oder nach Arbeitsschluss einfach zusammen.
Die Ausweitung der Zuckerrohr- und Alkoholproduktion werde nach Ansicht Professor Umbelino de Oliveiras aber keinesfalls den Arbeitern zugute kommen. Statt die Löhne zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, gehe der Trend der „Zucker- und Alkohol-Barone“ hin zur Mechanisierung der Ernte. Vor allem in Mato Grosso do Sul und Goiás bedeute dies: Mehr Maschinen, weniger Arbeitskräfte.

http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=864&sid=160


Klaus | 27.02.07 23:19 | Permalink