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Die Racionais MC`s - politischer Rap aus Brasilien

Spröde authentische Slum-Poesie - frei von öder politischer Korrektheit
--von Klaus Hart, Rio de Janeiro--
Brasiliens beste, politisch radikalste und populärste Rapperformation wurde 1990 in den gefährlichsten, elendesten Favelas der reichsten südamerikanischen Metropole Sao Paulo durch Mano Brown, Edy Rock, Ice Blue und KL Jay gegründet. Laut Eigendefinition beschreiben sie den selbst erlebten Alltag voller Armut und Misere, prangern "das unterdrückerische kapitalistische System an, das Drogenhandel, Elend und Gewalt fördert".

Mano Brown ist der wichtigste Sänger, dazu eine Art Sprecher der Gruppe, lief früher mit dem Revolver in der Hose herum, sieht bis heute, wie Kinder unter zehn Jahren Crack rauchen, Kokain, Heroin, LSD nehmen, von den Älteren ganz zu schweigen. „Das Zeug betäubt, macht debil und stupide“, schreit er nicht selten von der Bühne in die Tänzermassen, „paßt auf, das System hat kein Interesse an Armen, die intelligent sind.“ 1992 die erste CD – Holocausto urbano (städtischer Holocaust), gefolgt von „Raio X do Brasil“(Röntgenaufnahme von Brasilien), „Sobrevivendo no Inferno“(Überleben in der Hölle) und „Nada como um Dia Apos o Outro Dia – Chora Agora“(Nichts wie ein Tag nach dem anderen – weine jetzt) . Bis heute verweigert sich die Gruppe bewußt dem Medienkommerz, gibt so gut wie keine Interviews, unterstützt indessen zahlreiche Sozialprojekte, Anti-Hunger-Kampagnen, engagiert sich in der Schwarzenbewegung. Die Racionais MC’s bekamen Brasiliens wichtigsten Musikpreis, den „Premio Sharp“, wurden bereits 1998 zur besten Rapperformation gekürt.
Ihre Texte sind spröde, aufstörende, provozierende Poesie – nichts von langweiliger politischer Korrektheit, Schwarz-Weiß-Malerei. Nicht nur das System wird schonungslos kritisiert, auch die Lethargie, Apathie vieler Slumbewohner - oder die Hurenmentalität vieler Frauen, die von einer Beziehung zuallererst materielle Vorteile erwarten.
Nachfolgend Textauszüge populärer Raps der Racionais MC`s.

Kein Ausweg
Der Gully ist nicht gerade eine komfortable Wohnung
es stinkt unerträglich
das Viadukt ist Rückzugsort in kalten Nächten
dort schlafen viele, und andere sterben, hörst du?
Die Gesellschaft nennt sie Bedürftige
Meistens sinds Schwarze – kein Geheimnis, nichts Neues
Sie leben wie Ratten
Männer, Frauen, Kinder..
Was kann man schon von so einem dekadenten Land erwarten
wo das System hart, grausam, unnachgiebig ist
Kein Ausweg!
Aber viele kommen nicht vorwärts, weil sie das in Wahrheit so wollen
Sie bleiben träge, schlaff, untätig
Weißt du, warum die sich dieser Lage unterwerfen?
Frag mich nicht, komm selber dahinter
Vielleicht liegen die Gründe in euch selbst
Und deshalb sind wir Schwarzen so in Mißkredit
Daran seid ihr Schuld, weil ihr euch selber keinen Wert gebt
Ich sage die Wahrheit, doch du spottest über mich...
Du bist manipuliert, stellst dich blind,
denkst, so zu handeln, sei total richtig
da bleibt wieder diese Frage – wer hat Schuld
die Mächtigen, die Medien, oder ich und du?...
Die Mächtigen lügen, täuschen, und beherrschen die Bevölkerungsmehrheit, der Bildung und Kultur fehlen.
Sie werden geboren, wachsen auf, sterben – unbemerkt
Ein Ausweg ist das Banditenleben
Rauben, morden, töten, sich gegenseitig fertigmachen
Lies und hör zu, du kannst das richtig oder falsch finden
Aber mein Freund, bleib nicht untätig..
Hör auf, ein Egoist zu sein, zeige Ausdauer
Aber bist du überhaupt fähig zu kämpfen?..
Halt an, denk nach, wach auf, bevor es zu spät ist.

