« Ali, du bist Islamomacho | Hauptseite | Kulturminister Gilberto Gils vierjährige Amtszeit – eine grausige Bilanz für Brasilien »

Angriff auf Berliner Lesebühnen

Am Montag, dem 11. Dezember, wurde im Bezirk Prenzlauer Berg in der Galerie-Kneipe "Wallywoods" eine neue Lesebühne namens "Achim Wendels Rumpelofen" eröffnet, die sich als Anti-Lesebühne zu verstehen schien und sich "Käsebühne" nannte bzw. nennt. Der Betreiber Joachim Wendel, ein hagerer Mann in den Mittdreißigern, der sich als "Jochen Schmitz" vorstellte, begann den Abend mit ein paar grundsätzlichen Worten und las dann einen 5-minütigen Prosatext vor, der den Titel der Bühne - eine Anspielung auf eine frühere Sendung des DDR-Fernsehens namens "Willi Schwabes Rumpelkammer" - insofern genauer erklärte, da zu vernehmen war, daß der Autor gern Feuerzeuge in Öfen wirft. So weit, so gut. Dann aber traten drei maskierte Gestalten auf die Bühne, die sich - in Anspielung auf die Stars der Berliner Lesebühnen Wladimir Kaminer, Ahne und Stein - als "Velimir Kaminer", "Urahne" und "Stone" ausgaben.

Diese verlasen abwechselnd fünf Thesen zum Thema Lesebühne - Lesebühnen seien "so nützlich wie ein Kropf", Lesebühnenschreiber würden für das Publikum schreiben, das Modell Lesebühne hätte als "revolutionäres Mittel gegen den kapitalistischen Literaturbetrieb" ausgedient und ähnliche Platitüden mehr. Anschließend wurde verkündet, daß von nun an alles anders werde und jeden Monat ein Buch zum Thema erscheinen würde. Das erste wäre von Velimir Kaminer und hieße "Schönhauser Allee" und daraus las man anschließend vor. Diffuse und oft arg langatmige Fragmentfetzen folgten, die sich lose um das Thema "Idiot", "Halbidiot" und "Vollidiot" rankten. Die drei maskierten Männer behaupteten noch, daß man beim nächsten Treffen (8.2.06) Verstärkung in Form von "Falko Henning" mitbringen würde und gingen von der Bühne. Zum Abschluß las die Lyrikerin Tone Avenstoup norwegische Gedichte. Tatsächlich anwesende Vertreter der Berliner Lesebühnen wie Falko Hennig, Ahne u. a. schienen von dieser Veranstaltung sichtlich irritiert zu sein, wenngleich sich der Abend eigentlich gar nicht sonderlich von anderern Lesebühnenabenden unterschied. Das Publikum stutzte ebenfalls, die peinlichen Großmäuligkeiten der drei Vermummten wurden nur rar beklatscht.

Reiner Rupp

natter | 12.12.06 16:51 | Permalink