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Amélie, irische Schriftsteller und ein preisgekröntes Schweinebuch

– Der bretonische Inselbuchsalon

Vom 24. bis 28. August 2005 fand auf der bretonischen Insel Ouessant der ›7. Salon International du Livre Insulaire‹ statt.

In seinem jüngst erschienenen Buch »Bedürfnisse und der Umgang mit Dingen – Eine historische Ethnographie der Île d’Ouessant, Bretagne, 1800-2000« (Berlin: Reimer ) hat Gregor Dobler das Alltagsleben auf dieser der Region Finistère vorgelagerten Insel en gros und en detail beleuchtet. Dobler berichtet über den Alkoholkonsum ebenso wie über die Tatsache, dass die Inselbewohner kaum spazieren gehen, obwohl das flache, baumlose, von Felsen und einer tückischen See umgebene Eiland zu Spaziergängen geradezu einlädt, wenn nicht gerade ein heftiger Atlantiksturm darüber hinweg fegt.

Vom Alkoholkonsum der Inselbewohner einen Eindruck verschaffen kann sich der Besucher in der Bar ›Ty Korn‹, die viele nur deshalb ansteuern, weil diese hin und wieder von Yann Tiersen frequentiert wird, der durch seine Musik für den Film »Die fabelhafte Welt der Amélie« zu internationalem Ruhm kam.

Der Schwerpunkt des diesjährigen Inselbuchsalons war die Grüne Insel – »L’Irlande et sa littérature«. Im Salon, untergebracht in der Turnhalle des Ortes Lampaul, kommen jedes Jahr Schriftsteller einer ausgewählten Insel und auf Inseln beheimatete Verleger zusammen. Frühere Schwerpunkte waren: Neukaledonien (2002), Les Îles Marquises (2003) und Haiti (2004).

Aus Irland waren Schriftsteller und Dichter der irischen wie der englischen Sprache angereist: Desmond Egan, Anna Heussaff, Diarmuid Johnson, Jennifer Johnston, Dara Ó Conaola, Micheál Ó Conghaile und Vincent Woods. Die Iren zeigten sich jedoch ein wenig enttäuscht, hatten sie doch kaum Gelegenheit, aus ihren Büchern zu lesen. Lediglich Desmond Egan gelang es, mehrere Gedichte aus seinem gerade in Frankreich veröffentlichten zweisprachigen Band »Music et autres pòemes« (Gardonne: éditions fédérop), der fünf Gedichtzyklen enthält, zum Vortrag zu bringen. So etwa aus dem Zyklus ›Famine‹ (Hungersnot), mit dem er die britischen Okkupanten anklagt:» (...) Tausend Jahre des Mordes / Tausend Jahre der Ausplünderung / Tausend Jahre der Vergewaltigung...« Zum Abschluss seines Auftritts pries Egan die »Solidarität der Kelten, der Bretonen und Iren«. Die Iren sind freilich keine »reinen« Kelten , sondern – so der irische Philosoph Richard Kearney einst – ein recht »hybrides Völkchen«. Der Dichter Bert Papenfuß sprach in diesem Zusammenhang einmal von der »Keltenkacke«.

Als freiwillige Zugabe sang Egan dann ein irischsprachiges Lied »über das Abholzen der Wälder durch den alten Feind England«.

Im Literarischen Café dominierten ansonsten das Geschehen meistens die Literaturwissenschaftler mit ihren sich zu Monologen auswachsenden »Einleitungen«, als dozierten sie von ihrem universitären Katheder aus. Den so vorgestellten Iren blieben dann nur noch wenige Minuten, um ein wenig Auskunft über sich zu geben. So berichtete etwa der auf den Aran Inseln beheimatete Dara Ó Conaola von dem einzigen Foto, das der irische Dramatiker John Millington Synge (1871-1909) auf der Aran Insel Inisheer schoß. Es ist Ó Conaolas ganzer Stolz, zeigt es doch seinen Vater sowie seine Großeltern. Synge, der sich auf Anregung des poetischen Großmeisters William Butler Yeats auf die Aran Inseln begeben hatte – Motto: »Die echte, reine Freude findet man nur in der wilden, hinreißenden Wirklichkeit« – habe, so Ó Conaola, »die Sprache der Möwen besser verstanden als Irisch«, auf den Aran Inseln etwas »Magisches« gefunden und dann »das irische Theater ein für allemal verwandelt«.
Der in der südirischen Grafschaft Sligo lebende Dermot Healy sprach über die irischen Erfahrungen der Emigration, von denen schon sein Roman »Sudden Times« (dt. »Jähe Zeiten«) handelte. Er führte weiter aus, dass die Bürger der Republik Irland seit Beginn der sog. »Troubles« in Nordirland nur in den seltensten Fällen Belfast besucht hätten. Für die katholischen Jungen in der vom Klerus ideologisch kontrollierten Republik seien jedoch die Miniröcke der protestantischen Mädchen in Nordirland stets reizvoll gewesen. Während der Podiumsdiskussion ›Die zeitgenössische irische Literatur ‹, bei der breit über die jahrzehntelang in Irland praktizierte staatliche Zensur gesprochen wurde (der auch Romane der Weltliteratur zum Opfer fielen) erzählte Healy, er sei erst jüngst bei der Aufführung eines Theaterstücks von ihm auf den Hebriden zensiert worden. Die Regisseurin habe alle Textpassagen gestrichen, in denen es ums exzessive Trinken geht. Das Stück sei beim Publikum dennoch gut angekommen, weil es darin auch »ums Ficken« gehe. Gefickt werde im Stück allerdings in gälischer Sprache, und die habe die Regisseurin nicht beherrscht.