Vulgäre Frauen
...Frauen? Welche Art von Frauen?
Sie kommen aus einer feministischen Gesellschaft
Denken, sagen, daß wir alle Machisten sind.
Wollen nicht für ein Sex-Symbol gehalten werden
Kämpfen, um an die Macht zu kommen, beweisen ihre Moral
Lassen sich in einer Beziehung nicht unterwerfen, hintergehen
Fordern gleiche Rechte.
Doch die Kehrseite?
Für sie ist Geld das allerwichtigste
Sie ist vulgär, mit widerlichen Ideen im Kopf
Eine Idiotin, die sich nackt zeigt, als Objekt
Sie ist nutzlos, verdient Geld mit Sex
In irgendeinem Zimmer, im Stundenhotel, auf der Leinwand
Eine obszöne Figur, weiter nichts...
Wir sind die Racionais, wir sind anders, oder sogar gleich
Vulgäre Frauen – mit euch nur eine Nacht, und nicht mehr
Wie sie die Kleider wechselt, tauscht sie dich aus für einen anderen
Viele wollen sie für immer
Aber ich will sie nur für eine Nacht, verstehst du?
Sie mag Männer aus der Oberschicht..
Mischlingsfrau, Schwarze oder Weiße
Eine deiner einzigen Qualitäten – Geldgier
Frauen wollen nur die, von denen sie Vorteile haben
Geld und Besitz – wenn du das nicht hast, vergessen sie dich.
Wir sind Racionais, anders, wenn nicht gleich
Vulgäre Frauen – eine Nacht und nicht mehr.

Panik in der Südzone
Wenn es Nacht wird
Wissen nur die von hier, was passiert
Doch Ignoranz dominiert
Und wir sind alleine
Niemand will unsere Stimme hören
Die Leute rufen nach diesen „Justiceiros“, die killen, beleidigen, herumballern
Die Polizei hat nicht die geringste Lust, dagegen was zu tun, gar zu ermitteln,
denn für sie ist das ja vorteilhaft
Warum sich einmischen, wenn Kriminelle von diesen Justiceiros hingerichtet werden.
Panik in der Südzone
Ich weiß nicht,
ob die das dürfen
einfach entscheiden, was richtig oder falsch ist..
Gerechtigkeit gibts nicht mehr, oder täusche ich mich?
Wenn ich alle aufzählen würde, die schon umgelegt wurden
Reichte meine Zeit nicht
Angst ist hier das vorherrschende Gefühl
Mißtrauen, Unsicherheit
Bist du dir der Gefahren hier bewußt?
Diese Leute kennen dich kaum – und halten dich schon für einen Feind
Und wenn du Pech hast, jemandem ähnlich siehst
Dann garantiere ich dir, wirds für dich nicht lustig
Inzwischen haben sie die Rollen getauscht, sind selber Gangster
Müßten verfolgt werden
Und alles müßte aufgeklärt werden
Falls wir wollen, daß sich hier was ändert..
Wir müssen kohärent handeln, dann hätten wir auch keine Angst mehr...

