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Fidel Castro doch nicht fast tot

Brasiliens Befreiungstheologe Frei Betto nennt "unbequeme" Pro-Kuba-Argumente
--von Klaus Hart, Sao Paulo--
Wieder dumm gelaufen für die internationale CIA-Journaille - nach der Freude über den angeblich bevorstehenden Tod Fidel Castros auf einmal Fernsehbilder, die den Revolutionsführer in besserer Verfassung zeigen als vor Monaten. Wie einst die Kreml-Astrologen, verdienen sich heute die Gerüchteverbreiter über Castro und Kuba in den Medien eine goldene Nase. Ordentliche Argumente, Fakten zur Lage auf der Karibikinsel, zur Rolle der USA hat indessen die katholische Kirche parat, der Vatikan ebenso wie der brasilianische Befreiungstheologe, Bestsellerautor und Dominikanerbruder Frei Betto aus Sao Paulo.

Er erinnert daran, daß Kuba -- und Castro - zehn Präsidenten der USA, über zwanzig CIA-Direktoren und selbst den Domino-Effekt des Falls der Berliner Mauer "überlebten". Kuba habe bessere Sozialindikatoren als die reichsten Länder Lateinamerikas, sei die am meisten alphabetisierte Nation dieser Region. Die Kindersterblichkeit sei so niedrig wie in Schweden. Wegen solcher Fortschritte habe sogar Papst Johannes Paul der Zweite bei seinem Besuch von 1998 Kuba gelobt. Laut Frei Betto verließen viele Kubaner die Insel aus Faszination für den "american way of life." Auffällig sei indessen, daß gerade die Gefängnisse der USA voll von geflüchteten Kubanern seien.
Für jemanden, der in Brasilien zu den Reichen gehöre, wäre ein Leben in Kuba die Hölle. Ähnlich sähe es für brasilianische Mittelschichtler aus. Wer in Brasilien indessen arbeitslos oder Lohnempfänger sei, "würde den Himmel kennenlernen: In Kuba gibt es keine Arbeitslosigkeit, keine Slums, keine städtische Gewalt. Allen sind die drei Grundrechte Ernährung, Gesundheit und Bildung sicher. Welches andere Land auf dem Kontinent garantiert diese Menschenrechte der gesamten Bevölkerung?"
Der Dominikanerbruder erinnert an das frühere Argument, Kuba könne sich nur dank der Sowjetunion halten. "Die ist verschwunden - doch die Revolution ging deshalb nicht unter."
Rio de Janeiro hat etwa ebensoviele Einwohner wie Kuba - derzeit machen am Zuckerhut immer mehr an der Irak-Agression beteiligte US-Soldaten von Washington bezahlten Fronturlaub - und vorhersehbar als Sextouristen Negativschlagzeilen. Havanna, beinahe ganz Kuba, war früher ein abstoßender Ami-Puff, nicht nur für Soldaten, etwa die aus Guantanamo. Ärgerlich für diese Klientel heute - würde es wieder so wie früher, brauchte man nicht etwa nach Rio zu fliegen.
Frei Betto stellt die Frage: Wenn Kuba so fürchterlich ist, warum zieht es mehr Touristen an als das ganze riesige Brasilien?
Mit oder ohne Castro werde Kuba sich verändern müssen. "Ich hoffe indessen, daß Kubas Zukunft nicht die Gegenwart des Rests von Lateinamerika sein wird: Formal-Demokratien, eingekreist von Misere, Drogen, Gewalt und Arbeitslosigkeit." In Brasilien werden jährlich über 55000 Menschen ermordet, werden in Rio im Parallelstaat der Slums vom organisierten Verbrechen Mißliebige lebendig verbrannt. Wieivele waren es doch gleich in Kuba?
Frei Betto hofft zudem, daß auch künftig jene große Aufschrift am Flughafen "Jose Marti" von Havanna stimmen wird:"Diese Nacht schlafen Millionen von Kindern dieser Welt auf der Straße. Keines davon ist ein kubanisches." Ob an der Copacabana, der Avenida Brasil oder der Avenida Presidente Vargas, nach einem Hitlerverehrer und Judenhasser benannt - Kinder, ganze verelendete Großfamilien, die in Dreck und Müll, umkreist von Ratten und großen Schaben, auf der Straße schlafen, sieht man in Rio de Janeiro nachts reichlich. Die Stadt hat rund tausend Slums. Demokratische Verhältnisse sozusagen.

http://www.ostblog.de/2006/09/befreiungstheologie_und_kuba.php

Klaus | 31.01.07 14:27 | Permalink