Der Buchhändler Desmond Kenny aus Galway erklärte während der Podiumsdiskussion, seit ein paar Jahren sei ein neues Selbstbewusstsein bei den irischen Schriftstellern festzustellen. Ihre Themen seien keine exklusiv irischen mehr, ihr Blick nicht länger nur nach innen gerichtet. Das beste Beispiel sei Colum McCann mit seinem Roman »Dancer« (dt. »Der Tänzer«), der Rudolf Nujerew gilt.

Der Höhepunkt des Salon International du Livre Insulaire war jedoch die Verleihung der Inselbuchpreise. In der Kategorie ›Wissenschaft‹ wurde »Porchi è cignali: saveurs et mystères des suidés« (Ajaccio: Albiana) ausgezeichnet, ein Ausstellungskatalog des Musée de la Corse. Gegenstand des Kataloges sind die Schweine und Wildschweine auf Korsika. In der Kategorie ›Prose Narrative‹ ging der Preis an Wanda Dressler und das Buch »La Corse en question(s)« (ebenfalls Albiana). Dressler widmet sich den politischen und sozialen Implikationen, die der korsische Nationalismus mit sich bringt. Als schönstes Buch wurde Yannick Verdenals Studie über die in Richtung Antarktis, zwischen Südafrika und Australien gelegenen Inseln Saint-Paul und Amsterdam prämiert: »Saint-Paul et Amsterdam: voyage austral dans le temps« (Haroué: Gérard Louis). Im Bereich ›Fiction‹ wurde das im Pariser Verlag Métailié erschienene Buch »Les Naufragés« des chilenischen Autors Hernán Neira preisgekrönt, das von den Horrorerlebnissen handelt, die ein Leuchtturmwärter machen muss (Originaltitel: »Ameland«; Übersetzer: François Gaudry). Im Bereich ›Poesie‹ mussten sich zwei Dichter den Preis teilen: Desmond Egan (»Music et autre poèmes«, s. o.) und Lionel-Edouard Martin. Martin nimmt sich in seinem Band »Ulysse au seuil des îles« (Matoury, Guayana: Ibis rouge) erneut des Odyssee-Mythos an.

Mit dem Großen Preis für sein gesamtes Œuvre wurde der Haitianer Frankétienne ausgezeichnet, weil er – so die Jury – in französischer und in kreolischer Sprache brilliere. Er selbst sagte einmal über sich: »Ich bin ein Bastard, ein haitianischer Neger mit weißer Haut.« Der 1936 geborene Frankétienne, der nicht nur Dichter, sondern auch Dramaturg, Romancier, Schauspieler, Maler sowie Schöpfer des Spiralismus ist und – einem Hurrikan der Karibik gleich – textlich alles durcheinander wirbelt , debütierte 1964 mit dem Gedichtband »Au fil de temps«. Zuletzt erschien von ihm der Band »Anthologie secrète« (Montréal: Mémoire d’encrier). Die Zeitung »Le Monde« nannte Frankétienne , von dem Texte in deutscher Sprache in »Lettre International« sowie in den »Horen« erschienen, einst »einen Koloss der haitianischen Literatur«.

Welcher schreibender Kolosse sich der Inselbuchsalon von Ouessant im nächsten Jahr annehmen wird, wurde noch nicht bekannt. Der Salon-Pressesprecher Jean Pierre Douay deutete jedoch an, es könnte sich um die Wortwerker »einer Mittelmeerinsel« handeln. Die Entscheidung wird demnächst auf der folgenden Website zu finden sein: www.livre-insulaire.fr.

Für den Ostblog von Jürgen Schneider

A.S.H. | 01.09.05 11:12 | Permalink

Kommentare

Ich schäme mich..
Schäme mich geküsst zu haben..
Diese Frau.. so unsäglich böse, so Hasserfüllt und schlecht.
Der Kuss der Musen..
Nicht immer ist es beste Wahl.. so manchmal reine Höllenqual...
so mancher Kuss spät in der Nacht, der trifft auf Eitelkeit und Niedertracht.
So schäm ich mich geküsst zu haben, obwohl ich eine Muse bin.
Doch Glück man nicht erkennen kann..
im Glück ist man geboren.
Glück man erstmals dann erkennt.. wenn man es hat verloren.
Ab heute wird das alles enden..
Dein Glück das wird sich sich von Dir wenden
Der Muse Kuss ist eine Zier, doch Dein Bestreben nur die Gier..
So beende ich nun was ich begonnen.. ab heute sei Dein Glück verronnen.
Gewidmet Sigrid Dittmann Sevillana
In Liebe
Deine Muse

Verfasst von: Muse | 09.08.06 21:48

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