Schwierige Zeiten
Millionen guter Menschen sterben vor Hunger
Und schuld daran ist der Mensch selbst
Die Herrschaft ist in der Hand von mächtigen, lügnerischen Leuten
Die von all dem nichts wissen wollen
Es sind Schweine, die unseren Tod wollen
Da arbeiten die Leute den ganzen Monat
Reiben sich auf, sind ausgebrannt, für so wenig Lohn
Doch soviele andere arbeiten nicht,
stören nur und reden noch groß herum,
daß alles besser wird.
Anstatt dafür das Nötige zu tun
Täuschen, hintergehen sie nur die Dummen.
Versprechen hundert Prozent, lügen, betrügen
Lachen aber in Wahrheit über uns.
Sie werfen Geld zum Fenster raus, verschwenden massenhaft Mittel
Denken aber nicht an ein leidendes Straßenkind
Eine Welt voller Misere
Was beweist, daß eine Ära zuendegeht
Der Mensch hat Atomwaffen geschaffen
Ein Knopfdruck reicht, damit die ganze Welt in die Luft fliegt...
Immer mehr Korruption und Gewalt
Sex und Drogen, so alltäglich, so normal...
Aus Straßenkindern werden Kriminelle
Um deren Zukunft sich keiner kümmert
Für die ist dann eben das Banditenleben der Ausweg
Rauben, töten, sterben, sich gegenseitig umbringen
Während die Autoritäten so tun, als sähen sie das alles nicht
Und so nimmt die Gewalt ständig zu
Sind wir nicht alle daran schuld?
Sie zerstören die Natur
Verschmutzen die Luft
Und ich frage mich – wie wird die Zukunft sein?

Wochenende im Park
Alle in den Armenvierteln der Südzone wollen sich amüsieren, wenn das Wochenende kommt
Im Sommer, im Januar der blaue Himmel über Sao Paulo, die Leute der Südzone fröhlich, beschwingt..
Auf dem Weg zu meinen Leuten sehe ich die Mittelschicht-Playboys aufgeregt, glücklich
Ihre Garagen offen, Autos werden gewaschen
Was die wieder an Wasser verschwenden..
Alle möglichen Lebensstile, Vagabundinnen, Motorräder
Reiche alte Damen
Und die selbe blonde Kuh läuft dort herum, wie immer
Gehen wir mal in den Park
Der Junge soll spielen
Am Wochenende im Park
Und ich bete, daß es am Sonntag nicht regnet
Schau mal, dieser Club mit allem Drum und Dran
Viele Leute, da gibts Eisdiele, Kino, Schwimmbad
Viele Typen, viele scharfe Frauen
Diese Kuh da müßte man im Pool ersäufen...
Doch hier tausende Buden auf einem Haufen
Erdwege – das ist ein Slum..
Aber kannst es glauben, ich mag das
Mehr menschliche Wärme
An der Peripherie überall diese Fröhlichkeit
Dort wohnen meine Brüder, meine Freunde
Die Mehrheit ist so wie ich
Und Nummer Eins der Stadt bei den Niedrigeinkommen.
Da liegt eine Leiche auf der Treppe
Ein Tantchen ruft die Polizei, ein Toter, Hilfe
Hier gibts keinen Sportklub für die Jugend, wird kaum in Freizeiteinrichtungen investiert
Das Gemeindezentrum ist ein Desaster
Aber für Zerstörung ist das hier der richtige Ort
Schnaps und Kokain an jeder Ecke, alle hundert, zweihundert Meter
Gerissen zu sein, ist hier nicht immer das klügste...
Ich erinnere mich noch genau
Ein Schuß, ein Motorrad mit zwei Idioten
Umgelegt haben sie unsern Kumpel, der Freude in die Favela brachte
Ich habe diese ganze Scheiße satt, diesen ganzen Blödsinn
Alkoholismus, Rache, Streitereien, Gaunertum
Entsetzte, ängstliche Mütter, problematische Söhne
Zerstörte Familien, Wochenenden voller Tragik
Das System will es so – die Jugend muß das endlich mal kapieren
Wir müssen in uns selber investieren, uns von Rauschgift und Alkohol fernhalten

