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Liberté, Egalité, Fraternité - Neuer Pariser Frühling ?

- von Michał Stachura aus Paris -

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Innenhof der Sorbonne bewacht von der CRS am Samstag gegen 15:00 Uhr

Am Donnerstag besetzten ca. 200 StudentInnen die ehrwürdige Universität Sorbonne in Paris. Die Aktion bildete den Höhepunkt von zahlreichen Demonstrationen und Streiks, die sich derzeit über ganz Frankreich ausbreiten. Hintergrund der Proteste ist ein neues Berufsanfängergesetz (CPE - Contrat Premiere Embauche), das die Arbeitgeber ermächtigt, Jugendliche zwei Jahre "auf Bewährung" zu beschäftigen. Während dieser Zeit können sie ohne Angabe von Gründen jederzeit gefeuert werden. Der französische Premierminister Dominique de Villepin gibt an die Maßnahme diene der Reduzierung der hohen Jugendarbeitslosigkeit.

Am Freitag-Abend blockierten ca. 200 Studierende eine Hauptverkehrsstrasse in unmittelbarer Nähe der Universität. Gestern (Samstag) früh gg. 3:00 Uhr stürmte dann die berüchtigte und banlieu-erprobte Polizei-Spezialeinheit CRS die Gebäude. Dabei kamen Tränengas und Schlagstöcke zum Einsatz. Nach der brutalen Aktion fand gestern gegen 14:00 Uhr eine „Presse-Begehung“ der Räumlichkeiten mit Gilles de Robien (Minister für Hochschulbildung) und dem Rektor der Sorbonne Maurice Quénet, der die CRS zur Räumung heranholte statt. Diese "Begehung" sollte wohl dazu dienen die DemonstrantInnen zu kriminalisieren. Vorgeworfen wurde Ihnen alles was man dem republikanischem Bourgeois als anstandslos und amoralisch präsentieren konnte. So wurde eine Bibel-Ausgabe (was diese an einer Universität in einem laizistischen Staat wohl sucht?) und ein angekokeltes Archäologie-Buch den JournalistInnen als die Kronzeugen für die Verwerflichkeit der BesetzerInnen vorgestellt.

Gilles de Robien stellte bei der "Journalistischen Propaganda-Schau" die BesetzerInnen in eine Ecke mit „Nazis“. Dies begründete er damit, dass die BesetzerInnen "Kulturgut" durch angebliche Bücherverbrennungen - wie einst die Nazis während der Reichspogromnacht 1938 auf dem Platz vor der Humboldt-Uni - zerstört haben. In Wirklichkeit wurden aber auf dem Innenhof der Sorbonne keine Bücher verbrannt (ich habe kein einziges gesehen ausser dem von Robien mitgebrachten, vielmehr glühten dort die französische Version der Bingo-BZ et altera und Werbezeitschriften). Die meisten Schäden (zerschlagene Scheiben) sind auch wohl erst durch den Sturm der CRS entstanden.

Der Ostblog war vor Ort und dokumentiert die "Propaganda-Begehung" mit einigen Fotos und Videos (aus technischen Gründen wurden diese Videos hier hochgeladen: http://de.indymedia.org/2006/03/141105.shtml )

Weitere Infos: Video : Sorbonne Occupé / Indymedia-Paris
http://thibautcho.free.fr/video/sorbonfire.wmv

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Barrikaden am Freitag Abend


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Platz am Auguste Compte Denkmal am Samstag. Proteste nehmen trotz Räumung der Sorbonne nicht ab


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Knüppel-Päuschen


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Embedded journalists warten auf den Minister vor dem Haupteingang der Sorbonne


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CRS am Eingang in den Innenhof der Sorbonne und Reste der ersten Barrikade


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Empfangshalle Sorbonne


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Bla Bla des Ministers Gilles de Robien (links) und des Rektors Maurice Quénet (rechts) der den CRS an die Uni holte


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Teile von Barrikaden


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Amour et Sedition, Fenster (Innenhof) der Aula wo sich die BesetzerInnen verschanzt haben


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Bei der gewaltsamen Räumung ging es schnell zu. Persönliche Notizen, Jacken, Pulover sowie Wertsachen lagen in der ganzen Aula verstreut herum


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Büro der École de Chartres aus der angeblich die christliche "Bibel" aus dem Fenster geflogen sei. (Siehe dazu auch das Video mit Erklärung eines Mitarbeiters des Rektorates)


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Rektorats-Mitarbeiter offenbart den ganzen "Barbarismus" der BesetzerInnen: diese Bibel soll aus dem Fenster geschmissen worden sein (einen Augenblick später sah ich ihn lachend mit der Rektorats-Polizei)


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Brandstelle im Innenhof. Für Blaublut-Grafensohn Robien ein Grund die BesetzerInnen mit "Nazis" zu vergleichen. In Wirklichkeit wurden dort gar keine Bücher, sondern Springer-Ähnlicher-Müll und Reklamezeitschriften verbrannt …


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"Nous ne travaillons jamais" [Wir arbeiten nie] (Kreide auf massiven Stein, AutorIn unbekannt, ca. XXI. Jh.) Der Minister meint dies sei der endgültige Beweis, dass die BesetzerInnen "Nazis" seien (siehe dazu auch die beiden Videos)


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Innenhof der Sorbonne


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Der Minister beweint den Schweppes-Kühlschrank und präsentiert diesen den JournalistInnen als Beweis von "Demo-Barbarismus". Die BesetzerInnen fanden dass dieser - entleert - besser als Barrikade geeignet ist


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„Action Direct“ - Graffiti auf der Tür der Empfangshalle


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Straßensperre vor dem Haupteingang der Sorbonne


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CRS sammelt sich am Samstag Abend am Boulevard St Michel um die Sorbonne weiterhin abzuriegeln


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Nix Freiheit und Gleichheit in Frankreich!

© Copyright für Fotos und Videos by ostblog.de
Alle Fotos vom Samstag zwischen 14:00 und 17:00 Uhr von Michał Stachura.
Das Video von der Errichtung der Barrikade wurde Freitag-Nacht gemacht, kurz vor Räumung der Sorbonne.

Michal Stachura | 12.03.06 11:28 | Permalink

Kommentare

"Ne travaillez jamais" war ein Mauerslogan von 68. Danke für den Bericht.

Verfasst von: Maiglöckchen | 12.03.06 14:34

coole sache das, danke.
videos kannst du auch auf archive.org oder video.indymedia hochladen, aber de.indy ist auch gut.
und auf gerne den ganzen artikel auf indy posten :)

Verfasst von: aklex | 12.03.06 17:09

Der Minister versucht hier anscheinend vorsorglich evtl. Parallelen mit Mai 1968 zu vernebeln. In den 50er Jahren stellten die Situationisten, eine Gruppe von Intellektuellen in Frankreich, die Forderung "Ne travaillez jamais! Der Slogan zirkulierte dann im Mai 1968.

http://www.pictoeil.com/ima/inscription1.jpg

Siehe zeitgenössische Aufnahme des Themas auch bei: Andreas Siekmann, ABMachine / Ne travaillez jamais http://www.mip.at/de/werke/538-content.html

Verfasst von: Nous ne travaillons jamais | 12.03.06 21:48

Merci pour ce beau témoignage de solidarité internationale !

Verfasst von: oyseaulx | 13.03.06 00:19

Der Minister heisst ehrlich Gilles de Robien. Der ist ein katholischer Liberal.

@Michał Stachura: Danke für den Hinweis, da hat mir das Rektorat wohl einen falschen Namen genannt. Habs korrigiert.

Verfasst von: Samuel brunner | 13.03.06 05:36

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