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Die Guten Raketen und die Bösen Raketen

2000 Menschen haben heute abend auf dem Prager Wenzelsplatz gegen die geplante Errichtung eines Teils des us-amerikanischen Raketenabwehrsystems in Tschechien protestiert, so meldet Radio Prag.
Die Demonstranten zogen durch die Innenstadt in Richtung US-Botschaft. Der Prager Magistrat hatte die Demonstration verboten.

Wie in anderen ehemaligen Ost-Block-Staaten wurde auch in Tschechien gefeiert, als die sowjetischen Truppen mit ihren Panzern, Raketen und Flugzeugen das Land verließen. Auch dort wurde geplappert: Von Unabhängigkeit, von Selbstbestimmung, natürlich von Freiheit und Demokratie. In Lettland z.B. holte man sich gleich anschließend die US-Polizeiberater, die US-Militärberater, die US- u.a. Geheimdienste ins Land: Die Vertreter der Repressionsinstrumente des Staates. Freiheit und Demokratie – durch Aufgabe von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Während im Sommer 2006 noch alle fünf Parlamentsparteien kurz nach der Wahl in Tschechien ein Referendum über die Errichtung eines solchen Militärstützpunktes für unbedingt notwendig hielten, ist davon heute kaum noch die Rede. Der neue Premier Mirek Topolanek, die Spitze des Landes nach über einem halben Jahr Kasperletheater um die Regierungsbildung, kann nur noch Positives sehen: "Zum ersten geht es um einen bedeutenden Prestigegewinn für unser Land. Auch wir tragen einen Teil der Verantwortung dafür, was in der Welt geschieht. Der zweite und bedeutendste Aspekt ist, daß sich die Sicherheit unserer Bürger mit der Installierung der Radaranlage wesentlich erhöhen würde. Und zum Dritten läßt sich natürlich auch mit einem positiven ökonomischen Effekt rechnen."
Einige besonders kluge Politiker schwebt doch ein größerer Handel vor, als nur der ökonomische Gewinn, den der Bäcker im Nachbarort macht. Sie möchten gern ein Entgegenkommen ihrerseits mit der Aufhebung der Visapflicht bei Reisen in die USA verknüpfen.

Während kürzlich der Journalist und Autor Karel Hvizdala im Interview mit Radio Prag das geringe Niveau der tschechischen Medien beklagte, meinte Radio Prag nun gleich selbst noch einen Beitrag dazu leisten zu müssen.
Wer sich näher mit dem Thema beschäftigt, erfährt schnell, die Tschechen, und auch deren Entscheidungsträger, wissen zum jetzigen Zeitpunkt übers Radar- und Raketensystem so gut wie nix, und die US-Verantwortlichen geben denen auch keine konkreten Informationen raus.
Radio Prag also befragt den „Sicherheitsexperten“ Bretislav Dancak, der erst mal einführend sagt: "Man muß davon ausgehen, daß das Raketenabwehrsystem eine relativ komplizierte Anlage ist und aus mehreren Komponenten besteht.“
Aha.
Die negative Haltung der Mehrheit der tschechischen Bevölkerung gegenüber der Errichtung solcher Militärstützpunkte macht offensichtlich nicht nur den Politikern, sondern auch ihren Medien Sorge:
Radio Prag fragt: „Kann die geringe Akzeptanz von Seiten der Bürger letzten Endes nicht ein Problem darstellen? Könnte die Anlage deswegen nicht leichter ein Ziel für Terroranschläge und dergleichen werden?“ Bretislav Dancak, der „Sicherheitsexperte“ antwortet:
"Erstens muss man anmerken, daß es in Tschechien eine Reihe von strategischen Objekten gibt, die besonders stark geschützt werden. Sollte also jemand auf die Idee kommen einen Anschlag zu verüben, nur weil Tschechien Mitglied der NATO oder loyal gegenüber den Amerikanern ist, dann gäbe es eine Reihe von weitaus besseren Zielen: etwa Staudämme, Atomkraftwerke und Weiteres. ...“ (http://www.radio.cz/de/ausgabe/87765)
Versteht einer die „Sicherheitsexperten“, die offensichtlich nix verstehen?
Werden die mit ihren Politikern unzufriedenen tschechischen Bürger ihre Staudämme sprengen?


david | 29.01.07 23:06 | Permalink