Mann auf der Straße
Schlecht an den Steilhang geklebt, halbfertig, provisorisch, dreckig
Das ist seine Behausung, sein Rückzugsort
Im Hof furchtbarer Gestank von Abwasser, egal, wo man steht
Wenns regnet, wird das hier tödlich
Das hier ist ein Stück von der Hölle
Sogar die Leute vom staatlichen Statistikinstitut haben sich hier nur einmal blicken lassen
Haben die Baracken numeriert, viele Fragen gestellt und alles wieder sofort vergessen
Diese Hurensöhne
Auf eine vergewaltigte, getötete junge Frau sind sie gestoßen
Wer das tat, muß viel Wut gehabt haben. Die hat vielleicht Schläge abgekriegt
War total unkenntlich, wie ihr Gesicht
Um Mitternacht lag die Leiche immer noch dort, zugedeckt, ausgedörrt von der Sonne.
der Wagen vom gerichtsmedizinischen Institut kam erst nach zehn Stunden.
Ja, Geld verdienen, reich werden
Ich will, daß sich mein Sohn an das hier nicht erinnert, in Sicherheit lebt.
Ich will, daß er ohne Revolver im Hosenbund aufwächst...
Ein neuer Tag, immer dasselbe.
Unerträgliche Hitze, 28 Grad, das Wasser abgestellt seit fünf Tagen, schon Routine, Monotonie
Man weiß nicht, wann sie es wieder anstellen...
Ein Rettungswagen, Irrsinn der Gewalt, besoffen hat er die eigene Mutter umgebracht
Aber ehe er wieder nüchtern war, wurde er schon gerichtet, über die Straßen geschleift und gelyncht
Der sah ganz schön häßlich aus danach, die hatten kein Mitleid...
Die Reichen machen Kampagnen gegen Rauschgift
Aber andererseits stimulieren sie den Alkoholkonsum in der Favela, verdienen daran unheimlich viel Geld
Die Kinder hier haben keine Zukunft, gehen nur in die Schule, weils dort was zu essen gibt, die lernen dort nichts – denn ihnen fehlt Selbstwertgefühl, Gesundheit..
Ein Freund von mir verdiente richtig gut Geld, hatte Auto und Rolex,
wurde an jener Privatschule erschossen, deren gutbetuchte Kids er mit Kokain versorgte.
Ein Mann wird verdächtigt, Überfälle begangen zu haben, er hat Vorstrafen, war im Knast, ist geliefert.
Ich vertraue nicht in die Polizei, sagt er sich, dreckige Rasse, wenn die mich angeschossen auf dem Fußweg finden, treten sie mir ins Gesicht, spucken mich an, ich werde verbluten. Deshalb muß ich selber für meine Sicherheit sorgen.
Und dann im Morgengrauen kommt die Polizei, fünfzehn Mann, und er nur mit einer Pistole...
Später heißt es:“Mulatte an der Straße M` Boi Mirim tot aufgefunden, offenbar von einer gegnerischen Verbrecherbande ermordet, er hatte zahlreiche Vorstrafen...“

Racional-Jury
Du hast keine Selbstachtung, Mann!
Durch dein Minderwertigkeitsgefühl gibts du den Rassisten unheimlich viele Gründe, uns weiter so zu ficken, wie sie es immer taten
Weißes Schaf der Rasse, Verräter!
Du hast deine Seele dem Feind verkauft, deine eigene Hautfarbe verleugnet!..
Schau dich an, denk an unsere Brüder
Getötet von der Polizei, erschossen, als sie schon am Boden lagen
Ich bin wütend und entrüstet über deine Indifferenz angesichts unserer Vernichtung!..
Diese miesen Frauen, die du immer so lobtest, amüsieren sich, lachen dich aus.
Diese Kühe, haben dich ausgenutzt, ausgebeutet bis zum letzten!
Du brauchst sie doch gar nicht.
Wenn es so schöne schwarze Frauen gibt, du die besten davon haben kannst,
warum bist du immer nur mit den schlechtesten zusammen?
Bourgeoise Hündinnen!
Jetzt stehst du vor der Racional-Jury, weil du der Gegenseite dienst.
Ich mag Nelson Mandela, bewundere Spike Lee
Zumbi, ein großer Held, der größte hierzulande.
Die sind wichtig für mich – aber du lachst und drehst dich weg
Ich weiß, welche Scheiße du magst:
Sich anziehen wie ein Playboy, in Diskotheken gehen, hinter diesen miesen Weibern herlaufen, jeden Tag TV-Serien glotzen – so eine Scheiße!
Gut vorstellbar, daß du dich so ganz schön fickst, dich selbstzerstörst, uns da mit reinziehen willst.
Ich will dieses Selbstwertgefühl zurückkriegen, das uns die andere Rasse weggenommen hat.
Aber hörst du, ich bin kein Rassist!
Doch du hast ja nicht einmal Interesse, dich zu befreien.
Ein echter Schwarzer muß gegen den Strom schwimmen können, opferbereit sein.
Einstimmig entscheidet deshalb die Jury, daß der Angeklagte schuldig ist, weil er den Kampf unserer schwarzen Vorfahren ignoriert, die jahrtausendealte Kultur der Schwarzen mißachtet, die anderen Schwarzenbrüder lächerlich macht, freiwilliges Instrument des rassistischen Feindes ist.
Der Fall ist erledigt.

