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John Peel ist tot

Dieser Mann war Teil meiner Jugend. Ein wichtiger. Was immer gerade draußen passierte, es war vollkommen unwichtig, wenn „John Peels Music“ auf Sendung war. Er war unser Radio-Gott! Danke, John.
(Ein Nachruf von Ronald Galenza)

Am 26. Oktober 2004 melden die Nachrichten-Agenturen:

Der bekannte britische Radio-Moderator John Peel ist im Alter von 65
Jahren gestorben. Er hatte am Montag während eines Urlaubs in Peru
einem Herzinfarkt erlitten, wie die BBC am Dienstag mitteilte. Peel war
bei dem Sender fast 40 Jahre für Radio 1 tätig. Oft war er der erste,
der Demotapes von unbekannten Künstlern spielte. Mit seiner
Begeisterung trug er immer wieder zum späteren Erfolg dieser
Interpreten bei.

Peel förderte Musikstile wie Reggae, HipHop und Punk in der eher
konservativen BBC. Er unterstützte Künstler wie Jimi Hendrix, The
Smiths, The Fall, Pulp, Wedding Present und die irische Kultpunker
The Undertones, deren "Teenage Kicks" Peels erklärter Lieblingssong
war.

Die Einladungen zu Peels legendären Studiosessions waren begehrt,
zahlreiche Aufnahmen wurden später in der Alben-Reihe "John Peel
Sessions" veröffentlicht. Radio-1-Chef Andy Parfitt würdigte den
Verstorbenen als "Hörfunk-Legende" und erklärte: "Johns Einfluss hat
die Entwicklung der populären Musik nahezu vier Jahrzehnte überragt
und sein Beitrag zur modernen Musik und zur Musikkultur ist
unermesslich."

Peel, der 1939 als John Ravenscroft in der Nähe von Liverpool auf die
Welt kam, hatte sein musikalisches Schlüsselerlebnis mit einem Elvis-
Presley-Song. "Heartbreak Hotel" habe sein Leben verändert, sagte er.
In den frühen 60er Jahren ging Peel nach Dallas, wo ihm seine
Herkunft aus der Heimatstadt der Beatles zu seinem ersten
Radioengagement verhalt.

1967 schloss er sich der BBC an. Er war der dienstälteste Moderator
des Senders. Auch in Deutschland hatte John Peel eine
eingeschworene Fan-Gemeinde. Peel hinterlässt eine Frau und vier
Kinder. AP


John Peel hat uns mit seinen Sendungen soviel geschenkt. Er hat meine musikalische Sozialisierung extrem beeinflußt. Wir wußten ja nicht, das hinter dieser elenden Mauer so ein großartiger Kosmos an unfaßbarer Musik lebte. Wenn er auf Sendung ging, hockten unzählige Ost-Kids Ende der Siebziger vor ihren Kofferheulen und Radios. Denn da erklang die Musik der Zeit. The Clash! Die Sex Pistols! Joy Division, die TV Personalities, Undertones, Passmore Sisters, Half Man Half Bisquit, The Room. Reggae mußte man einfach lieben, World Music und all das. Durch ihn lernte ich The Fall für das ganze Leben lieben. Wedding Present explodierten. Er hat uns mit The Smiths für immer infiziert. Die großartige Welt der 7“ Singles. Das Mixen der Stile, das Akzeptieren des anderen. Wir lechzten nach dem ganzen heißen Scheiß, den man nirgendwo sonst im Radio hören konnte. Das war Lebens-Elexier pur. Er war kolossal. Gierig saugten wir sein Worte auf, sie hatten Gesetzescharakter. Daraufhin wurden die Platten bei den Omas im Westen bestellt. Bands aus aller Welt schickten ihm ihre Aufnahmen, ob auf Platte oder Kassetten. Und er hat dieses Zeug gespielt. Wir schnitten aufgeregt mit, diese ORWO-Kassetten waren Goldstaub. Mit den Aufnahmen aus „John Peels Music“ begannen wir unsere Independent-Disko „X-Mal“ in Berlin-Treptow Mitte der Achtziger. Und sie haben alle getanzt.

Mitte der Neunziger kam er nach Ost-Berlin. Punks und alte Aktivisten hatten zu einem Wiedersehen geladen. Am 24. September 1995 legte das Fahrgastschiff „Kreuz As“ ab und John Peel war an Bord. Etwas verloren und ratlos saß die „Stimme des Punk“ dann zwischen all den Gästen an Bord. Was mag er wohl gedacht haben?

Seine Sendung blieb immer seine Sendung. In den letzten Jahrenproduzierte er die in seinem eigenen Tonstudio im Keller seines Hauses. Er spielte Acid, Rave, Techno, Gabba, Folk. Der Mann war dermaßen offen und tolerant, wie man das zwischen den Musikszenen so nicht fand. Weil er sich für Musik interessierte, ja sie geliebt hat. Nun ist er gegangen. Der Schmerz ist fühlbar.

He is gone, but he lives on.

Ach John, warum?

Rest in Peace
(hoffentlich ist da spannende Musik für dich)


Ronald Galenza 26.10.2004

natter | 26.10.04 17:57 | Permalink

Kommentare

Auf folgender Seite gibt es übrigens einige MP3s von einzelnen Songs der Peel-Sessions. Einige Links funktionieren zwar nicht mehr, das macht die Menge aber wett.
http://www.radio.plus.com/index.html

Viel Spaß beim stöbern.

Möge John in Frieden ruhen.

Verfasst von: nicorola | 27.10.04 23:24

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