Teil zwei
Vagabundin: Na, Edy, willst du mal mit mir?
Edy:Aber ich kenne doch deinen Mann schon tausend Jahre, das geht doch nicht
Vagabunda: Vergiß ihn, es bleibt doch unter uns, auf diesen Moment, daß ich mal mit dir könnte, habe ich so lange gewartet. Ich will - und damit basta, ein Nein akzeptiere ich nicht
Edy: Scheiße, diese Frau ist unerträglich
Solche Frauen sind für mich einfach gewissenlos, durchtrieben, ausgekocht
Am liebsten möchte ich ihrem Mann sagen, daß er aufpassen soll – aber er wirds nicht glauben, wird denken, das sei Neid, oder ich sei durchgeknallt. Sie will wirklich alle, alles, was sie kriegen kann.
Doch sie tauscht dich eiskalt aus, ist unter den Frauen die schlimmste, macht ihm Szenen vor anderen
Und er glaubt auch noch ihren Tränen, Schwüren.
Mir fallen viele Männer ein, die sich von solchen Frauen einlullen lassen.
Sie agiert ganz diskret, sucht Freunde von ihm zu verführen, die eigentlich an durchgekautem Fleisch gar nicht interessiert sind – aber manchmal ins Nachdenken kommen – soll ich, oder soll ich nicht?
In wenige Freunde kann man heute noch vertrauen,
in Frauen noch weniger...
Paß auf deine Frau auf
Selbst wenn du sie unheimlich lange kennst, glaub ihr nur fünfzig Prozent
Glaub nicht, daß sie dazu gar nicht fähig ist
Sie lügt, wenn sie will,
du weißt nie, was in ihrem Kopfe vorgeht
mal ist sie Hund, mal Hündin..
Mit solchen Frauen lasse ich mich nicht ein
Und wers macht, verdient eine Revolversalve in die Fresse.
Auf jeden Mann entfallen sieben Frauen oder noch mehr
Warum dann auch noch seinen Kameraden hintergehen
Ich jedenfalls verzeihe sowas nicht, nicht mal im Höllenfeuer
Sie ißt vom selben Teller, auf den sie spuckt, hat bis zu einem Dutzend verschiedene Gesichter, saugt dich total aus
Sie tauscht dich aus für jeden andern...
Vagabundin: Na, Blue, willst du mal mit mir!
Blue: Was ist denn los – ein Freund von mir ist dein Mann, trotzdem schmeißt du dich an einen anderen Freund ran – und jetzt willst du auch noch mit mir?
Vagabundin: Denk nicht an die beiden, es bleibt doch unter uns...

Magische Friedensformel
Diese Scheiße hier ist wie vermintes Gelände
So oft habe ich schon gedacht – nichts wie weg hier
Aber andererseits habe ich weiter nichts als dieses Viertel
Mein Leben ist hier, ich kann hier nicht weg
Es ist leicht abzuhauen, aber ich mache es nicht
Denn das wäre Verrat an mir selber
Ich mag, woher ich bin, woher ich komme
Die Lektionen der Favela waren gut für mich
Jede Favela anders, jede mit anderen Regeln,
die ich immer respektiert habe...
Als ich klein war, habe ich nur ans Tanzen, meine Black-Frisur, All-Star-Tennisschuhe gedacht..
Nichts ernstgenommen, die Gangster hier bewundert
Aber sag mir mal, wer von denen ist denn aufgestiegen, übriggeblieben
Seitdem hats hier reichlich Beerdigungen gegeben,
und wer ist die nächste Mutter, die weint..
Wenn ich so zurückschaue – alle meine Freunde sind zu weit gegangen,
liegen jetzt schon auf dem Sao-Luis-Friedhof...
Ich habe meine Verhaltensregeln, rauche kein Crack,
mich mit Freunden zu treffen, macht mich glücklich
gegenseitiger Respekt ist der Schlüssel, das wollte ich immer
und sag mir, suche deinen Schlüssel, bis bald, bei unserer magischen Friedensformel
Die suche ich pausenlos ...
Weinen und Gerenne im Hospital am Kindertag, Blut und Sterben auf dem Korridor
Lebt er noch, bei der Liebe Gottes, Herr Doktor.
Vier Schüsse vom Hals aufwärts, Scheiße, die Chancen sind minimal
Da begriff ich, wer ich bin, hörte mein Unterbewußtsein; Mano Brown, Arschloch, wo bist du denn, dein Kumpel stirbt – was wirst du machen
Kannst es glauben, fühlte mich nutzlos, winzig, noch ein rachsüchtiges Arschloch mehr.
Unheimliche Hoffnungslosigkeit, alles ein Albtraum
So geht es nicht weiter
Dieser Delei war doch ein ganz normaler Junge.
Wenige Minuten später eine Dona Maria mehr in Trauer.
An der Wand das Kreuz.
Was ist das für eine Scheiße?Was für eine Welt ist das?Wo ist Jesus?..
Ich bin total durcheinander, muß nachdenken, gib mir ein bißchen Zeit dafür
Ich kann schon nicht mehr unterscheiden, wer hier falsch handelt,
meine Ideologie auf schwächsten Füßen
Schwarzer, Weißer, Polizei, Gangster oder ich
Wer ist denn nun der größte Hurensohn, ich weiß es nicht, bin gefickt, gefickt
So eine Enttäuschung in solchen Stunden
Die Depression will mich kriegen – ich haue ab.
Jede Favela mit eigenen Gesetzen
Im extremen Süden der Südzone läuft alles falsch
Dort ist dein Leben ganz wenig wert
Unsere Gesetze funktionieren nicht, die Gewalt ist selbstmörderisch...
Hier bringen sich die Leute gegenseitig um – Bruder, warum?
Schau mich nicht so an, ich bin einer wie du
Nimm deinen Finger vom Revolver-Abzug...

Peripherie bleibt Peripherie
Dieser Ort ist ein peripherischer Albtraum
Ein Menschenhaufen
Tagsüber das kleine Diebsgesindel auf dem Weg zur Schule
Nachts schlafen die, während die „Großen“ sich mit Kokain und Crack befassen
Die konsumieren massenhaft Drogen, eine Scheiße ist das!
Mir tun deren Familien leid..
Alles ein schlechtes Beispiel für die Heranwachsenden.
Obacht, Senhora, paß auf deine Kinder auf!
Schon gefickt, denn der Chef des Hauses arbeitet nur und ist nie da
Den sieht niemand gehen, niemand kommen
Die Arbeit frißt seine ganze Zeit auf
Überstunden sind nötig, damits zum Essen reicht.
Ein paar Real mehr in der Lohntüte, Almosen vom Boß,
diesem Millionärs-Arschloch!
Sklave des Geldes, das ist es!
360 Tage im Jahr, und nicht mal versichert.
Wenn diese Sklaverei für dich endet, wovon lebst du dann?
Das System manipuliert, ohne daß man es merkt.
Gehirnwäsche läßt dich alles vergessen...
Ich habe schon zuviel Tränen gesehen,
das reicht für einen Kriegsfilm!
Ein Typ sagte mir, als er hierherkam, war noch alles Wald, er erinnere sich nur noch an Schüsse.
Ein anderer Verrückter sagte, er sei sprachlos.
Wer nicht tot ist, sitzt in Ruhe im Knast.
Wer heiratete, will sein Kind großziehen – oder auch nicht.
Crack rauchen und davon so verrückt werden wie die Kids.
Hier wohnt überall die Feigheit, gilt das Gesetz der Wildnis.
Hast dus gesehen, jetzt haben sie dem Alten doch das bißchen Monatslohn geraubt, alles für Crack ausgegeben.
Der Alte, ein Arbeiter, Stadtsklave, aus dem Nordosten, kriegt den Haß, kauft sich eine Knarre zur Selbstverteidigung. ..
Im Morgengrauen, die Knarre im Hosenbund, wacht er auf – da ist doch ein Strauchdieb im Hof, will die Wäsche klauen.
Schau, wie das Schicksal zuschlägt, nicht zu verhindern, beklagenswert!
Dieser Hurensohn, der ihn beraubte, erwacht voller Blei, so hat ers gewollt!
Neunzehn Lebensjahre einfach weggeschmissen – gefickt!
Diese Nacht regnets viel.
Weil Gott weint.
Viel Armut, die Gewalt explodiert
Unsere Rasse stirbt
Sag mir nicht, daß doch alles gut läuft.
Ich brauche mir doch nur die letzten Jahre anzuschauen,
das reicht, um mir Sorgen zu machen.
Mit zwei Kindern – da ist die Peripherie doch überall gleich.
Alle haben Angst, im Morgengrauen raus auf die Straße zu gehen
Letztens sieht man dort nur noch Verrückte, voll mit Drogen.
Verrückt bis zum Gehtnichtmehr
Die sind für dich gefährlich in ihrem Wahnsinn..
Mütter weinen, Brüder bringen sich um. Wie lange noch?
Peripherie bleibt Peripherie.
„Hier, mein Lieber, ist jeder nur für sich allein“

Ich höre, wie mich jemand ruft
Hallo, Kumpel, Guina schickt das hier für dich –
Ich höre jemanden meinen Namen rufen..
Guina ist im Knast, ich hörte, der sei tot..
Wir waren starke Partner
Der hat wie irre Kokain geschnupft
War hier Lehrer in Verbrechen
Ein eiskalter Typ, supernervös
Immer die schärfste Frau
Immer die schicksten Klamotten..
Leben als Gangster, gar nicht so schlecht..
Ich habe dann mitgemacht, beim Banküberfall..
Da sah ich zum ersten Mal das System zu meinen Füßen
Der Sicherheitsmensch wollte intelligent sein, den Besitz vom Playboy verteidigen
Das Arschloch (Schüsse)..
Guina hatte kein Mitleid
Wer reagierte, wurde immer sofort umgelegt...
Dann war da so ein Verrückter hier, auf Villenüberfälle spezialisiert..
Einmal saß unser Opfer vorm Fernseher
Wir rein, Guina hat draußen aufgepaßt
Der Mann sieht mich, lacht, sagt, na Schwarzer, als ob ich ein Nichts wäre
Da stand meine Ehre auf dem Spiel
Es war einmal Robin Hood
Der Mann fiel um, noch die Augen offen
Ich habe ihm aus nächster Nähe sechs Kugeln reingejagt,
Guina dann noch drei dazu
Einmal sagte er mir, daß er nicht weiß, was Liebe ist
Erzählte von seiner Kindheit
Eine Mischung aus Haß, Frust und Schmerz
Wie erniedrigend es war, zur Schule in erbettelten Klamotten zu gehen
Ein nutzloser Vater,mit dem man Mitleid hatte
Besoffen, ein Hurensohn...
Ein bißchen Geld würde meine Probleme lösen
Aber was mache ich hier?
Meine Tennisschuhe voller Blut, der Mann auf dem Boden
Ein weinendes Kind, ich mit dem Revolver in der Hand
Es ist der Terror – und ich habe das alles verzapft.
Doch jetzt ist es zu spät
Ich weiß, daß ich für diese Scheiße mal teuer bezahle
Im Spiegel erkenne ich mich nicht mehr,
bin verrückt geworden, schlafe nicht mehr..
Aufhören damit, abhauen, eine anständige Arbeit, vielleicht wieder in die Schule gehen
Sie sagen, Guina sei im Knast, weil ich ihn verpfiffen habe, wollen von mir Geld, das ich nicht habe
Schlimmer als meine Angst ist die Enttäuschung
Verraten, ausgetrixt, hintergangen werden
Meine Kumpels, meine Partner wollen mich wegen Geld umlegen...
In dieser Nacht, zu heiß, um zu schlafen, bin ich mal ohne Kanone zu der Straßenbar..
Zehn Minuten später gingen zwei Jugendliche auf mich zu
Ich renne nicht weg, weiß, was sie wollen
Na denn, knallt mich ab...
Die Waffe kenne ich, das ist die von Guina, ich habe sie ihm geschenkt..
Nach dem vierten Schuß habe ich nichts mehr gesehen
Spüre, wie die Klamotten am Körper kleben.
Ich will leben, kann doch jetzt nicht einfach tot sein
Wenn ich hier weggehe, werde ich mich wirklich ändern.
Ich höre, wie mich jemand ruft

Hey Boy
Laß uns mal ein paar Worte wechseln
Hey boy, was hast du hier zu suchen
Mein Viertel ist nicht das richtige für dich
Hier kanns dir schlecht ergehen
Du weißt nicht, wo du hingeraten bist
Mitten in ein Schlangennest
Und ich muß dir auch noch erklären,
daß du hier so leicht nicht wieder rauskommst
Das Leben hier ist hart
Brutal ist das Gesetz des Stärkeren
Für die Misere hier gibts kein Gegenmittel
Das wahrscheinlichste ist der Tod
Am Leben zu bleiben, heißt Kampf
Ich darf keinen Fehler machen
Muß gerissen sein
Oder sie nehmen mir alles weg
Ziehen mir die Haut ab...
Das bißchen Geld, was ich habe
Reicht nicht für das, was ich brauche..
Oftmals gehts nicht anders,
die einzige Lösung ist Rauben
Und deine Eltern meinen, daß das Gefängnis für uns der richtige Ort ist
Das System ist die Ursache
Und wir sind die Konsequenz...
Das ist alles wahr
Aber du brauchst kein Mitleid mit mir zu haben
Weil ich hier lebe
Ich will ja hier sein
Obwohls die vergessene Seite der Stadt ist
Und Sündenbock für alles Mittelmäßige
Die Gesellschaft weiß schon nicht mehr, was sie tun soll
Eingreifen oder einfach alles so weiter laufen lassen..
Hey boy,
du bist von denen, die beitragen
daß so viele dermaßen schlecht leben
Alleine löst das keiner
Aber viele denken wie du
Daß sich die Situation extrem verschlechtert
Und wie immer denkst du nur an dich
Dein Egoismus, Ehrgeiz und Mißachtung
Werden jene Argumente sein, die dich selber umbringen
Deshalb sage ich , hey boy
Sei nicht überrascht
Wenn dieser lächerliche, hassenswerte Kreislauf
Dieses System, dem du angehörst
Dich in einen Kriminellen verwandelt..
Also, lerne diese Lektion..
Hau ab hier und laß dich nie wieder blicken!
..

Klaus | 17.09.04 03:17 | Permalink